• S.

    PROF. DR. FREUD   WIEN, IX. BERGGASSE 19.
    Noordwijk aan Zee

    18 Aug 10.

    Dear Dr Putnam

    Ich habe für zwei Briefe u die versprochenen 
    Zusendungen zu danken. In Ihrem ersten Brief 
    hat mich Ihre Anerkennung des Leonardo u 
    Ihr Versprechen, die amerik. Ortsgruppe 
    zu gründen, sehr erfreut, dagegen gekränkt, 
    daß Sie meinen ich könnte Ihre abweichenden, 
    idealistischen Ansichten für „nonsense“ er-
    klären. Ich bin nicht so engherzig, einen Mangel 
    meiner Begabung zum Gesetz erheben zu wollen. 
    Ich habe kein Bedürfnis nach jener höheren 
    moralischen Ausgleichung, sowie ich kein musik-
    alisches Gehör habe, u bin weit davon entfernt, 
    mir darum die feinere Organisation zuzu
    schreiben. Ich tröste mich damit, dass die Sicher-
    heit für die idealistischen Wahrheiten, auf 
    die Sie nicht verzichten wollen, keine große 
    sein kann, wenn schon die Grundlagen der 
    Wissenschaft, bei denen wir uns einmütig 
    treffen, so schwierig festzustellen sind. Aber 
    ich respektire Sie u Ihre Art zu denken 
    u wenn ich es schon hinnehmen muß, da ich 
    ein gottverlassener „incredulous jew“ bin, 
    so bin ich doch nicht stolz darauf u nicht über-
    hebend gegen andere. Ich denke nur mit 
    Faust: Es muss auch solche Käuze geben.

  • S.

    Dr Jones, der einige Tage hier in Holland mein Gast 
    war, erzälte, daß er Ihnen den Leonardo zu 
    lesen gegeben. Er sch Ich hoffe, er ist seitdem vom 
    Verleger aus in Ihre Hand gekom̄en, denn ich 
    hatte Auftrag erteilt, daß alle folgenden 
    Bände der „angewandten Schriften“ an Sie 
    gesandt werden sollten.

    Ich erinnere mich daran, dass sich jetzt bald 
    die Zeit jährt, in der ich Ihre für die 
    Entwicklung der ΨA in Amerika so 
    bedeutsame Bekanntschaft gemacht u Ihre 
    Gastfreundeschaft genossen habe, u bitte Sie 
    den Herren u Damen Ihrer Familie 
    meine ergebenen Grüße zu übermitteln.
    Herzlich der Ihrige
    Freud