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Protokoll
der
7. Sitzung, am 30. Dezember 1914
Beiträge zu einer psychoanalytischen Exposition der Melancholie
von Dr. Victor Tausk.
Eingangs hebt der Vortr.zwei Anregungen von Freud für sei-
ne Auffassung hervor: Die Manie als Stimmungsersatz und 2. das Wort von
der Libidoablösung. Sein Thema sei, das Verhältnis zur Manie und die Mel. als
Problem der Libidoablösung.Das Verhältnis zwischen Melancholie und Manie lasst sich am besten
so beschreiben, dass es dem Ubw freimustehen scheint, sich in einem gewissen
Moment für das eine oder das andere zu entscheiden; die Ausserungen werden
unverändert, nur in verschiedener Stimmung wiedergegeben. Die Stimmung ist
eine Funktion der Libidobesetzung, u.zw. der Objekte und der eigenen Person,
wobei es darauf ankommt, in welchem Stadium der Entwicklung die Libidobeset
zung in der Krankheit erscheint(Ob im narz. oder autoerotischen).Der Vortragende schildert nun an zwei Fällen die beim Eintritt
der Krankheit zu beobachtenden Stücke. Der erste, eine Malerin, wurde nach dem
Tod des Vaters schwer mel. und 18 Jahre später beim Tod der Schwester wieder
Interessant ist, dass diese Pat. statt der manischen Phase Bosheit, Trotz,
Aggression zeigte.Alle Anamnesen der Pat.sind narz. insoferne sie eine grossartige
Selbstachtung, allerdings in der Form der Selbstverachtung, zeigen, auch tre-
ten wirkliche Grösserideeen, nicht ex contrasto auf. Daneben werden exzessive
Strafen gefürchte, die Beziehungen zum Sadomasoch.verraten: es scheint sich
um frühe infantile Phantasien zu handeln.Beziehungen zur Dem.-praec.: Die nihilistischen Wahnideen der Mel,
die sich auf den eigenen Körper beziehen, finden ihr Analogon in dem bei der
D em. deutlichen Mechanismus. Redensarten mit dem Organ darzustellen. Bei der
Mel.sind Magen-, Darm- und Geruchshalluzinationen vorwiegend.Die Angst der Mel. bezieht sich nicht auf die ganze Person als sol-
che, sondern es handelt sich um eine dem Körper geltende Furcht(Gefährdungs-
vorstellungen). Diese an einzelnen Organen hängende und als solche bewusst
auftretende
werdende Libido position fuhrt auch zur Dem.praec. Der Unterschied ist, derS.
dass bei der Dem. das Ich sich dieser autoerotischen Position anzupassen sucht
und infolge der intellektuellen Reg ression diese Stufe der Libido zu errei-
chen sucht, während die Mel., die intellektuell intakt bleibt, diese Anpassung
nicht versucht, wodurch die Selbstanklage zustande kommt. In beiden Fällen win
also autoerotische Libido(am Organ) bewusst: im einen Fall findet Regression
auf das Organ statt, im andern Verurteilung von einem Stück erhaltener narz.
Libidopos. her. Dazu stimmt , dass die narz. Konstitution vorwiegend Sadomas.
und Analerotik hat.-Die Selbstbestrafung rührt von der autoerotische n
Libidostauung her.Die Manie zeigt das alles, wofür sich die Mel.anklagt, sie ist die
Flucht aus der unerträglichen Situation der Selbstanklage(sie bringt Beschim-
pfungen, Aggressionen etz.). In der Manie fehlt das Urteil, weil sie sich alles
erlaubt. Diese Personen sind autoerotisch und narzisstisch und haben darum kei
nen Kontakt mit dem Arzt.
Geliebt haben die Personen wirklich, aber ubw, die erkranken beim
Aufgeben von geliebten Objekten. Das mangelnde Bewusstsein bedingt auch die
mangelnde Persönlichkeitsbildung. Es handelt sich also um eine nicht genügen
gewordene Libido, die abgelöst wird. Der andere Ausgang der Alterum.
erklärt sich daher, dass jüngere Personen noch die Möglichkeit zu einer Obje-
liebe und Restitution haben.
D I S K U S S I O N :
Rank weist auf die Untersuchungen Abrahams hin, die gezeigt haben, dass
Melancholie und Manie Ausdruck derselben Komplexe seien-bis angeschlossen-
die Selbstbeschuldigung der Pat. ist dem Versuch, unbestehenbar zu sagen:ich
habe nie geliebt, würde besser als Versuch zu verstehen sein, die
Trauer zu verdrängen(eigentlich ich diese Person, der nicht so...sei
liebt)! Die Angst der Melancholiker um den eigenen Körper liesse sich
vielleicht aus der Angst, aus der Verdrängung zum Umfassen, die aller-
dings erst ihre Aufklärungen erhalten musste(Auch Zusammenhang mit dem NarbHitschmann meint, dass Aufklärungen eher an leichteren Fällen zu gewinnen
wären.-Das Gefühl, nicht geliebt zu haben, gehe öfter mit dem Minderwertig-
keits-und Hasslichkeit zusammen. Es handelt sich meist um eine frühere Ein-
hung. Dass Manie und Mel. Auflösung desselben Komplexes war uns immer bekannNunsberg wirft die vom Vortr.im Anschluss an Kraepelins Darstellung gestrei-
te Frage wieder auf, ob die Mel.als solche oder die um Verlauff anderer
Krankheiten auftretende gemeinsam sei, die manische Schrift der mel.Pat.könn-
te eine Auflösung einer Dem.praec.sein.Jekels verweist die Abgrenzung von gewissen Formen der Hy, wie Hitschmann
von klinischen Einwendungen hebe er hervor, da es die Nahrungsvereigerung
meist begründet werde mit Unwürdigkeitsvorstellungen. Auch sei fraglich,
ob die Angst nur auf den eigenen Körper gehe.S.
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Prof. Freud findet in dem Vortr.einiges neu und einiges gar nicht neu.
Das wesentliche Kriterium nach dem die in Praxi niemals rein verkommenden
Symptome und Krankheitsformen zu sondern seien, ist der Mechanismus. Die Be-
obachtung von leichten Fällen ist, wie Hitschmann erwähnte, die einzige Mögl.
lichkeit, das reine Bild abzugrenzen. Wenn das so ist, dann gibt es nur eine
Melancholie mit demselben Mechanismus und die müsste psx.heilbar sein.
Erwähnung zweier erfolgreich behandelter Falle. Technik: Behandlung in In-
tervallen, waschen den Anfallen. Nur die Anfangsstadium erfolgreich.
Sodann das Narz. und das masochisti. Stauens. An den Mel. kann man das
übrigens auch bei den anderen Neurosen ähnlich: z.B. Angst-Phobie: Zwang-
Neurose(der Abwerkungs-mechanismus entspricht), die Mel. ist aber die des
glückter Versuch, ein sekundärer ist dann die Manie. Die Selbstvorwürfe der
Mel.gelten anderen Personen und sind nur auf die eigene gewendet.
Fällt von Spontaneinkauf oder Reizung weg, so ist dies der Hieb macht.
Das physiologische Verbid der Mel. ist der Affekt der Trauer: ihre Voraus-
setzung ist der Verlust eines geliebten Objektes. Die Trauer wird aber
nicht fertig, vielleicht weil es wirklich eine (übrigens schon beschriebene)
unbw.Liebe ist.-Die Manie kommt durch Widerspruch zustande ich habe ja
das nicht geliebt die Frage der ob der ganze diesen Widerspruch durch-
ausführen. Das häng. davon ab und hier trägt das Neue des Vor...ob es dem
Individuum gelingt, sein Gewissen auszuhungern. Gelingt es nicht so kann er
sich an seinem eigenen Wesen messen, so bleibt es bei der Mel.-Die Mel.
richtet mit dem narz.Neurosen zusammenzustellen und die Analogie zur Dem.
praec. erklärt sich aus diesem Übertritt.
Die spezif.mel.Angst ist im Grunde Organangst. Die Narz.Angst leitet sich
natürlich vom Kastrationskomplex ab.-Uebrigens macht die Ich-Angst schwe-
re trophische Erscheinungen, die hy angst dagegen nicht. Die mel. Frang-
sind charakteristischer Weise, selbstisch(Libidoabwendung).
Der atw.hinter der Mel.befund der organische Prozess geht uns nichts an.
Bei der Psychose handelt es sich um Störungen der ganzen Libido, bei den
Neurosen nur um Störungen der Objektlibide an der Grenze steht die Para-
noia, mit ihrem Sträuben gegen Objektverlust, aber auch der Mas.praec.
Die Störungen der Ichlibido können sekundär sein; die Ichstörung kommt aber
nicht zustande ohne Objekttrennung. Das gibt uns das Recht, die Störungen
im Ich als libidinisöse zu bezeichnen.O+O+O+O+O+O+O+O+O+O+O+O+O
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Protokoll der 7. Sitzung, am 30. Dezember 1914. Beiträge zu einer psychoanalytischen Exposition der Melancholie. Von Dr. Victor Tausk
1914-526/1914
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