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PROF. DR. FREUD
WIEN IX., BERGGASSE 19B Gastein 20.7.22
Lieber Herr Doktor
Ich wollte Ihnen heute schon schreiben des
beiliegenden Briefes wegen, gab mir aber keine
Lizenz, da die Woche noch nicht um war. Ihr
eben erhaltener Brief überhebt mich nun dieser
gewissenhaften Rücksicht.Zum Brief der Riviere bemerke ich, daß das
verteufelt gescheite Frauenzimmer wahrscheinlich
mit allen Bemerkungen Recht hat. Jones’ Reaktion
ist uns ja verständlich. Abraham’s Gereiztheit
kom̄t wol von der Eifersucht auf Eitingon,
der unausweichlicher Weise zur Stellung eines
Familienmitglieds, die er angestrebt hat, wirklich
aufgerückt ist. Abraham ist aber vornehmer als
Jones u seine Gereiztheit hat weniger zu bedeuten.
Im Ganzen sind diese verschobenen Affektäußer-
ungen nicht erwünscht, es ist auch zu ungerecht,
daß es dann über Sie kommt und ich denke
wenn Ferenczi da ist, besprechen Sie es mit
ihm. Seine offene Liebenswürdigkeit bestim̄t
ihn für die Rolle des Versöhners. Auch hat
er am meisten von der Analyse her Ein-
fluß auf Jones.Über die Neuordnung der Sam̄lg erwarte ich Ihr
Urteil, wenn erst etwas von J. selbst darüber
vorliegt. Ich werde mich nicht viel sträuben,
die Sache fängt an, ihr Interesse für mich zu
verlieren, aber ich glaube, daß er nichts fertig
bringen wird.Die Trbemerkgen habe ich an Sie geschickt, weil
Sie daran besonders interessirt sein mögen
u habe nicht an ihren sofortigen Abdruck
gedacht. Dem Verlag schickte ich am 17./7
das andere Mnskpt über neurotische Mechan-
ismen bei Eifers, Paranoia u Homosexualität
u legte einen Zettel bei, dies möge anstatt der
von Ihnen angekündigten Trarbeit -
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für Zeitsch 3. gesetzt werden. Somit ist wol jedes Misver-
ständnis vermieden. Die nötige Korrektur will
ich dadurch ermöglichen, daß ich den Verlag bitte,
mir ein Exemplar der Sam̄lg, in der die Schreber-
analyse steht (ich glaube: dritte Folge) hieherzu-
schicken. Es handelt sich nicht um vieles.Über die Trbemerkgen haben Sie nichts ge-
sagt, hoffentlich weil Sie es noch nicht gelesen
haben, was auch nicht eilt. Sonst haben Sie ja
nicht die Rücksicht gegen mich zu beobachten,
die ich Ihnen gegenüber eingestanden habe.Mit Ihrer Stellung zu Prinzhorn bin ich sehr
einverstanden, wenn Sie nur zu grosse Schärfe
vermeiden. Er betonte in seinem Brief den
inneren Zwang zur Unabhängigkeit u ich
antwortete, darin sähe ich gerade kein Ver-
dienst. Mit Deuticke werden Sie sich wol
nicht geniren.Ihr Manuskpt schicke ich Ihnen doch noch von Gastein
aus zurück. Wenn Sie nichts anderes haben,
so sollen Sie sich etwas aus dem allzureichen
Inhalt für den Vortrag herausschälen.
Flournoy möchte ich lieber übersetzt als französisch
bringen. Von Mskpten lese ich gerne, was
Sie schicken wollen.Ihrer Zusam̄enkunft im August wünsche ich schönsten
Verlauf. Es ist vielleicht ganz gut, daß ich nur
im Geiste anwesend sein kann. Die herrlichen
Seefelder Wälder haben Sie gewiß auch schon
entdeckt. Von Helenchen weiß ich, daß ihr
wirklicher Geburtstag in die Ferienzeit
fällt, Minna’s erstaunliches Gedächtnis
behauptet, es sei der 22 August.Mit herzlichsten Wünschen für Sie
und Ihre Frau
Ihr
FreudP.S. Den schwachsinnigen Wiener Artikel
über die Trdeutg habe ich hier schon
gelesen. Stekel kreist auch hier herum.
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