S.
25.Sitzung
am 16.April 1913
Neurose und Ehelosigkeit
(Gesellschaft und Neurose III).
Dr.Hitschmann
Der Vortr.spricht zuerst über die Ehe im allgemeinen,als die
unter den heutigen Kulturverhältnissen natürliche Liebesform des
Menschen,und weist auf ihre Vorteile und ihre Grenzen hin.An den
Ehen Neurotischer und an Künstlerehen zeige sich,dass die Ehe durch
aus kein Heilmittel sei.
Ob es anderseits Neurosen gebe,die durch die
Ehe erzeugt seien,lasse sich allgemein nicht beantworten?
Der Vortr.betrachtet nun die Ehelosigkeit als Ursache der Neu
rose,würdigt die objektiven Ehehindernisse(Inversion,Perversion,
Krüppelhaftigkeit t.Geldmangel etc) und schildert die schädlichen Fol
gen der Ehelosigkeit mit besonderer Betonung der Prostitution.
Als Hauptthema wird behandelt die Neurose als Ursache der Ehe
losigkeit,deren Wurzeln in unbewussten Hemmungen beruhen,die durch
Analyse blossgelegt werden können.Die Ungünstigkeit zur Ehe liegt ei
nerseits in der Inzestfixierung,anderseits in der Pubertätsmanie,
deren Ablösung erschwert ist.Diese Folgen führen zur absoluten und
relativen Impotenz,zur Verwahrsamung und zur Wahl älterer Objekte.
Der von Freud geschilderte Typus der männlichen Objektwahl wird he
rangezogen und in seiner Bedeutung für den Ehebruch gewürdigt,eben
so die Tendenz zur Erniedrigung des Liebeslebens.Unter den Ehe-Impo
tenten gibt es überwiertige und minderwertige Typen;es wird der Ty
pus des Hagestolzen,des Muttersöhnchens erwahnt und die Rationalisierun
gen aufgezeigt,mit denen die Ehelosigkeit gerechtfertigt wird.
DISKUSSION
Teuch findet in dem Vortrag weder das Material noch die Gesichtspunk
te geschöpft.Das Problem der Ehe und Ehelosigkeit ist das Liebesprob
lem.Das sei eine Art,gedacht,wo von Ehe noch keine Rede ist.Die Ehe
losigkeit ist sich jede Einordnung und von da gehen Hemmungen aus.
Ehe und Liebesbedürfnis lässt sich als Problem nur in Gegensatz stel
len.
Jekels verweist im Anschluss daran auf den polygamischen Trieb.
Koberstein findet das Nichtzusammenwollen ungenügend motiviert;
Sexualtrieb sei nicht Trieb,sondern könne,objektivisch auf einem Pol.
le.Man hätte fragen sollen,warum die Menschen heiraten.Sie ist Fixie
rung an ein Objekt.
S.
Winterstein meint,man hätte unterscheiden müssen,ob der Ehelose
kein normales Sexualleben führe oder asketisch lebe.
Dattner glaubt,es spiele auch ein biologisches Moment mit,eine gewis
se biologische Interessensetzung der Organisation auf einen Typus,der sich
Kinder wünscht,und einen andern der das nicht begreifen kann.Ueberwer
tige hätte er mit seiner Frau erlebt.
Reik vermisst als Hindernis der Ehe die Anführung zwanghafter Eifer
sucht,die sich Vergangenhett oder Zukunft erstrecken kann.Die Ehe ist
die Kompromissbildung von einem poly-und monogamischem Trieb.Eine neuro
tische Einstellung wurzelt im Narzissmus.
Federn bemerkt,dass die Ehe eine Urewort als Heilmittel der Neurose gel
ten kann wie Neurotiker heiraten,um sie aus der Neurose heraus.
Die meisten Neurotiker werden übrigens geheiratet(masochistisch motiv
iert).Leute aus dieser Richtung sind aber für die Ehe zu geeignet.Tei
le auf dem Vorbild der elterlichen Ehe zurück.Im zweiten Motiv für die
Ehe ist ein rein erotisches.Menschen mit starker Erotik kommen leicht
zur Ehe.
Rank kann diese letzte Tatsache bestätigen und weist im Gegensatz
zur Betonung des polygamischen und des Inzest-überhaupts darauf hin
dass für viele Menschen die Ehe die einzig mögliche Form des Liebes
lebens sei,weil ihre Sexualebung -der ein normales Stäck von Treue
verlangt-an ein andres dynamisch Aggregat gebunden ist.
Prof.Freud betont,dass ein Teil der Ehehemmisse mit der Verzögerung
des Liebeslebens überhaupt zusammenhänge.Auf die Entgeltung der
Sache zu verstehen,oder man habe das in der Erziehung allein den
grössten Einfluss.Die kleinen Kinder haben fast ausnahmslos den Wunsch
zu heiraten.Die Frage nach der erotischen Einstellung ist eigentlich die
richtige Ehemann,der Neurotiker dagegen nicht.Die Ehe ist eine schwere
Kulturaufgabe und man muss gesund sein um sie zu bestehen.
Hitschmann trennt das Problem der Neurose,die man von der Ehe mehr als
blosse Liebesbefriedigung erwarte;in der Diskussion habe sich eine gew
isse Unterschätzung der Ehe gezeigt.Der Gedanke nicht immer beisam
men sein zu können kommt meist aus dem Neurotiker.(Brillpanger):Die
Angst vor dem Beisammensein ist aber ausgesprochen neurotisch.Das
Nichtverheiraten können hängt gar nicht mit der Sexualbefriedigung zusam
men(Winterstein)?
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25. Sitzung am 16. April 1913. Neurose und Ehelosigkeit. (Gesellschaft und Neurose III). Dr. Ed. Hitschmann
1913-514/1913
/1913
Vollständige Manifestation
Protokoll
Papier
Teilweise -
Fertig ✔
Ganz fertig / zutreffend ✔
Fehlt ✖
Fehlt ✖
Ja
Nee
1
Blatt/Blätter
Schreibmaschine
Deutsch
Unbeschädigt
Original
Archiv Wiener Psychoanalytische Vereinigung
Text in Werkausgabe