S.
Siegmund Freud
Ein Wort zum Antisemitismus
Der nachstehende Aufsatz ist die erste Veröffentlichung aus der Feder Siegmund
Freuds seit seiner Verbannung aus Wien.
Während ich die Äußerungen in Prosa und
Literatur studiere, zu denen die letzten Juden-
verfolgungen Anlass gegeben haben, fiel mir ein
Aufsatz in die Hand, der mir so außergewöhnlich
schien, dass ich ihn zu meinen Gebrauch
unverzüglich kopierte. Der Verfasser sagte darin
folgendes: „Ich stelle voran, dass ich Nicht-
jude bin, es ist also nicht egoistische Beteiligung,
die mich zu meinen Äußerungen drängt.
Doch habe ich mich für die antisemitischen
Ausbrüche unserer Zeit lebhaft interessiert und
besonders den Protesten gegen sie meine
Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Proteste
kamen von zwei Seiten, von kirchlicher und
von weltlicher, die einen im Namen der
Religion, die anderen mit Berufung auf
die Forderungen der Humanität, die ersteren
waren sprachlich und kamen spätestens
seine Helligkeit der Papst hat seine
Stimme erhoben. Ich gestehe, dass ich in
den Kundgebungen von beiden Seiten et-
was vermisst habe, etwas an deren An-
fang und etwas anderes zu ihrem Schluss.
Ich will jetzt versuchen, es hinzuzufügen:“
„Ich meine, man könnte all diesen Protesten
eine bestimmte Einleitung voran-
schicken, und die würde lauten: Ja, es
ist wahr, auch ich mag fremd-
artige Juden nicht. Sie sind mir irgendwie fremd-
nehme Eigenschaften und grosse Defekte.
Ich und unsere Angelegenheiten nahmen, ein vor-
wiegend schädlicher ist. Ihre Rasse ist, mit un-
serer eigenen verglichen, offenbar eine minder-
wertige, alle ihre Beteiligungen sprechen dafür.
Und nun könnte widerspruchs/frei folgen, was
bekennen uns zu einer Religion der Liebe. Wir
sollen selbst unsere Feinde lieben wie uns selbst.
Wir wissen, dass Gottes Sohn sein indisches Lo-
ben dabingegeben hat, um alle Menschen von
der Last der Sünde zu erlösen. Er ist unser Vor-
Bild und darum heißt es, sindige gegen seine
Absicht und gegen das Gebot der christlichen Re-
ligion, während erstmals, dass die Juden ver-
trieben werden. „Wir müssen dagegen pro-
stieren, ganz abgesehen davon, wie sie sich
verhalten haben, sondern aus der Weltanschau-
ung des Evangelium der Humanität glaubt“
„Ich gestehe, dass mich alle diese Kundge-
bungen der Liebe und der Humanität gibt es auch
eine Religion der Wahrheit und ist in diese
Protesten zu kurz gekommen, die Wahrheit über
Jahndorf, das gegen die Juden nicht nur
dass wir darin fortfahren, indem wir sie unge-
recht beurteilen. Wer von uns nicht damit
pflicht beschenkt sein zu besitzen. Die Juden
sind nicht schlechter als wir, sie haben etwa
andre Eigenschaften und andere Fehler haben
zusammen. Sie sind uns sugar in manchen Hin-
sichten überlegen. Sie brauchen nicht vor
Alkohol wie wir, um das Leben erträglich zu
machen. Sie haben eine starke Moral, die
bei ihnen, sie haben geistige Leistungen und in-
essen immer, noch eingeschatzt, für ihre Art
leben. Müdigkeit ist es ihnen eine heilige Pflicht
Auch minderwertig darf man sie in keinen Was-
sen. Selbst wir sie zur Milch haben an
seren harte Arbeit zu zahlen allen Geisten
der Wissenschaft, Kunst und Technik, werden
gemacht haben unsere Toleranz richtig und
den hinzuzufügen, wo sie auf Gerechtigkeit An-
spruch haben.“
Eine so entschiedene Parteinahme von SeitenS.
eines Nichtjuden hat auf mich natürlich einen lie-
ben Eindruck gemacht. Aber nun habe ich etwas
Merkwürdiges zu bekennen. Ich bin ein sehr
alter Mann, mein Gedächtnis ist nicht mehr wie
es früher war. Ich kann mich nicht mehr erin-
nern, wo ich den Aufsatz gelesen, den ich exzerp-
iert habe, und wer ihn als Verfasser gezeichnet
hat. Vielleicht kann einer der Leser dieser Zei-
tung mir zu Hilfe kommen?
Es wird mich eben zugeflüstert, ich hätte wahr-
scheinlich das Buch des Grafen Heinrich Cou-
denhove-Calergi im Sinn „Das Wesen des Anti-
semitismus“, in dem gerade das enthaltene ist,
was der von mir gesuchte Autor an den neuen-
lichen Protesten vermisst hat, und sogar noch
mehr. Ich kenne dieses Buch, es ist 1901 er-
schienen und 1929 von seinem Sohn mit einer
rühmlichen Einleitung neu veröffentlicht wor-
den. Aber das kann es nicht sein, mir schwebt
eine kürzere Aeusserung vor und aus jüngster
Zeit. Oder irre ich mich überhaupt, gibt es et-
was dergleichen nicht und ist das Werk der bei_
den Coudenhove wirklch ohne jeden Einfluss
auf die Zeitgenossen gblieben?
Siegmund Freud.
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