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    PROF. DR. FREUD   WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    16. 6. 10.

    Dear Dr Putnam

    Endlich bin ich wieder in der Lage, Ihnen meinen 
    Dank für Ihre Briefe, Berichte und 
    Zusendungen durch eine kleine Gabe 
    von meiner Seite zu bezeugen. Meine 
    Schrift über „Eine Kindheitserinnerung des 
    Leonardo da Vinci“ wird bereits in Ihren 
    Händen sein. Sie enthält vieles von den 
    Dingen, über die wir nicht gleichartig denken, 
    und die den Inhalt der mir zugesagten 
    Unterhaltung, hoffentlich auf europäischem 
    Boden, bilden sollen. Ich wäre sehr geehrt, 
    wenn ich Ihnen eine Meinungsäußerung 
    über dieses kleine Werk entlocken 
    könnte.

    Es ist mir ferner in den Sinn gekom̄en, – und 
    ich schreibe inoffiziell darüber, denn offiziell 
    habe ich kein Recht dazu – dass nur Ihre 
    Person und nur Boston der Ausgangs-
    punkt für die Bildung einer psycho-
    analytischen Gruppe sein können, zu 
    welcher sich unsere Freunde in Amerika 
    zusam̄enschließen sollen, um in den in 
    Nürnberg beschloßenen Internationalen 
    Verein einzutreten. Ich habe gehört, da 
    alle großen geistigen Bewegungen drüben 
    in Boston geboren worden sind, und 
    ich weiß, daß kein Anderer der allge-
    meinen Hochachtung so sicher ist wie Sie, 

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    und durch das Ansehen seiner unantastbaren 
    Persönlichkeit die hart befehdete Sache 
    der Psychoanalyse in der öffentlichen Mein-
    ung schützen kann. Jung, der Obmann der 
    Internat. Vereinigg ist, wird Ihnen 
    gewiß gerne alle gewünschten Aus-
    künfte geben. Ich für meinen Teil bin 
    ganz bereit, Ihnen auch für diesen 
    Schritt danken zu müßen.

    Ihr herzlich ergebener 
    Freud