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    Wien, am 21. Mai 1921

    Liebe Freunde!

    Von hier ist zu berichten, daß der Verlag mit Heller in 
    Unterhandlungen steht wegen Übernahme der noch in seinen Händen befindlichen 
    psa Literatur; es kommt in Betracht: Freud, Kl[eine]. Schr[iften], 4. Folge, die alten Jahrgänge 
    von Zeitschrift und Imago so- weit sie noch vorhanden sind. Ferner das 1. Beiheft: 
    Jelgersma: Unbe- wußtes Geistesleben und Rank: Der Künstler. Ich (Rank) hatte gestern die 
    erste Besprechung mit Heller und hoffe, daß wir ohne allzugroße Opfer die 
    für uns sehr wichtige Sache abwickeln können, obwohl natürlich Heller dabei ein 
    gutes Geschäft machen will.

    Die beiden ersten Bände der englischen Library, Kriegs-
    neurosen und das Buch von Putnam, sind bereits nach England und Amerika verschickt. 
    Vom Erfolg dieser beiden Bücher wird ein gutes Stück unserer Zukunft als Verlag 
    abhängen. Der Erfolg des Journal läßt übrigens das Beste erwarten. Vom Jah-
    resbericht sind bis jetzt nur einige Probeexemplare in Wien eingetroffen, dazu 
    noch von der schlechtesten Ausgabe, die ich aber doch heute an die Komitee-
    mitglieder, die ja alle auch Mitarbeiter des Jahresberichtes sind, verschicken 
    lasse, damit sie nicht so lange warten müssen.– Heute erhielt ich übrigens einen 
    Brief von Ophuijsen, worin er seine Stelle als Referent für den Jahresbericht 
    niederlegt: er hatte die Therapie, für welches Gebiet wir nun einen anderen Ref(erenten) 
    finden müssen. Ich werde ihm bedauernd schreiben. 

    Von Manuskripten kam zunächst Ferenczis eigenes: Gemeinver-
    ständliche Vorträge über Psa, das in der Bibliothek als nächster Band (nach Jones: 
    Therapie der Neurosen, das beinahe fertig ist) erscheinen wird. Wir haben uns sehr 
    damit gefreut und hoffen, daß es gut gehen wird. Die Ausgabe dürfte im Herbst 
    erfolgen (die zwei kleinen fraglichen Arbeiten haben wir dazugenommen). Das Über-
    setzungshonorar übernehmen wir natürlich im Sinne unseres letzten Briefes, und zwar 
    in der Form, daß wir von dem für neue Arbeiten entfallenden Honorar von Mk. 100,– 
    pro Druckbogen die Hälfte dem Übersetzer abgeben.

    Von Hollós kam eine für die Zeitschrift bestimmte Arbeit: 
    Psa. Deutungs- und Erklärungsversuche bei progr[essiver] Paralyse, die der Pro- fessor allein 
    gelesen hat. Er sieht darin einen bedeutenden Schritt, bedau- ert aber, daß Du l. 
    Ferenczi nicht mehr dazu getan hast. Der wichtigste Punkt, nämlich der Übergang 
    von der Depression in die Euphorie durch Regression zu einem anderen Ich sei 
    nicht eindrucksvoll genug auseinandergesetzt. In der eben in Druck befindlichen 
    Massenpsychologie sei der Übergang von der Melancholie zur Manie in analoger 
    Weise auseinandergesetzt durch Auflösung des Ichideals (sobald der Druck weit 
    genug vorgeschritten sein wird, werde ich Dir, l. Ferenczi, die Abzüge der Massen- 
    psychologie schicken). Vielleicht könntest Du Hollós veranlas- sen, diesen Punkt sei- 
    ner Arbeit breiter auszuführen, sie würde dadurch sehr viel gewinnen und Zeit
     wäre auch dazu, da sie vor dem Herbst oh- nehin nicht erscheinen kann. 

  • S.

    Dann brachte Dr. Dukes aus Budapest eine Arbeit über das Problem der Schuld 
    im juridischen Sinne, die wir aber noch nicht lesen konnten. 

    Vom Verein ist zu berichten, daß wir nur noch zwei Sitzungen abhalten 
    und am 8. Juni schließen.– In einer der letzten Sitzungen sprach Sadger, 
    der übrigens seit dem Budapester Kongreß den Beleidigten gespielt hatte, über 
    den Kastrationskomplexals wichtigsten Symptombildner bei der Hysterie und gab 
    nebenbei auch eine Erklärung für die häufige Linksseitigkeit der Symptome in 
    der Tatsache, daß der Mann (Vater) im allgemeinen das Genitale links trage. 
    Federn gab zu bedenken, ob denn die Linksseitigkeit nicht schon vor unserer 
    heutigen Männerkleidung beo- bachtet worden sei und empfahl, sich sowohl in der 
    Geschichte der Hysterie als in der Geschichte der Mode zu informieren. Dem Professor 
    erscheint es nicht ungefährlich, wenn diese Behauptung publiziert würde, ohne 
    daß man sich vorher über ihre Stichhaltigkeit informiert hätte, wozu aber Sad-
    ger bei seinen dogmatischen Neigungen keine Lust zu haben scheint. Dann würde 
    es aber eine ebenso große Blamage bedeuten wie es eine große Entdeckung wäre, 
    wenn es richtig wäre. Wir wären für Äußerungen zu diesem Thema sehr dankbar,
     insbesondere für Aufklärung in historischer Richtung.

    ad Bln. Wir sind gern bereit, auf Abrahams Anregung einzugehen und der 
    Berliner Bibliothek Imago gratis zu geben, falls sich die Aufgabe des Abonne-
    ments nicht bloß auf unsere Zeitschrift erstreckt. Reik weiß darüber auch 
    nichts Sicheres, soviel aber jedenfalls, daß die Berliner Bibliothek derzeit 
    über eine Unmenge von Zeitschriften verfügt. Wir wollen die Besprechung dieses 
    Themas auch der Zusammenkunft vorbehalten. (Vor einigen Tagen ersuchte übrigens 
    die Studentenschaft der Universität Zürich um Ermäßigung des Abonnements für 
    die beiden Zeitschriften, die wir ihr natürlich gerne zugestanden.)

    Dieser Tage machte auch cand. med. Voitel, der Leiter der Leipziger Gruppe, der 
    jetzt ein Semester lang in Innsbruck studiert, einen Besuch in Wien und versprach 
    sich bald mit Berlin wegen des Anschlusses ins Einvernehmen zu setzen. Der junge 
    Mann macht übrigens einen recht guten Eindruck.

    ad. Bdp. Die »Valoren« figurieren in der Bilanz nicht, sie gehören recht-
    mäßig dem Fond, der sie sich auch einverleibt hat und haben mit dem Verlag 
    eigentlich nichts zu tun; nur insofern der Fond eben über- haupt der Kapitalist 
    des Verlages ist. Die Angelegenheit ist übrigens jetzt endgültig in unserem 
    Sinne bereinigt.–

    An Róheim kannst Du, l. Ferenczi, die Mitteilung von der Preiszuerkennung 
    gelangen lassen.–

    ad London. Wir freuen uns sehr, l. Ernest, zu hören, daß [Du] wieder auf dem 
    Wege der Besserung – inzwischen hoffentlich sogar schon ganz gesund bist.– Der 
    Professor wird Dir selbst in diesen Tagen schreiben. Er dankt Dir jedenfalls 
    auch offiziell für Deine geschickte Haltung in der Affäre McCann und meint, 
    daß es Dich mit Rücksicht auf die Antwort, die Du erhalten hast, interessieren 
    wird zu erfahren, daß man auch mit Höflichkeit und Milde bei ihm nichts aus-
    richtet; mehrere Wochen vor Deiner Aktion schrieb ihm der Professor, er möge ihm 
    wenigstens ein Exemplar des Buches schicken; doch hat er darauf keine Antwort erhal- 
    ten. Über die englische Ausgabe der Sammlung kl. Schriften z. Neurosenlehre 
    erhältst Du, l. Ernest, in der nächsten Woche eine genaue Einteilung der 5 Bände, 
    sodass Du mit der Übersetzungsarbeit beginnen lassen kannst.– Vom Jenseits 
    ist die zweite Auflage im Druck, mit einigen Korrekturen und Zusätzen, die 
    Dir, l. Ernest, für die englische Ausgabe zur Verfügung stehen. In welcher Form 
    sollen wir Dir diese einsenden?  Mit Deiner Antwort an Silberer ist der Profes-
    sor sehr einverstanden und wir anerkennen Deine diplomatische Kunst. Der Professor 
    akzeptiert es, Silberer zu erledigen, falls er sich an ihn wenden sollte.

    Der Professor erhielt zugeschickt ein Buch: Concept of Repression. By 
    Girindrashekhar Bose, Lecturer in Psa, Iniv. Calcutta. Publ. by G. Bose, 1921, Calcu-
    tta, 14, Parsi Bagan.

    Herzlich

    Rank