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24.III.1924
Lieber Herr Professor
Ich glaube doch, daß Sie - ganz abgesehen von meinen persönlichen Gefühlen gegen Sie - auch den hohen Respekt unterschätzen, den ich vor Ihnen als dem Schöpfer der PsA und meinem Lehrer [gestrichen: nach wie vor] hege, wenn Sie so sicher sind, daß Ihre Kritik so wenig [gestrichen: keinen] Eindruck auf mich gemacht hätte. Wenn es dennoch so schien, so mag dies daher rühren, daß ich verschiedentlich [gestrichen: daneben auch] den Eindruck gewann [gestrichen: habe], Ihre Kritik sei - ganz abgesehen von [gestrichen: ihrer] sachlichen Gesichtspunkten [gestrichen: Berechtigung] - von vornherein nicht gerade wohlwollend eingestellt. [Gestrichen: Denn] Sie hätten es [gestrichen: ja] doch in diesem Fall wohl nicht unterlassen, auch [gestrichen: wenigstens mit einem Worte] anzudeuten, woran Sie den zu wiederholten Malen [gestrichen: mir gegenüber so oft] betonten Wert des Buches erblicken [gestrichen: sehen], wenn Sie so unzweideutig zu erkennen geben, worin Sie seine schwachen Stellen sehen.
Abgesehen davon hat mich noch ein rein sachlicher Umstand verstimmt. Da Sie im Hauptteil der Arbeit eingehend die möglichen Erklärungen für den Untergang des Öd.K. erörtern, am dann anhangsweise meine Auffassung kritisch zu beleuchten, meine ich, daß wenigstens die Anführung meines Erklärungs¬versuches, den ich für das Scheitern des Öd.K. (S. 44) gebe, am Platze gewesen wäre.
Aus derartigen Anzeichen [gestrichen: In diesen Umständen], die noch durch Ihr Versprechen: ich hätte einen "Pick" auf den Öd.K. (statt Kastr.K.) verstärkt wurden, glaubte ich eine nicht ganz vorurteilsfreie Einstellung Ihrerseits zu erkennen, die mich wie ich offen gestehe [gestrichen: <gestehe>n darf], schmerzlich berührt hat [das Folgende bis zum Ende des Absatzes handschriftlich am unteren Rand der Seite eingefügt:] besonders auch, weil ich glaube, daß sie Sie verhindert, die Dinge in der Analyse, wo sie wirklich [gestrichen: einzig] zu sehen sind, auch unbefangen nachzuprüfen.
Was Ihren zweiten Vorschlag betrifft, so weiß ich nicht, ob Sie Recht daran tun, dabei nur auf Ihre eigene Einstellung Rücksicht zu nehmen und nicht auf die der ganzen Wiener Gruppe, die wohl sehr enttäuscht sein und nichts unversucht lassen wird, um Sie von Ihrem Vorgehen abzubringen. Dazu kommt noch die praktische Schwierigkeit [gestrichen: Auch möchte ich mir erlauben, Sie noch auf eine von Ihnen vernachlässigte praktische Schwierigkeit aufmerksam zu machen, die daran besteht], daß ich bereits im Mai nicht mehr in Wien sein werde, wo doch die Gesellschaft gewöhnlich noch tagt.
[Gestrichen: Was Eitingon betrifft, von dem ich die gleiche Nachricht hatte, so hat er über die entscheidenden Vorgänge der letzten Wochen gar nicht unterrichtet <sic>, so dass ich nicht weiss, wie er sich dazu stellen wird und inwieweit es möglich sein wird die schwebenden Parteifragen mit ihm zu diskutieren.]
[Handschriftlich hinzugefügt:] Ich hoffe, lieber Herr Professor, Sie nehmen mir diese Freiheit nicht übel, aber ich sehe in ihr nicht nur die Voraussetzung jeder persönlichen Beziehung, sondern auch das beste Mittel zu einer Verständigung.
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