20. Sitzung am 4. März 1914. Federn: Ueber die Abgrenzung des Realitäts- und Lustprinzips 1914-509/1914
  • S.

    28 / 224

    20. S i t z u n g


     

    am 4 März 1914


     

    Freud


     

    UEBER DIE ABGRENZUNG DES REALITÄTS- UND LUSTPRINZIP


     

    Von einem Satz aus einem Vortrag Dr. Reiss ausgehend ("Der Zynismus
    ist eine Geburt des Realitätsprinzips") bespricht der Vortrag den Unter
    schied von Freuds, Bleulers und Jungs Auffassung in diesem Punkte, um die
    Richtigkeit der Freudschen Anschauung zu betonen.
     

    I
    Nach dem Lustprinzip handelt das Individuum dann, wenn es nach
    dem momentanem Grade seiner Affektivität entscheidet:
    entweder tut es etwas, was dem Triebe befriedigt: dann wird Lust er
    reicht
    bei Versagung wird es Unlust aussern
    oder es wird den Trieb erfüllen, um Unlust zu vermeiden
     

    Das Lust-Unlust-Prinzip ist aber einer Entwicklung fähig. Das
    II. Stadium ist das, wo sublimierte Reaktionen hemmend einwirken und das
    III. dasjenige, wo nicht erst auf die Regung eines Unlustgefühles gewartet
    wird, sondern das Individuum vorbeugend handelt.
     

    Das erste Stadium könnte das der Instinktherrschaft herrschen:
    mit dem Ziel der Lust,
    das zweite das der Gefühlsherrschaft mit dem Ziel Glück,
    das dritte das der Moralherrschaft mit dem Ziel Pflicht.
     

    Gemeinsam ist allen, dass sie nach dem affektiven Bedürfnisse vor sich gehen
    und dass Lust gewonnen und Unlust vermieden werden soll. Der Faktor der
    Zeit ist nicht in Betracht gezogen, es handelt sich um den momentanen Erfolg.
    Das Realitätsprinzip führt Logik (Ueberlegung) und Zeit (auf die Zu
    kunft bezüglich) ein.
     

    Die Anwendung des an der Natur (mit Aussehaltung des affektiven
    Faktors) geschulten Relaitätsprinzips auf die Sozietät ist ein Eckstein in
    der Entwicklung der Menschheit, der durch Sokrates bezeichnet wird. Erst
    nach ihm ist der Zynismus möglich. Er tritt dann auf, wenn wir affektiv gebun
    den sind und ein andrer sich darüber hinwegsetzt und sich nach der Reali
    tät richtet. Der Zyniker arbeitet momentan affektfrei und nur in statu nas
    cendi haben wir den Eindruck des zynischen. Der Zynismus geht auf ein Durchs
    setzen des nüchternen Realitätsprinzips aus (Freud: Der Z. ist eine sozial
    brauchbare Rohheit). Dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen- auch der Z.
    erkennt die primäre Lust-Einstellung an; deswegen findet er sich so häufig
    in witziger Form etc. Der Z.verwendet die alten primitiven Lustquellen aus
     

  • S.

    psychologischen Gründen. Die antiken Z.haben sich gegen die primitive Lust
    gewendet, die damals noch geschätzt wurde. Der Zyniker setzt das Realitäts
    gesetz gegen das Lustprinzip durch, aber er kümmert sich nicht um die Zukunft;
    es ist die infantine Art des Realitätsprinzips. Als Vorlust wirkt die nar
    zisstische Befriedigung an der intellektuellen Betätigung. 

    Der Gegensatz des Zynikers ist der Sentimentale, der bei solchen
    Gelegenheiten, wo der Normale nach dem Realitätsprinzip handelt, mit dem
    Lustprinzip reagiert und dabei narzistische Freude an seinen Gefühlen hat.
    Der Sentimentale ist zum Witz unfähig. 

    Zyniker und Sentimentaler stellen den akuten und labilen Fort
    schritt nach der Seite des Realitäts-resp. Lustprinzips dar. Den stabilen
    Zustand repräsentieren inbezug auf das Rr.Pr. der Skeptiker und der Natur
    wissenschaftler, inbezug auf das L.Pr. der Naive.

    DISKUSSION

     

    Hitschmann meint, dass zum Z. eine verschiedene moralische Höhe notwendig sei
    Es müsse sich nicht immer um Gefühle, es könne sich auch um Wertungen handeln
    Falsches Gefühl sei vom Schockeffekt überdeckt. Affekt gegen die Situation,
    fände ein Gegenstück im Z.der weniger Effekt aufdeckt als die Sitzefor
    der. Das Lust- u. R.pr. braucht nicht hinzugezogen zu werden.
    Sachs findet die beiden Teile des Vortr.den allgemein über die zwei Pr.
    und die den Zuweisungen auf den Z.verschieben zu beurteilen.Beim ersten die
    sem missgriff insoferne vormals der Vortrag betrug, aber die zwei Personen
    non Prinzipien im Konkret nehmen wollte. Auch gebe es immer nur Kompromisse
    zwischen den beiden, im einzelnen könne der beiden auseinander sei unklar, es
    müsse irgend ein Konflikt eingetreten sein.
     

    Der hohe Z.an sich werde nicht bemerkt nur wenn er ungedient dabei
    ist (Form. Person.Erhält. Situation). das dann verschut im meisten Truhen
    zeugend scheine die Gegenüberstellung von Z.und S.aber der Gegensatz von
    Freud und Reiss daran nicht zu nehmen.
     

    Freud findet allein Thema und Titel wertvoll, während er die Ausführung nicht
    anerkennen kann. Das R.Pr. und das L. Pr. handelt daran,wenn sie sich nur
    mit dem L.Pr. beschäftigen. Er meint, dass die Verachtung der Lust nicht nur
    vom Lustprinzip abwende, sondern auch von der L.Pr. abwende.

    030303030303030303