S.
VEREINIGUNG UNABHÄNGIGER
ÄRZTICHER ANALYTIKER
Wien, am …
8/V 1931
Sehr geehrter Meister Freud!
An dem Tage, an dem die ganze Welt den Namen Freud als einen Ehrentag
in dem Namen Buche der Geschichte feiert, darf Ihr ältester Schüler und
Verehrer nicht fehlen. Sie werden mich undankbar schelten und Ihr
Groll wird noch nicht vergangen sein. Aber als Analytiker werden Sie
wissen, dass jede Individualität ihre eigenen Gesetze hat, nach denen
sie handeln muss.
Heute trete ich vor Ihnen als Vertreter einer Vereinigung von analytisch
wirkenden Aerzten, die 130 Mitglieder, über die ganze Welt verstreut, um-
fasst.
Wir alle wissen, was wir Ihnen zu verdanken haben. Wir alle wünschen,
dass Sie uns und der Menschheit noch lange erhalten bleiben. Und wir
alle wollen an diesem Tage zum Ausdruck bringen, das uns gar nichts
von Ihnen trennt als Aufassungen der Technik … und einiges Andere,
das ich in Anbetracht der grösse Ihrer Leistungen gar nicht in Betracht
kommt.
Wehmütig denke ich der Tage, da wir die Keimzellen gründeten, da wir
in gemeinsamer Arbeit die Zukunft vorbereitet haben. ich darf mit be-
rechtigtem Stolze sagen, dass ich auf ihren Forschungen fussend, immer
Psychoanalytiker, einen Teil beigetragen habe, den Aerzten die Bedeutung
der Analyse zu beweisen.
So bitte ich Sie, meine und meiner Anhänger Glückwünsche zu Ihrem 75.
Geburtstage entgegenzunehmen. Die Zukunft wird beweisen, dass wir alle
Freudianer im besten Sinne des Wortes sind.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener
Dr. Wilhelm Stekel
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