• S.

    Adressat ist Vater von Maggie Haller, Faksimile und DU muss noch korrekt zugeordnet werden. 

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX. BERGGASSE 19.

    27 Sept 10

    Hochgeehrter Herr

    Gestern angekommen beeile ich mich, Ihren 
    Brief inbetreff Ihrer Tochter zu beantworten 
    u mache Ihnen folgenden Vorschlag: Ich theile 
    Ihre Meinung über den Ausgang der 
    Kur nicht, denn ich bin gewohnt, mit eventuell 
    auch stürmischeren Reaktionserschein-
    ungen zu rechnen, die nach einer Weile 
    abklingen, u halte es für unzweckmäßig, 
    das Befinden in den nächsten Monaten als 
    entscheidend anzusehen. Maggie steht vor 
    dem grossen Lebensverzicht, zu dem sie 
    sich nicht ohne einigen Lärm entschließen 
    wird. Die Genesung liegt darin, daß sie 
    sich endlich doch zu diesem Verzicht bequemt 
    u solchen Ersatz im Leben sucht, wie er 
    eben zu haben ist.

    Ich möchte ihr nun in dieser Krise weder 
    eine abschlägige Antwort geben noch bin 
    ich in der Lage, ihr eine längere Behandlg 
    zu widmen, u halte folgende Auskunft 
    für zweckmäßig. Ich kann ihr eine Stunde 
    bis zum 9 Nov d.J. anbieten; 5 Wochen müßten 
    für sie hinreichen, um die Folgerungen 
    aus allem Vorbereiteten zu ziehen 
    u die Nötigung, die Stunde zum Termin 
    abzugeben, würde treibend wirken.

  • S.

    Wenn Sie damit einverstanden sind, bitte 
    ich Sie, Maggie in Kenntnis zu setzen, daß 
    sie am 1 Okt. beginnen kann.

    Halten wir übrigens daran fest, daß ihre 
    Übersiedlung nach Amerika nicht identisch 
    ist mit Kranksein oder Krankbleiben, 
    auch wenn sie die wünschenswertere und 
    größere Leistung der Versöhnung mit 
    ihrer Familie nicht zu Stande bringt. 
    Gesund sein heißt schliesslich existenz‑ 
    und leistungsfähig bleiben, gleichgiltig an 
    welchem Orte.

    Indem ich bemerke, daß ich dieses Schreiben 
    auch als Beantwortung des vorgefundenen 
    Briefes Maggie’s vom 8 Sept. ansehe, bin 
    ich 
    Ihr in besonderer Hochachtung
    ergebener
    Freud