Protokoll der 21. Sitzung am 20. März 1912. VIII. Onanie-Debatte (Dattner, Spielrein) 1912-512/1912
  • S.


    P R O T O K O L L
    der
    121. S i t z u n g
    am 20.März 1912.


    VIII.O N A N I E - D E B A T T E (Dattner,Spielrein).

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    Dr.Dattner verfolgt die Schicksale der Onanie.
    frühesten Kindheit bis in die reifen Jahre, wobei er sich an den in
    den Drei bhandlungen zur Sexual theorie geschilderten Entwicklungs-
    gang anschliesst. Er nimmt dabei besonders auf den Einfluss bedacht,
    den die physische Bertschaft und die psychische Entwicklung des
    Individuums auf Art und Folge der masturbatorischen Betätigung aus-
    übt. In der frühesten Kindheit steht die Sexualbetätigung in Dienste
    biologischer Interessen und kenn, ausser exzessiv betrieben oder
    durch mächtige Verbotstraumata gehemmt keine Sohädlichkeiten setz-
    en.Dagegen pflegen sidi schon in der Latenzperiode, in der die Se-
    xualdame errichtet werden, die ersten psychischen und physischen
    Zeichen der Sohädigung zu zeigen. Die bedeuteumstan Wirkungen ent-
    faltet die "asturbation in der Pubertätszeit. In dieser Periode kann
    die Reizung sämtlicher erogs ner Zonen schädlich wirken, doch wird
     

    von der Zeit der
     

    die genitale Masturbation wegen des damit verbundenen Samenverlus-
    im allgemeinen
     

    tes schädlicher sein als die extra genitale, und die psychische Onanie
    wird schwerere Folgen setzen als die manuelle; die Störungen werden
    um so intensiver ausfaller, je mehr die Psyche beteiligt ist. Auch die
    instinktive Erkenntnis der Artzweckwidrigkeit wird sicherlich die
    schädigenden Folgen verstärken wie auch die Häufigkeit des Aktes vor
    Einfluss sein muss. Die Persistenz der Cnanie sonde die ihr zugrunde
    liegende Tillensschwäche bringt der Vortr.mit der Störung der
    Sekretion in Zusammenhang.Im Ganzen sci in der Masturbation nicht
    mehr als ein notwendiges ebel des Entwicklungselters zu erblicken,
    wobei die minderwertige Anlage am meisten Schule an der Schädlich-
    ke it trage.
     

    innern
     

    Federn ist im allgemeinen mit den Ausführungen einverstanden und
    möchte nur einige Unritigkeiten bemängeln. Es scheine auf misver-
    ständlicher Ausdrucksweise zu beruhen, dass während der Latenzperio-
    de die Sexual organe in der Entwicklung begriffen sciengim allgemei-
    nen müss men annehmen, dess in den Seiten stärkerer Genitalentwick-
    lung die Latzenze riode durchbrochen werde.Der Verlust des Sekretes
    bei der Onenie sowie die brüske Entladung bei der Ejakulation könne
    als schädliches Moment überhaupt nicht in Betracht ge zogen werden.
    Auch sci 6s, nachdem im Laufe der Debetie die verschiedensten Momen
     

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    te für die Schädlichkeit verantwortlich gemacht worden seien, nicht
     

    angängig, ohne weiters die eine oder andere Art für schädliner zu
    6 rklären.
     

    Markus bemerkt zur Beeinflussung der Sekration durch die Omanie,
    dass die generative und sekretorische Funktion der Genitaldrüsen
    vollkommen getrennt sei; zu
     

    Steiner bemerkt, dass trotzdem der Farallelismus bestehe.
     

    Tausk bemängelt einige Formulierungen. So stehe die Sexualbetätigung
    nicht nur in der früher Kinderzeit, sondern immer im Dienste biolo-
    gischer Interessen.Exe 1, Scham und Moral könne man nicht unter der
    gemeinsamen Lezeichnung Sublimierungen zusammenfassen; das seien Din-
    ge von ganz verschiedener Herkunft. Auch stimme es mit den tatsächli-
    chen Beobachtungen nicht überein, dass in der sog. Latenzperiode die
    masturbatorische betätigung unterbleibe.
     

    Seche bemerkt dazu, dass nach Frauds Auffassung in der Latenzperiode
    die Sexurlbetätigung nicht unterbleibe, sondern bloss stationär sei,
    keine Weiterentwicklung erfahre.In den komplizierten Verhältnis der
    psychischen Leistung beim Hoitus und der Onanie ist ein wichtiger
    zeitlicher Unterschied zu beachts n. Beim Hoitus ist dis psychische
    "eistung vorher eine intensivere, bei der Canie muss gerade auf dem
    Höhepunkt der Sexuallspansung die Phantasie festgehalten werden.
    Federn laubt daran festhalte zu müssen, dass in der Latenzperiode
    die Onanie eingestellt wird und die Sublimierung geschieht; in Perio-
    den oder Triebb schwächer ist, vesucht der Mensch ihn zu sublimie
    ren]
     

    sher
     

    ank meint dagegen, dass sine Sublimierung aux bei starkem
    Trieb denkbar sci.
     

    Hitschmann findet, dass der begriff der Latenzperiode vielfach zu
    wörtlich genommen wird;es handlet sich eben,wi der ame sagt, um ein
    zeitweiliges
     

    Latentwerden der manifesten onanistischen Detätigung. Unter der psy-
    chischen Onanie, deren "egriff Taus festgestellt sehen wollte, ver-
    stehe man des inge ben an Phantasien bis zur jakulation; diese Art
    der Onenie schädige des Ventil bei weitem mehr und führe leicht zu
    ejrbulatio praecox. Vorschlag im Anhang der zu publizierenden Schrif
    eine Sammlung typischer Onanie Träume oder kesuistischer Beiträge
     

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    über Verbotträumen mitzuteilen.
     

    Prof.Freud bemerkt, dass es sich bei dem Begriff acr
     

    Latenzzeit
     

    eines scharfen extremED Typus gchan-
    ddd
     

    zunächst tr die Aufstellung
     

    delt habe, an dem nun die sorgfältige Einzelbeobachtung erforder-
    licher Hodifikationen anzubringen habe.Exétuell hört in disser
    Periodo sexuelles Interesse und sexuelle Setätigung vollkommen
     

    euf,es sind aber such Unterbrechungen möglich./
     

    Tausk meint, dass in dieser Periode, wo das erotische Interesse sich-
    deutlich dem Objekt zuwendet, infolre Entwicklung des Schange fühls
    auch dis masie für die "nande in dieser Zeit intensiver sei. Ander-
    seits zeigt diese heftige Sciam in der Periode, dass ich das Indivi-
    duum irgend einer Suche zu Schau en hat.
     

    Datter irt siniständnisse itschmann, "us und Federn
    Cenüber Lu?.
     

    Prod.Freud heisst den Versuch, die Patenzperiode mit psychosexuellem
    Felt zu erfüllen, willkommen und betont nochmals,dson der Begriff
    nur ein relativer, im Vergleich zur sexuellen Blüte periode vor 3-4
    Jahren hervorgehobenar sei. Interessant wäre die anatomische Parallel
    dazujes scheins,does dis Genitalien das Wachstum sehr früh einstel-
    len; wäre möglich, dass zwischer 3 und 4 Jahren auch der Fachstums
    sclub eintritt.
     

    Friedjung teilt aus seiner Beobachtungen mit, dass das relative Abfla
    en der Sexualität in der von Freud bezeichneten Latensperiode
    grösseren Zahl der Julle zutreffe. Ohne ans tonische Messungen vorge-
    nommen zu haben, habe er doch den Eindruck gewonen, dass die Gonita-
    lein his zum dritten, vierten Fahr ein rasches Wachstum zurücklegem
    und ein grösserer Wachstumschub erst wieder mit 12-13 Jahren entrete
    Stekel hält die Ausführungen Datiners fur falsch; die Latenzperiode
    bestehe in den meister Fullen richt. Wenn die Kinder werden, so ist
    dag nicht eine Folge der Onanie, sondern das Aufgebens derselben.Bei
    manchen tritt cine scheinbare Latenzperiode ein, weil mit dem 3.4.
     

    in de
     

    Lerantritt.
     

    chung an des in
     

    ist is reuf hin, des die bedeuteeme Sexualentwicklung
    om besten die Adlerschen Aufstellungen widerlege
    liese Zeit teler vos "manichem Protest" noch von Zweifel sh
    der Sexual rolle die Rede sei.
     


     

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    stellt feet, dass die Abgrenzung des Begriffes Onanie
     

    Pr.Spielrein
     

    auf Grund der verschiedene Erfahrungstatsachen so schwankend sei.
    Bei Mädchen sei die Onanie i llgemienen seltener zu beobachten,
    weil sie oft als Retention der natürlichen Bedürfnisse erscheine,
    aus welcher das Kind Lust schöpfte. Das Schuldbewusstsein findet sich
    regelmässig mit religiösen Vorstellungen verknüpft.Sin Analogor zur
    männlicher Kastrationspha tasie findet Ref.darin, dass die Frau die
    Kastrationsphantasie auf den Mann anvendet .ine Pat.hette die best-
    tändige Angst, die end werde ihr abfallen, eine andere hatte Straz gu-
    lationsphantasien. Auch auf den Aberglauben, dass einem der Versterd
    zugenäht wete, wird hingewiesen.'s wird dann erwähnt, dass sich die
    lokale Oranie in andere Formen verwandelt (Mindereiben,Haarraufen und
    dass die psychische Onanie (Romarhelden) eine grosse Rolle spiele (
    Bilder: Leda,o).Al Uebergang zum Fetischismas wird erwährt, dass
    bei dem im allgemeinen mehr erotischen Weib alles als Erregungs-
    mittel dienen kenn.besonders wird auf eine Onanie form bain sik-
    anhören hingewiesen. Schliesslich wird noch ervorrufer der Onane
    lust durch Zjeptomenie erwährt und die für die Frau charakteris
    tische Onanie form durch Andrücken des Kindes, die zu den Mädchenspie
    len Puppe hinüberleitet.
     

    Hitschmann erwähnt die Onanie, die sich an Angstzustände und die, die
    sich an des Roman lesen anschliesst.Musik scheine es zweierk i zu ge-
    ben eine reinigend wirkende und eine erregende (Klavierspiel ist in
    Träumen ein häufiges Oranie symbol). Die eiehung der musiker zu der
    Neurotikern wäre einer eingehen den Bearbeitung wert.
     

    Reik findet in der Musik die weitestgehende Möglichkeit alle komple-
    xe abzure agieren, ohne dass sie diese selbst zu Bewusstsein bringt.
    Frisijung bemerkt zur Autoe rotik des leares, dass dieses wichti
    ger ngriffspunkt sei, um sich ohne direkte Berührung des Genitales
    zu reisen. Es gebe wohl zweierlei Musik, aber nicht wie Hitschmann
    meine, sondern einen sutoerotischen Musikbetrieb, der sich im Phante-
    sieren "auf dem Klavier erschöpfe und einen andern, der für die Zuhö-
    rer bestimmt ist und sie gewinnen will.
     

    ein
     

    Stekel findet es nicht en gängig, eine Pastrations phantasie auf die
     

    Hand zu beziehen die Angst vor dem Abfallen derselben ist eine Talion
     

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    phantasie.Der Kastrationsphantasie des Mannes entspricht etwa die
    Phantasie der Frau, die habe sich durch die Onenie das Genitale oder
    die inneren Organe beschädigt und sei nun unfruchtbar. Die Free D
    hebe meist bisexuelle (männliche ) Phante sien. Tin Gegenstück zur Stran
    gulierungsphantasis sind die kriminellen Phantasien vieler Männer
    (das sie jemand ermorden) und Frauen (ermorder des Neugeborenen) bei
    der Onanie.-Es gibt nicht zweisele i lusik, sondern ein und dasselbe
    Musik vermag gänzlich verschiedene Phantasien auszulösen und versch
    ieden zu wirken.Dass die Kleptomanie mit der Onanie zusammenhängt
    ist richtig und es ist in den Falle von Spielrein interessant, dass
    der gehessten Person etwas weggenommen wird; häufig sind dabei auch
    homosexuelle Neigungen im Spiele; sie will sich das Stück Mann er-
    Betzten, das ihr feilt.
     

    Tausk meint, dass die Musik ein Stadium des menschlichen Geistes
    repräsentiere, in welchem noch ohne Vorstellungen gearbeitet wurde.
    und bloss durch den Af ektausdruck abreagiert wurde. Die Musik als
    Assoziationsmaterial ist ein anderes Thema.Zum Aequivalent der männ
    lichen Kastre tionephen tande beim Weib wird auch auf die Phantasien
    von Abbeissen hingewiesen (Zola: Fecondite). Die passive Restration
    spielt eine andere Rolle. Die Kastrations phan te sie scheint eine phy-
    logenetische Vorbildung zu haben und zeigte sich bei einem Neuroti-
    ker mit dem Geburtsakt verknüpft.Beispiel dafür, dass sich die Klepte
    manie enverbotene sexuelle Akte anschliesst.
     

    Rank weist datauf hin, dass der verbotene Inhalt des kleptomanische:
    Aktes verschiedenen sexuelen Handlungen bestehen könne,
    dass aber der Mechanismus der masturbatorische sei.In den Mytham
    und Märchen findet sich als weibliche, aber meist von Marnern ver-
    hängte Strafphantasis für die Onanie das Zunähen (in Versbhie bung auf
    den Lund) des Verschliessen mit einem Schloss und insbesondere das
    Abhauen der Hände, das dem der Begierde des Vaters widerstehenden
    Mädchen meist von diesem zugefügt wird.-Der sexuellen Erregung
    beim Fridsieren liegt die narzistische Selbstbewunderung im Spie
    gel zugrunde (natürlich ist die erogene Fähigkeit des Haares dabei
    keineswegs ausser acht zu lassen)?Dem Abschneiden des Penis duron
    die Frau liegen komplizierte Phantasie zugrunde und nicht ein-
    fach die am Mann vollzogene Kasnation wegen eigener Onanie.
     

    in
     

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    zwei entgegengesetzten Strebungen eines Triebstockes gibt es keine
    Synthese, sondern nur ein entweder oder oder ein intermittieren.
     

    Reinhold ist mit Tausk darin einverstanden, dass nicht die Hemmung
    die Leurose hervorbringe; aber auch nicht die Verwendung der Hemmung,
    die ja auch zur Sublimierung führen kann; sondern es muss die Verdrän.
    gung vorangehen.
     

    Pricajung meint,ires der widerspruch, ob die Aktualneurosen dadurch
    bedingt seien, dass die peyerischen Momente die Drüsensekretion be-
    sinflussen, oder wie Steel meint die psychischen begaaiterscheinun-
    gen års gebende bleiben, durch die Beobachtung einer grossen An-
    zahl vo Idioten zu entscheiden wäre, da bei diesen die Vorgänge
    sich unbeeinflusst von den Legaliterscheinungen der Kultur abspiele n
    Rosenstein bemerkt, dass er Gross zwar kenne, aber sadne Erwähnung
    in Zusammenhang nicht für wichtig gehalten habe.Die lemmung als letz'
    Ursache der Neurose sei bis jetzt nicht widerlegt worden. Unter der
    Sejunktion sei ja bloss eine Anlage verstanden.
     

    Spielrein verweist darauf, dass Bleuler in seiner Auffassung der Ambi
    valenz den mangel an Aktionsfähigkeit auf zwei einander entgegenwir-
    kende Kräfte zurückge führt habe.Den Komplex nehmen wir normalerweise
    nur in der Differens der beiden antagonistischen Kräfte wahr.
     

    Markus bemerkt dagegen, dass zwei entgegengesetzte Strebungen auf ein
    Objekt gerichtet nicht Gleichgiltigkeit gegen dasselbe hervorrufen
    werden, sondern das Gegenteil.
     

    Prof.Freud bemerkt, dass mit der Annahme der sejunktive Disposition
    nichts gewonen sei. Die Unfähigkeit zur Synthese sei allerdings tat-
    sächlich
    angeboren, da sie beim Kind in exquisiter Weise auch aussere
    Erst später empfinden wir es unerträglich inbezug auf dasselbe Objek
    zwei entgegengeste zte Arten des Verhaltens unvereinigt bebenein en-
    der zu aulien wis es beim Kind der Fall ist. Auch in der Religions-
    geschichte lässt sich dies verfolgen, da oft (beispielsweise bei den
    Aegypte rn)alle aufeinander folgenden Gestaltungen der Bötter neben-
    einander erhalten bleiben.