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S.
PROF. DR. FREUD
WIEN IX., BERGGASSE 1910.4.24
Lieber Herr Doktor
Es thut mir, besonders wegen
Ihrer Reiseabsichten, sehr
leid, daß Sie wieder krank
sind, u ich möchte nicht, daß
Sie meinetwegen früher
das Haus verlassen, ehe es
Ihnen erlaubt ist.Ich gehe aber diese Woche nicht
weg. Semmering hat mir entschieden
wolgetan u da wir am 17ten
Wien verlassen, kann das
nächste Weekend unterbleiben.
Wenn Sie also Sonntag nach-
mittag schon mobil sind und
nichts anderes unternehmen,
wird es mir leicht sein Sie zu
sehen. Sonst natürlich an jedem
Abend der nächsten Woche
vor Ankunft der Gäste.Ferenczi’s Äußerung ist sehr
würdig. Abraham wird über
diese Kündigung sehr über-
rascht sein. Er ist leider ganz
einsichtslos. Mir schreibt er
er hofft, daß meine „Unpäß-
lichkeit bald überwunden
sein u mich nicht hindern
wird, nach Salzbg zu kommen -
S.
u vielleicht auch dort vorzutragen.
Er will nicht glauben, daß es
sich bei mir um ein neues,
herabgesetztes Lebens‑
und Arbeitsniveau handelt.Für Ihren Anteil an der
prachtvollen Probe der Gesamt-
ausgabe muß ich Ihnen münd-
lich danken.Mit herzlichen Wünschen
für baldigste Herstellung
Ihr
FreudP.S. Ihre liebe Frau hat die
Absage für uns und die An-
meldung von Tansley, der
Lou‑Salomé u Ossipow
hoffentlich zur Kenntnis
genommen.