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PROF. DR. FREUD
WIEN IX., BERGGASSE 1915.III.25.
Lieber Herr Doktor!
Ich danke Ihnen sehr für den Bericht vom 11. März und werde auf die
einzelnen Punkte im Folgenden antworten.Das Referat von Sachs über Ranks Trauma der G. habe ich erhalten
und durchaus gebilligt. Dienstag abends kommt Storfer zu mir und wird
es an sich nehmen.Dass Sie die Salzburger Kongressvorträge von Jones, Sachs und
Alexander, die zum Erscheinen als Broschüre bestimmt waren, im 2. Heft
der Zeitschrift bringen wollen, kommt meinen Wünschen durchaus entgegen.
Ich habe immer den Gesichtspunkt vertreten, dass unsere Zeitschriften
nicht zugunsten von separaten Publikationen ihres besten Stoffes be-
raubt werden sollen. Was Storfer dagegen geltend macht, die Rücksicht
auf Verbreitung und Absatz, hat natürlich auch seine Berechtigung. Wir
müssen da lavieren.Die Beiträge, die Sie ankündigen, vorwiegend klinischer Natur, weiss
ich nicht zu beanständen.Von der Charcotfeier bin ich durch den Progrès Médical in Kenntnis
gesetzt worden. Sie verlangten irgendeinen Beitrag von mir und ich habe
mich entschlossen, sie auf den Nachruf in der 1. Folge meiner Kleinen
Schriften aufmerksam zu machen, der in Paris gewiss unbekannt geblieben
ist. Ich habe ihnen vorgeschlagen, durch Laforgue Stücke dieses Auf-
satzes übersetzen oder einen Auszug daraus anfertigen zu lassen. Ich habe
nämlich an jener Stelle unter dem frischen Eindruck der Todesnachricht
alles gesagt, was über meine Eindrücke von Charcot und meine Beziehungen
zu ihm zu sagen war und wüsste heute aus der verblassten Erinnerung –
es sind 40 Jahre seither vergangen – nichts Besseres zu schreiben.
Die Antwort vom Progrès Médical steht noch aus. Sie haben Recht, dass auch
unsere Zeitschrift von der Feier Kenntnis nehmen sollte. Aber es wäre wirk-
lich besser, wenn ein anderer diese Aufgabe übernähme, dessen Perspektive -
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durch die seitherigen Entwicklungen abgeändert ist. Wenn Ferenczi sich
dazu entschliesst, wird es gewiss vortrefflich werden.Dass mit Oberholzer nichts anzufangen ist, wirkt auf mich nicht als
Ueberraschung. Es ist sehr bedauerlich, aber man muss ihn laufen lassen.Ihre Bemerkung über den Wunderblock hat natürlich mein besonderes
Interesse erweckt. Ich kann die Vorrichtung, die Sie beschreiben, nicht
sehr gut verstehen, da mir dieses Stück Technik vollkommen fremd ist.
Ich meine aber, es wäre sehr schön von Ihnen und würde den Wert meiner
Notiz heben, wenn Sie die Analogie, welche Sie gefunden haben, selbst
in einer kleinen Arbeit der Oeffentlichkeit übermitteln würden. Es
brauchten nicht mehr Seiten sein, als meine Notiz über den Wunderblock
einnimmt und ich hoffe, es wird keine fühlbare Mehrbelastung für Sie
bedeuten.Mit herzlichem Gruss
Ihr
Freud