4. Sitzung am 29. Okt. 1913. Ueber einige Arbeiten Stanley Halls und seiner Schule in psychoanalytischer Beleuchtung. Dr. H. von Hug-Hellmuth 1913-525/1913
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    am 29. Okt.1913
     

    Ueber einige Arbeiten Stanley Halls und seiner Schule
     

    in psychoanalytischer Beleuchtung.
     

    Dr.H.von Hug-Hellmuth.
     

    Nach einer kurzen vergleichenden Charakteristik der beiden
    Schulen (Stanley Halls und Freuds), ihrer Methoden und Ergebnisse bewird
    eine Arbeit von Hall über den Zorn und eine Studie von C.Ellis und Hall
    über Puppen in psychoanalytischer Beleuchtung besprochen. (Der Vortrag
    ist zur Publikation in einer amerikanischen Zeitschrift bestimmt.)
     

    DISKUSSION:
     

    Frå djung rät zur Vorsicht im Ausdruck bei Behauptungen, die dem Wider-
    spruch der Leser unnötig reizen? -Bei den als Wegbleiben bezeichneten
    Zornanfällen in den ersten Lebensjahren handelt es sich meist um Atemnot
    infolge des Schreiens und ein Mittel, die Nachgiebigkeit der Erwachsenen
    zu erzwingen.-Eine feine Puppenbeobachtung findet sich in Ibsens Baumei-
    ter Solness.
     

    Hitschmann findet, dass Halls Massenforschung überschätzt werde im Ver-
    gleich mit der Analyse. Einer solchen Untersuchung über den Zorn müsste
    erst eine Definition und eine Abgrenzung von nahestehenden Begriffen
    (Hass, Sadismus, Narzissmus etz) vorangehen.-Manche dieser Affektäusserungen
    sind vorbildlich für das hysterische Symptom.
     

    Federn meint, dass die Ausführungen Halls über die sexuellen und infanti-
    len Quellen dieser psychischen Phänomene für uns doch einen historischen
    Wert heben. Dass die Flasche (beim Puppenspiel) urethral-erotisches Symbol
    sei könne er gegen Friedjungs Zweifel auf Grund eines Falls bestätigen.
    Es scheine zweierlei Arten von Puppenspiel zu geben:das narzisstische
    und das aus dem Mutterinstinkt stammende. Einen eigenen Pflegetrieb anzu-
    nehmen, wie die Vortr.tat, sei ungerechtfertigt.
     

    Durch den Mangel einer Definition sei das dem Zorn eigentlich charak
    teristische nicht zum Vorschein gekommen: zum Zorn gehöre eine Einengung
     

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    des Bewusstseins, eine vollkommene Hemmungslosigkeit. Der Zorn ist ein
    Rückschritt zum Infantilen, jeder Zorn ist Durchbruch eines unterdräck-
    ten Affektes (als Maskierung eines solchen, wie Hall meint, ist er unmög-
    lich). Spuken im Zorn ist nicht als urethral-erotisches Symbol aufzufase
    sen, sondern findet sich schon in der Tierreihe.-Um den Zorn beim Kind y
    zu beschwichtigen
    Xxg ist es zweckmässig, ihm einen Ersatz zu bieten: das Aufheben
     

    der Strafe, nicht das Beten derselben nimmt den Zorn weg.
     

    Dr.Landauer zeigt an einem Beispiel, dass abstehende Ohren nicht auf
    Exhibitionismus bezug haben. Die Entblössung im Zorn spiele gleichwohl
    eine grosse Rolle. Geisteskranke spuken in Wut und entblössen das Gesäss.
    E.Weiss meint, dass beim Zusammenhang von Sexualität und Zorn diese viel-
    leicht nur als unbefriedigtes Bedürfnis (wie jedes andere auch wirke.
    Dr. Weiss wendtt sich gegen Hitschmanns Standpunkt, dass Halls Material zu
    subjektiv sei*-Redner versucht dann eine Analogie der Zornessymptome
    mit verschiedene n Formen der sexuellen Betätigung herzustellen.
    Reitler findet, dass Hall vielfach den flüchtigen, vorübergehenden Zornes -
    ausbruch mit dem bestänigeren Hass verwechselt. Auch sei es unridtig, dass
    nur geliebte oder gehasste Personen den Zorn erregen können.-Man kastrirt
    Stiere, um sie gefügig zu machen und ihre Wut zu dämpfen.-Die Migräne
    scheine einem unterdrückten Wutanfall zu entsprechen.
     

    Hitschmann möchte die echte von der Pseudo-oder hy. Migräne unterscheiden
    sehen. Anlässlich eines Wutanfalls vorgetäuschte Migränen hat auch Adler
    beschrieben. Der Begriff de Neuralgie wird jetzt immer mehr eingeschränkt
    Es zeigt sich so viel Psychogenes dahinter, dass es schliesslich nur Pseu-
    doneuralgien geben wird.
     

    Rank findet es auch unrichtig, dass nur eine geliebte oder gehasste Per-
    son Zorn auslösen kann. Da sich beim Sorn in der Regel anderswoher stam-
    mende inadäquate Affekte aussern, richtet er sich oft gegen ganz indiffe-
    rente Personen oder Anlässe; ja man könnte darin geradezu ein Charakteris-
    tikon des Zornes erblicken. Auch beim Menschen kann man, wie beim Tier beob
    achten, dass er leicht in Wut gerät, wenn sich seinem Liebesbedürfnis
    Schwierigkeiten in den Weg legen. Der von Dr.Hug hervorgehobene Zusammen-
    hang von Alkoholismus und Zorn spielt eine grosse Rolle.
    Prof.Freud bemerkt gleichfalls, dass Hall Zorn und Hass zu verwechseln
    semeine; das liege aber an den Schwierigkeiten der Affektlehre überhaupt.
    Das Spiel gestattet dem Kind das Ausleben seiner Triebe und im Puppen-
    spiel befriedigt es verschiedene sexuelle Strebungen.