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Vortr. be spricht die verschiedenen Formen des Reisedrange vor der
zu bestimmten Zeiten spontan auftretenden Reiselust bis zur patho-
logischen Form der fugue und sucht gestützt auf die Ergebnisse der
Psa.it an einer Reihe von beispielen aus dem Leben und den
Werken der Dichter den spontan auftre te nden Trieb zum Reisen auf
psychosexuelle wurzeln zurückzuführen. Es kann sich dabei sowohl um
den Wunsch nach libidinöser Befriedigung, als auch um eine Darstell
lung der gewaltsamen Libido ablösung sowie schliesslich um sexualsym-
bolisch eingekleidete Tode swünsche handeln (ebreisen sterben; Mutter-
le ibsphantasie).-Neben der psychsexuellen urzel spielt auch die Un-
fähigkeit zu dauernder Assoziation, die vielleicht mit dem Introjek-
tions bedürfnis des Neutotikers identisch ist, eine Rolle, sowie das
Reisen auch an sich als Bewegung eine lustvolle motorische Entladung
gewähren kenn. Auch die, Sexualisierung der Katur trägt zur Reise lust
bei. Beim pathologischer Wandertrieb endlich, der sich nach Heilbron-
ner vorwiegend bei hysterischen (nicht epileptischen) Individuen gin-
det, liegen oft kriminelle und Tode swünsche als Triebkraft zugrunde.
In allen diesen Fällen handelt es sich um eine Bewältigung des Be-
ussten durch das Babawasste.
Sachs knüpft en die berührungspunkte des Vortrags mit seinen Ausfüh-
rungen über das Baturgefühl die Pemerkung, dass die Reise als Selbst-
zweck in unserem modernen Sinne eigentlich mit der durch J.J.Rouse
seau charakterisierten poche beginne, welche als Reaktion auf die
sexuellen Ausschweifungen aufzufassen sei; darin liege eine weitere
Bestätigung für den erotischen Charakter des "eisens.
Bezüglich des eifersüchtigen Vaters im Sturm (Shakespeare), der den
Freier seiner Tochter quält, wird auf die Paralle mit der Giiselde-
Fabel hingewiesen (vel.Imago I.1 Rank).
Stekel spricht dem Fortr.seine Anerkennung aus für die Ausführungen,
die sich /T.mit seinem Aufsatz: Weshalb sie reisen (Was am Grund der
Seele ruht)decken. Zu weni betont erscheine der Umstand, dass die Rei-
se meist einen Kompromiss zwischen der Befreiungs tendenz aus den Ban
den der Neurose und erotischen Rendenzen darstelle.-Die Aufklärung
der Amerikereisen als hutierleibsphantasien scheine nicht genügend
gesibbert.
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Reik weist auf die Sckte der Paternioner hin, die gewisse geistige
Eigenschaften en bestimmte Körperstellen lokalisieren; so bezeichner
exuallust, sondern auch der
sie den Unterleib nicht nur als Sitz
Lust zum Reisen.
Sadger hat den Reise drang als charakteristisches Stigma der Schuer-
belasteten gefunden. Seine Erfahrungen bestätigen Vieles von dem Vot-
ge brachten, doch sei auch manches daran zu bemängeln. So sei der Asso-
ziationswiderwille durchaus nicht identisch mit der Introjektion;
erhöhte Reiselust müse bei schwer Delaste ten nicht immer auf eine
gesteigerte Libido zurückgehen, auch sei die Sehnsucht nach dem eroti
schen Erlebnis nicht allgemein als Grundlage anzunehmen, wenn sie auc
für eine Reihe von Fällen zutreffe.Se nem eigenen peinlichen Ich
zu entfliehen sei der Hauptgrund des eisens.
Rank weist auch auf das Loskom Enwollen als den psychologisch bea
deutsameren Grund des Reisens hin, dass als eine realer Darstellung
der missglückten inneren Ablösung aufzufassen wäre. Dieser Mechanis-
mus hat seinen für das spätere Verhalten vorbildlichen Ursprung in
der zur Pubertätszeit erfolgenden Ablösung von den Eltern und der
Familie, was sich besonders in den Pubertätsneurosen und bei den Dich
tern im Zusammenhang mit ihrem Schaffen nachweisen lasse.
Hitachmann vermisst die Heranziehung der Reiseangst%3B sowie des Be-
wegungsgefühls überhaupt, das zur Ilatzangst und psychologischen
Motivierung des Reisens gewiss nahe Beziehungen habe ?Auch die Rack-
Bedeutung der Reisen im Traun wäre zu würdigen gewesen. Den Brauch
der Hochzeitsreise künne man wohl nur historisch verstehen; wenn
der Reise drang au Unbefriedigung hervorgeht, so sollte man bei jun
gen Eheleuten doch eher ein Beherrungsbedürfnis am Ort erwarten.
Ein Forschungsreisender, der Brust fetischist war,gsstand, dass ihn
die nackten Brüste der wilden Völker besonders reizen.
Tausk teilt zwei teise typen eus Analysen mit, von denen dem einen
Fall ein Fliehen vor der entscheidenden Auseinandersetzung mit dem
Vater, dem andern die Sucht die armseligen Verhältnisse des Eltern-
hauses zu überwinden, zugrunde leg.-Der Typus des Reisenden sei der
ewige Jude, der nach dem Tode sucht. Charakteristisch für den Reise-
drang sei der Inzestkomplex und die Ablösung vom Elternhaus, was
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an dem Fall eines jungen Mannes erläutert wird, der unbewusster Wei-
86 seine Schwester auf seinen Reisen suchte.
Spielrein kennt aus der Erfahrung zwei Wurzeln des Reidens: 1.die
Sucht der Ablösung, 2.die Sucht etwas Deuce zu finden, worunter sich
immer der Inzest verbitgt. An einem Deispiel wird die Wandlungsfähig
keit dieser Leidenschaft erläutert.
Rosenstein betont, dass das Fluchtmotiv of als murzel des Reise dran-
ges keinem Zweifel unterliege, dass dagegen das erotische Motiv zu
weiteren Problemen führe, die mit dem Begriff des Tiebes zusammen-
hängen. Es handelt sich darum, ob die Rustlosigkeit als Folge der ge-
steigerten Libido psychologisch auf den Trieb zurückzuführen ist,
oder ob es sich, wie Swobode und Schrötter meinen, dabei um an sich
bewusstseinsunfähige Vebergänge handelt, die nicht wie das Verdrängte
bewusst gemacht werden können.-inweis auf den Wandertrieb, der be im
Tier den Zweck hat, zahlreiche Pefruchtungsmöglichkeiten zu liefern,
was nach der Meinung Bulsches die ursprüngliche, aber als schädlich
erkannte Inzestvermischung, verhindere.
ank weist derauf hin, dass die biologische Schädlichkeit EX
der Inzestverbindungen keineswege erwiesen, vielmehr von neueren
Forschern (Marouse u.s.) widerlegt wurde.
Prof.Freud hebt auch die Ungeklärtheit dieser Probleme hervor und
weist darauf hin, dass jedenfalls die Einsicht in eine erst von der
Wissenschaft behauptete Schädlichkeit nicht der Grund für die Ver-
meidung des Inzests gewesen sein könne.Die unwahrscheinliche Deutung
des Vortr.der den Mantel als Symbol des Fräputium auffasste erhalte
durch die hallischen Dämonen der Antike, die mit einer Kapuze derge-
stellt werden, eine Stütze.-Das Reisen um die Bratt zu finden lässt
stch urgeschichtlich begründen in der Sitte, dass der Vater die mann-
baren Söhne austrieb, die sich dann in fremdem Land die Braut und mit
ihr das Königreich gewannen. Die Märchen, in denen auch immer ein frem
der zugereister Prinz sinheiratet, scheinen diese urzeitlichen Zustän
de zu wiederholen.-Das Reisen im Sinne des Sich-los reisseng als
plastische Darstellung der Verdrängung aufzufassen scheine plausibel
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Ueberhaupt müsse auf die psychologische Bedeutung der Räumlichkeit
hingewiesen werden. Es gibt Typen und insbesondere die Zwangsneuro-
tiker sind solche Menschen/bei denen das Band mit der Räumlichkeit
viel fester geknüpft ist als mit der Zeitlichkeit. Bei anderan Per-
sonen sieht man wieder deutlich wie sie ihre Zomplexe auf andere Ge-
biete überschreiben und ihre Affekte z.B.auf Orte übertragen wie das
Kurpublikum.Die Uebertragung auf die Lokomotion spielt dann in der
Agoraphobie die Hauptrolle, wo die sexuelle Einschränkung durch räum-
liche Gebundenheit dargestellt wird. So ist eine Möglichkeit gegeben
Affektintensitäten plastisch darzustellen und vielleicht ist die Mu-
sik auch nur ein solches System/auf welches die psychischen Vorgänge
transponiert werden. -Aus einem Fall von fugue lace sich ersehen, des
es sich bei fluchtartigen hysterischen Zuständen um ein sich logreis
sen handelt, nicht seltne im Sinne eines Verbrechens.
Winterstein dankt für die Anregungen und sucht einige Missverständ-
nisse aufzuklären, sowie einzelnes zu ergänzen.
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Protokoll der 19. Sitzung am 6. März 1912. Dr. Alfr. Frh. v. Winterstein
1912-510/1912
/1912
Vollständige Manifestation
Protokoll
Papier
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