• S.

    PROF. DR. FREUD   WIEN, IX. BERGGASSE 19.

    29 Dez 10

    Verehrter Herr Kollege

    Ich will diese ereignisreiche u mühselige 
    Jahr nicht zu Ende gehen lassen, ehe ich 
    Ihnen für Vieles gedankt habe, für die 
    wertvollen Zusendungen Ihrer Arbeiten, 
    für die unschätzbare Unterstützung, 
    die Sie unserer Sache geliehen haben, 
    für das Einsetzen Ihres Namens in 
    Amerika gegen Mißverständniße u 
    Verleumdungen, die mich sonst getroffen 
    hätten.  Ich wünsche Ihnen von – selbstsüchtigem 
    Herzen – ungestörte Fortdauer Ihrer 
    Gesundheit u Arbeitslust im Jahre 1911.

    Ihr Toronto‑Vortrag ist bereits im 
    Druck und wird die vierte Num̄er des 
    Zentralblattes zieren. (Die dritte ist 
    bereits erschienen). Der zweite (Washington
    Vortrag, den Sie mir gleichfalls zur 
    Verfügung gestellt haben, wird in 
    einer späteren Num̄er von Otto Rank 
    übersetzt, erscheinen. Sie werden gebeten, 
    der Form zuliebe das bescheidene 
    Honorar mit dem Übersetzer zu theilen, 
    der im Falle des ersten Vortrags 
    mit meiner Person identisch ist, 

  • S.

    obwol ich mich auf dem Titel nicht nenne. 
    Zwei kleine Sonderabdrucke von mir 
    (aus Jahrbuch u Zentralblatt) werden Sie 
    in nächster Zeit erreichen.

    Unsere Sache geht hier sehr gut. Die Oppo-
    sition ist auf der Höhe. Ich bin zwar 
    schon etwas müde, aber vielleicht 
    geht das vorüber, und die nachkom̄enden, 
    speziell mein prächtiger Jung, sind sehr 
    hoffnungsvoll.

    Ich habe Bleuler u Jung jetzt in München 
    gesehen. Wir haben vor den Kongreß 
    auf Ende Sept 1911 zu verlegen und 
    Lugano in Aussicht genom̄en. Bestim-
    mend für diese Zeitwal war die 
    Hoffnung, unsere amerikanischen 
    Freunde bei uns zu sehen.

    Mit herzlichem Gruß 
    Ihr treu ergebener 
    Freud