20. Sitzung am 5. März 1913. Psychoanalytische Bemerkungen zu Schnitzlers Dichtung. Von Dr. Theodor Reik 1913-509/1913
  • S.

    28/192

    20.5. T S I T Z U N G
    am 5.März 1913

    Psychoanalytische Bemerkungen zu Schnitzlers Dichtung.
    Von Dr. Theodor Reik.

    Der Vortragende benutzt das in der Traum-und Neurosendentung be-
    währte Prinzip, von kleinen, unbeachteten scheinbar willkürlichen De-
    tails, den Episoden der Dichtung, auszugehen und hebt als typisches Mo-
    tiv der Schnitzlerschen Dichtung das Särben des Mannes (Vorgängers)
    hervor, der damit einem andern den Platz räumt. Es zeigt sich darin
    die Allmacht der Gedanken oder das Prinzip der Wunschkraft wirksam,
    das überhaupt einen innigen Zusammenhang mit dem Künstlertum hat. Die
    Dichtung ist ja ein Wunschausdruck und realisiert in narzisstischer
    Einstellung die im Leben versagte Macht über Menschen zu gebieten.
    Denn Stekel behauptet, die Unfähigkeit zur Liebe charakterisiere den
    Dichter, so gelte das nur mit der Einschränkung, dass die verschieden-
    sten Gründe dafür massgebend seien (Homosexualität, Inzestliebe ets)
    eine diese Wurzeln sei die narzisstische Komponente.-Wo die vom Dich
    ter geschaffenen Gestalten “echt über ihn gewinnen (wie es Schnitzler
    in einer Novelle dargestellt hat, da stossen Dichtung und Neurose zu-
    sammen: im Schwanken zwischen “Wirklichkeit und Traumreis, Wachen und
    Träumen. In diesen Fällen genügt die Dichtung nicht mehr als Abzugs-
    quelle für den Konflikt selbstbeständiger und sexueller Wünsche mit
    dem sozialen Leben. Dem Fataliismus, der ein Hauptmotiv der Schnitzler-
    schen Dichtung darstellt, bietet einen Ausweg aus diesen Konflikten.
    Wollte man aus der Dichtung schliessen, welcher Neurose der Dichter
    durch sie entgegen sei, so müsste man die Zwangneurose für Schnitz-
    ler nennen.

    D I S K U S S I O N

    Härterstein holt die knappen Ausführungen für zutreffend aus seiner
    persönlichin Kenntnis des Dichters. Vieles, was wir jetzt missbräuch-
    lich als Narzissmus bezeichnen, fällt mit der egoistischen Haltung der
    Dichter muss mit einem Werk dar keiner Neurose entgegenen seiner
    kann auch Neurotiker sein.

  • S.

    Sachs, der sich im allgemeinen dem Vorredner anschliesst auch im Lob an-
    schliesst, bemerkt, wie die Verdrängung von Narzissmus von egois-
    tischer Haltung die Verallgemeinerung einer der Beobachtungen und
    die gesicherte Darstellung noch zweifelhafter Dinge.-Das Wesentliche
    der künstlerischen Arbeit ist, was die Phantasie darstellt in eine
    Form zu bringen, in der sie auf andere wirken: Die Mitwelt ist für
    ihn von grösster Bedeutung und so muss man dem Narzissmus doch an-
    derem Sinn einbilden, die Beziehung zwischen Psyche, Neurose
    und Künstlertum ist sehr schwankend. -Aus Schnitzlers Dichtung würde
    für mich nicht die Zwangneurose, aber die Hysterie als Wurzel an-
    gesehen werden. (Hier der Verweis von den älteren Schnitzler bei die für
    die Mythenbildung bedeutsame Handlung zum Standpunkt des Vaters wahr-
    genommen.)
     

    Trausk findet das Prinzip des Narzissmus und der Allmacht der Gedan-
    ken richtig, aber spricht noch bei dem Narzissmus nicht über die Aus-
    wirkung. Moralischerweise die Dichter reale Verhältnisse zur Liebe nicht
    erkenne herangezogen werden, das in der Regel anders aussehe als die
    Dichterlichen. Verhältnisse müssen erkannt werden. Nur so kann man die
    Sublimierung verzogen auf einer bestimmten Stelle und der Konflikt kann
    doch aufgearbeitet werden, weil ein Stück an der unbewussten Ambivalenz
    zeigt.

    Ferenzi zitiert den Satz Schnitzlers, dass der Dichter ein Mensch sei, der
    sich nicht in Unkosten stürzen wolle und ein Verbrecher ohne den zu-
    viel Verbrechen.

    Gödner hält den Narzissmus für eine wesentliche Seite der Dichterische
    Schaffung, kann sie nicht anders. Auch er findet das regressive und egoistische
    obere Künstlertum. Vielleicht hänge auch die Anästhesie der Frauen mit
    ihrem starken Narzissmus zusammen. Die Todesmotive (Novelle "Sterben")
    stehen in keinerlei Zusammenhang, was sie selbst an sich selbst hat.
    Federn kennt die Entstehungsgeschichte von "Sterben" und weiss, dass
    die Novelle ein Stück seines eigenen Lebens sei, und dass sie nicht so wie
    gefährlich ist. Er will den herken Schlusse auf den Dichter zu ziehen.
    Die Zwangneurotischen Züge an Schnitzler seien ein richtig hervorgehobene.
    Dies wie auch der Zusammenhang zwischen Arbeit und dem Narzissmus und dem
    Sadismus. Ferner bei dem praktiker und dem Zwangneurotiker gemeinsam
    die Unsicherheit im Denken und dass die Todesangst für Schnitzler kein
    Motiv der Neurosen ist, die von dem Narzissmus die rein egoistischen
    Motive zu sondern.

    Otto Finkel zum Kernproblem Schnitzlers des Todesthme richtig her-
    vorgehoben, aber die zugrundeliegende Todesfurcht nicht genügend psycho-
    analytische aufgeklärt, wozu allerdinge Untersuchung am pathologische
    Material erfordert werde. Was die Motive der Todesfurcht anbetrifft, die
    bei Schnitzler ziemlich deutlich hervortretende Sentimentalität zu
    übersehen, vor Federn zuweisen. Stekel hat sich von dem Tod in Sterben
    Schnitzler in seiner ärztlichen Praxis unterkommen sei, ergibt
    nicht im geringsten gegen die subjektive psychische Motänderung der
    Todesfurcht und überhaupt des Lebensmusters.