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1. 3. 12
PROF. DR. FREUD WIEN, IX. BERGGASSE 19Sehr geehrter Herr Kollege
Ich billige Ihr Vorhaben durchaus u werde nächstens die Forderung, dass jeder Analytiker selbst eine Analyse durchgemacht haben soll, in einer Publikation vertreten. Wenn Sie nun meinen, dass Sie meiner Hilfe bedürfen, so thue ich nichts lieber als Ihnen dieselbe zu leihen, wenn gewisse Schwierigkeiten zu überwinden sind. Die erste ist die Zeit. Ich bin vollauf beschäftigt u bereit, bis zum 14 Juli so zu arbeiten. Es ist mir also gleich wann Sie kommen. Wenn es irgend angeht werde ich einen andern aussetzen lassen, um Ihnen seine Zeit geben zu können. Wenn es durchaus unmöglich ist - ich habe fast nur schwerste Fälle - werde ich Sie bitten, sich einem sehr verlässlichen u geschickten unter unseren Kollegen hier anzuvertrauen.
Der zweite Punkt betrifft das Geld. Ich bin leider durch die Überlast meiner Verpflichtungen gegen Jung u Alt genötigt, durch 9 1/2 Monate meinen ganzen Tag zu verkaufen, u darum auch in der peinlichen
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Lage, auch von Kollegen Honorar fordern zu müssen, denen ich lieber mein volles Interesse ohne Entgelt schenken möchte. Das Honorar beträgt 40 K die Stunde. Ich weiss nicht ob Ihnen das recht sein wird. Sie werden es aber offen sagen.
Dr Jung wird von Ihrem Vorschlag ebenso wenig wie ein anderer erfahren, obwohl ich glaube, dass ihre Anwesenheit in Wien nicht leicht geheim gehalten werden kann. Eine Analyse ist aber unter uns keine Schande.
Mit kollegialem Gruss
Ihr
Freud -
S.
Berggasse 19
Wien 1090
Oostenryk
C37F50