S.
VomLesen und von guten Büchern
Von Hugo v. HofmannsthalEs ist jetzt ein Vierteljahrhundert ber. Da hat der (seither
verstorbene) schr bewegliche und geschickte Wiener Buchhändler
Hugo Heller an eine Reibe bekannter Dichter, Schriftsteller,
‚Philosophen und anderer im öffentlichen Leben stehender bervor-
ragender Männer wieder einmal die (früher ziemlich häufig und
‚seither noch einige Male gestellte) Rundfrage nach „den 10 besten
Büchern“ gerichtet. ( Heinrich Falckenberg hat in der „Zeitschrift
für Bücherfreunde‘“ einmal eine recht beachtenswerte Bibliographie
über solche „Hundertlisten“ [oder auch „Zehnerlisten“] veröffens.
licht.) Hugo Heller hat dam die Antwort in einer kleinen, ser.
ber gänzlich verschollenen Schrift hekanntgegehen. Eiingeleitet war
sie mit einem längeren Schreiben Hugo u. Hofmamnsthals, das
unseres Wissens niemals wieder pupliziert worden ist. of.
/mamstbals Betrachtung verdient der Vergessenheit entrissen zu
werden. Im Nachstehenden ist sie wiedergegeben und daran sind
die Äußerungen der bedeutsamsten, damals un „Rat“ ange.
gangenen Persönlichkeiten geschlos sen.ch wüßte nicht, wie man seinen Beifall dem versagen sollte,
T.. Sie sich vorsetzen und in Ihrer Zuschrift mir entwickeln.
Daß der Buchhändler eben noch nichts Rechtes ist, wenn er sich’s
genug sein läßt, ein Händler mit Büchern zu sein, ist in älteren und
neueren Zeitläufen ausgesprochen worden und lebt wohl als eine
rechte Standeswahrheit und Überlieferung unter den Tüchtigsten
Ihrer Berufsverwandten. Aber unsere Zeit, mehr als frühere, hat es
in sich, daß sie ein geistiges, ein sittliches Streben, wo es kaufmän-
nischen Unternehmungen beigemengt ist, mit der Wucht des Ma-
teriellen niederschlägt, und wie sollten nicht Sie, als die mit dem
geistigen Bedürfnisse handelnden Kaufleute, ganz besonders sich
verworren und betäubt fühlen unter dem fast grenzenlosen Heran-
dringen der Masse, zugleich mit dem schwindelerregenden Geist
des Wechsels, ohne dessen irre springende Windstöße jener Wust
freilich ganz bedenklich zähe uns umlagern würde. Wo alle nur
mit der Masse auf die Masse wirken, fühlen Sie sich aufgefordert,
an die Einzelnen zu denken, und so rufen Sie auch Einzelne zur108
S.
Hilfe herbei. Der Leser ist schließlich immer ein Einzelner; einer
Masse ein Buch oktroyieren wollen, ist starke Prätension oder
gleich Scharlatanerie, und es sind die plattesten oder die zweifel-
würdigsten Erzeugnisse für die zeitweilig dergleichen ins Werk
gesetzt wird. Aber es liegt keine Anmaßung darin, wenn der Ein-
zelne dem Einzelnen, den er allenfalls auf ähnlichem Wege ver-
mutet, durch die Empfehlung eines werten, nicht eben allbekannten
Buches nützlich zu werden glaubt, und in diesem Sinne erfülle ich
Ihren Wunsch mit Vergnügen. Ich bin, wie jeder, vielen Büchern
vieles und cinigen fast alles schuldig, was ich geistig besitze. Aber
daß ich Ihnen eben diese nenne, haben Sie nicht erwartet, haben
vielmehr in einer schr glücklichen Wendung Ihrer Zuschrift darauf
hingedeutet, wie wenig wert Ihnen jene, vom Geiste eines nicht
angenehmen amerikanischen Enthusiasmus eingegebene Zusam-
menstellung einer runden Zahl „bester Bücher“ erscheine. Sie
haben nicht erwartet, daß ich Ihnen die erhabenen Denkmale der
Alten, daß ich Ihnen die Werke unserer höchsten Dichter hin-
zähle, und auch ein Dokument der neuen Zeit, wie die „Gedanken
und Erinnerungen“ von Bismarck, das von den stärksten Wellen
der Zeit getragen in jedermanns Händen ist, von mir aufgezählt
zu finden, hätte Sie einigermaßen verwundert. Dagegen durften
Sie annehmen, es müsse mir ein leichtes sein, ohne Prätension und
ohne Bedenklichkeit eine begrenzte Anzahl guter und schöner
Bücher hier auf dem Papier zu vereinigen, so wie ich sie am Vor-
abende einer längeren Reise in den Bücherkoffer zusammenstellen
würde. Keines von ihnen vielleicht habe ich in einem Zuge gelesen,
aber es ist keines darunter, nach dem ich nicht mehr als einmal
gegriffen, keines, das ich nicht zu Schiff oder zu Wagen reisend
gerne in meiner Begleitung wüßte, keines, dem ich mich nicht
verschuldet fühlte.Das fleißige und bedeutende mehrbändige Werk des Herrn
Gräf, Goethe über seine Dichtungen, wird niemand zur
Hand nehmen, der sich nicht zu Goethe in stärkstem Verhältnis
fühlt. Einem solchen, aber wird das Buch unschätzbar sein, und
er wird es neben, ja über jene hinlänglich berühmte Biedermann-
sche Sammlung der „Gespräche“ zu stellen sich gedrungen fühlen.
Wie das gemeint sei, wird jeder verstehen, dem es durch Erfahrung
klar geworden ist, daß er selbst eben so vieler Übung, innerer109
S.
Hilfsmittel, ja allmählicher Ausbildung eigener Organe bedarf, um
Kunstwerke wahrhaft zu genießen, als um sie selbst hervorzu-
bringen. Die inneren Hilfsmittel, so unberechenbar tiefen Pro-
dukten beizukommen, finden sich hier mit wahrhaft deutschem
Fleiß vereinigt, nach epischem, dramatischem Gebiet geteilt, zu-
gleich chronologisch geordnet; Übersicht, Genuß, innerlichste Be-
reicherung in einem.Die Korrespondenzdes Abb& Galiani im Original (2 Bände
Paris bei Calman Levy) ist mehr, unvergleichlich mehr, als bloß
ein Dokument des 18. Jahrhunderts. Die Gesellschaft eines klugen
Mannes wird jeden anziehen; da aber handelt es sich um mehr als
Klugheit, handelt sich’s um eine durchdringende Kraft im Erfas-
sen der menschlichen Dinge und Bezüge, eine geniehafte Gabe, das
Menschliche wie das Politische von Fall zu Fall zu beurteilen, wo-
für der Vergleich fehlt, man griffe denn auf Macchiavell zurück,
Ja, man wird in den Fall kommen, den tiefsten, den feinsten, den
umfassendsten Geist, den die Halbinsel hervorgebracht, sich her.
beizuziehen, und der Gedanke an Lionardo wird die leuchtende
Klugheit dieses Weltgeistlichen nicht verdunkeln. Eine Betrach-
tung werden diese Briefe dem aufnehmenden Deutschen mehr als
einmal aufdringen: daß die erstaunlichste Tiefe der Anschauung
in einem vollendet weltmännischen Ton nicht sowohl, wie man
gerne sagen hört, sich maskieren, als recht eigentlich sich aus-
sprechen, und zu leichtem Genuß wie tiefster Belehrung sich offen-
baren kann.Die Schriften des Lionardo da Vinci, ausgewählt und
übertragen von Marie Herzfeld, Verlag Diederichs.Im Zugänglichmachen ist unsere Zeit groß. Die fragmentarischen
ungeheueren Schriften des allerunvergleichlichsten Mannes, in
Spiegelschrift geheimnisvoll niedergelegt, in staatlichen und fürst-
lichen Bibliotheken verstreut, beinahe mythisch geworden, dann
allmählich entziffert, in kostbaren Transkriptionen zunächst nur
gelehrten Anstalten zugänglich gemacht, werden durch den Eifer
eines schöngesinnten Verlegers, durch die Bemühungen einer sehr
schätzbaren, erprobten Herausgeberin in einem handlichen Werke
uns zu eigen. Denn wer vermag sich ein Buch wirklich anzueignen,
solange er nur auf Bibliotheken es einsehen, nicht zu jeder seltenen,
erhöhten Stunde es hervornehmen und die reinsten Augenblicke110
S.
seiner Existenz damit amalgamieren darf? Der Inhalt des Buches
selbst ist zu bedeutend, um hier mehr als angedeutet zu werden.
Behandelt doch der ungeheuere Mann, Künstler, Denker, Ingenieur
Musiker, Weltmann in einem — eine Erscheinung, von der selbst
Goethes Gestalt überstrahlt wird — in diesen Blättern fragmen-
tarisch vorläuferisch so ziemlich jedes Gebiet des Wissens und der
Kunst, am größten vielleicht in der Mechanik und Hydromechanik,
nicht minder gewaltig im Beschreiben als im Erfassen der Phäno-
mene, in der Geologie, in der vergleichenden Anatomie gleichfalls
unvergleichlich im Schauen und Ahnen. Das Gefühl einer die
Naturreiche durchwaltenden Einheit atmet uns mächtig entgegen.
Vielleicht noch dies könnte gesagt werden, daß die nervige Kraft
des Ausdruckes, ganz Anschauung, von keiner Kunstsprache,
keiner gelehrten Handwerkssprache entstellt, annähernd mit glei-
cher Gewalt uns erfaßt, wie seine Bilder, jene offenbaren Mysterien,
gleichnislosen Gruppen göttlich-menschlicher Gestalten, jene un-
säglichen Felshintergründe und Durchblicke, und daß aus diesen
geistigen Fragmenten das gleiche sinnlich-scelenhafte Auge uns
manchmal anzublicken scheint, als aus den Gesichtern seiner gött-
lichen Mädchen, Greisinnen und Jünglinge. Daß hier von Frag-
menten die Rede ist, darf nicht beirren. Lionardo hat nie etwas
anderes hinterlassen als Notizen, zu Konvoluten, zu Codicis ge-
ordnet, aber niemals zum Buche ausgebildet. Der berühmte Traktat
über die Malerei ist eine Zusammenstellung von späterer Hand.Hebbels Briefe in vollständiger Ausgabe seien hier nur eben
genannt. Wie sich Leben und Produktion im schöpferischen Men-
schen unlösbar verklammern, eines aus dem anderen dunkle Nah-
rung saugt, da hineinzublicken gewährt dieses Buch wie keines.
Wem in den Werken des späteren Ibsen der wiederholte Ausdruck
dieser dunklen innerlichen Feindseligkeit nicht ganz ohne Kom-
mentar verständlich wäre, der fände hier den Kommentar. Es gibt
kaum ein Buch, das sich der Seele mit solchem Zwang bemäch-
tigt als diese Briefe, besonders die aus den ersten finsteren Jahr-
zehnten.Wieviel ich Lafcadio Hearn und seinen außerordentlichen
Büchern über Japan verdanke, habe ich hie und da ausgesprochen.
Sei hier das Buch „Out of the East“ genannt (welchem der rührig
bemühte deutsche Übersetzer vielleicht einen anderen Titel ge-11T
S.
geben haben mag), als dasjenige, welches bei vertrauter Bekannt-
schaft vielleicht vor allen, auch vor dem einschmeichelnden
„Kokoro“, den Vorzug behauptet. Das doppelte Gefühl, daß
Lafcadio Hearn cine moralische Macht für unsere Generation ist,
und daß es in der innersten Tendenz dieser merkwürdigen dich-
terisch politischen Werke doch noch mehr auf unser Europa ab-
gesehen sei als auf das fremde Inselland, befestigt sich in dem an-
hänglichen Leser mehr und mehr.Das Buch Tolstoiund Dostojewskij von Mereschkowski
ist mehr, unendlich mehr, als der bescheidene Titel ankündigt. Von
schöpferischer, von gestaltender Kritik ist neuerdings viel die
Rede: hier nun ist wirklich einmal durch das Zusammentreffen
unberechenbar günstiger Bedingungen ein solches Buch zustande
gekommen, und nirgends ist die zarte Grenzlinie zwischen gestal-
tendem Essay und Roman überschritten. Es bedurfte eines seltenen,
zugleich russischen und europäischen Individuums, um dieses
Buch hervorzubringen, eines unendlichen Taktes, glücklichster
Flexibilität, einer bis zur Exaltation gehenden Kraft des Interesses,
Und auch das Buch selbst ist durchaus Individuum, und wie bei
einem Individuum die Wirkung, die es auf einen disponierten
Geist ausüben kann, kaum abzugrenzen. Dem, der selbst über
solche Materien einigermaßen produktiv nachzudenken befähigt
ist — und an solchen ist in unserer Epoche kein Mangel — ist
dieses bedeutende Buch der allererwünschteste Ausgangspunkt.Der junge Menzel von Julius Meier-Graefe. Schulde ich
diesem Verfasser, der immer einer unserer stärksten Köpfe bleibt,
anderwärts viel, so verdanke ich ihm hier noch das besondere Ver-
gnügen, mich seiner steten Selbsterzichung zu freuen, ihn reifer,
vorsichtiger und staatsmännischer zu finden als in seinen früheren,
immer bedeutenden und imponierenden Unternehmungen. Das
höchst prekäre Problem der deutschen bildenden Kunst ist all-
mählich ein zentrales, ein allgemein sittliches, ein politisches Pro-
blem geworden. Hier ist es an einem Individuum aufgezeigt, und
man muß eine etwas bedenkliche Politik treiben, wenn man in
diesem Werk eines Verfassers, dem man immer nur Schwungkraft
und Scharfsinn zugestehen, manches andere aber absprechen wollte,
nicht auch ein höchst maßvolles Bestreben, eine geistvolle Gerech-
tigkeit anerkennen will.112
S.
So sei gleich neben diesem ein zweites Werk verwandten Ge-
bietes genannt, ein so gelehrtes, als im schönen Sinne weltmän-
nisches Werk, Produkt des tiefsten Fleißes, der reichsten Erfah-
rung, des schönsten Formgefühls, der taktvollsten Zurückhaltung,
wo jenes früher genannte als ein Produkt des Schwunges und
scharfsinniger Raschheit anzusprechen ist: die Biographie
Winckelmanns von Justi, minder berühmt als des gleichen
Verfassers Velasquez, diesem schönen Werk aber an Rundung
und Gehalt noch vorzuziehen. Es wird mancher das ruhevolle,
eine entrückte Materie schön erleuchtende Werk des anerkannten
Gelehrten mit günstigem Vorurteil zur Hand nehmen, der an das
Buch des jüngeren, leidenschaftlich der Kunst verflochtenen, so
mutigen als unruhigen Mannes mit Abneigung herantritt. Im auf-
nehmenden Geist wie auf dem friedlichen Bücherbrett dürfen so
ausgesprochene Gegensätze sich versöhnen; und wer, älterer Gene-
ration angehörig, in seiner Bildung abgeschlossen, durch die bloße
Zusammenstellung sich im Gemüt verletzt fühlt, möge bedenken,
daß ein großes Volk, wie die Natur selber, aus seinen gehaltreichen
Tiefen das Widerstreitende hervorbringt, aber auch die Geister
hervorbringen muß, in denen das Widerstreitende im glücklich
gesammelten Augenblick harmonisch zusammenklingt.Wassermann, Die Kunst der Erzählung. Dieses kleinen,
schönen, vortrefflich geschriebenen Buches erfreue ich mich wie-
derholt und dauernd. Daß wir nebst unseren poetischen Bestre-
bungen über unsere Kunst und ihre nicht klar zutage liegenden
Gesetzmäßigkeiten auch noch reden möchten, daß wir allenfalls
diesem Gespräch noch Zuhörer außerhalb des Handwerkskreises
erhoffen, könnte als eine arge Prätension erscheinen. Aber es liegt
in den Menschen, daß sie gerne erfahren, gerne zuschen möch-
ten, wie etwas gemacht wird; und noch etwas tritt dazu, was
solchen Exkursen in die Theorie der Kunst immer aufmerksame,
willige Zuhörer verschafft hat: der Dichter, indem er von seinen
Kunsterfahrungen redet, redet von dem, was er eigentlich ver-
steht. Ein Landkutscher, der von seinen Fahrten, ein Jäger, der
von der Jagd, ein halbwegs intelligenter Handwerker, der von
seinem Handwerke redet, wird uns nicht leicht langweilig.Dies ist die eigentliche Robinsonade, die wir jeder zu erzählen
haben, und wenn wir aus unseren menschlichen Erlebnissen nur113
S.
insofern etwas machen können, als wir Künstler sind, so sind um-
gekehrt gerade unsere künstlerischen Erfahrungen das eigentlich
Menschliche an uns. Doch bedürfte ich nicht einer solchen Ab-
schweifung, um zu begründen, warum wir dieses kleine Buch schon
vielfach haben mit Achtung nennen hören. Der Name seines Ver-
fassers mußte ihm von vorneherein freundliche, aufmerksame
Leser zuführen. Die schöne, leichte, urbane Form des Dialogs ist
sichtlich im Aufleben. Und einer lichtvollen, stetigen, innerlich
rhythmischen Auseinandersetzung zu folgen, ist ein Vergnügen,
möge es sich selbst um so entlegene Materien, veraltete Gesichts-
punkte handeln, wie in gewissen Abhandlungen Lessings, die wir
doch, wenn sie uns in die Hände geraten, willig zu Ende lesen.
Hier mochte die Freude dazu kommen, zu sehen, wie ein episches
Talent, an dessen Produkte sich vielfache Dankbarkeit und mehr
Hoffnungen knüpfen, sich selbst den obersten Begriff seiner Kunst
mit innerster Freude entwickelt.Kant. Vorträge von Simmel. In Simmel verehren Hörer und
Leser eine fast beispiellosc Kraft, das Geistige, das Wesenloseste,
die geheimsten Bezüge geistigem Sinnen in faßbare Nähe zu brin-
gen. Fast möchte man von ihm sagen, was Goethe von den Fern-
rohren und Mikroskopen: daß sie den reinen Menschensinn ver-
wirren. Doch wie vermöchten wir heute des Mikroskops zu ent-
behren, wie auch auf solche seltenen Organisationen zu verzichten,
die sich gleichsam instrumenthaft unseren feinsten Sinnen anfügen
und uns stärker machen, die Bezüge des Weltwesens zu genießen,
Über sein Kant-Buch hörte ich von einem bedeutenden im Leben
stehenden Manne das schöne Urteil: es ergehe dem, der sich in
seinen jüngeren Jahren durch seinen Kant halb genießend und
halb leidvoll durchgewühlt habe, dann aber dieses Buch in die
Hand bekomme, so wie dem Reiter, der sich in mühevollem, ver-
decktem durchschnittenem Terrain lange abgequält, wenn er, nach
Hause kommend, auf einer schönen deutlichen Karte alles sonnen-
klar vor sich liegen sehe und nun im ganzen dic Struktur begreife
und mit dem Blick genieße, deren einzelne Unebenheiten ihm fast
den Hals gekostet und manchen Moment verdüstert hätten.Da haben Sie meine Auswahl. Es war durchaus eine Improvi-
sation. Indem ich schließe, sind mir schon andere Bücher ins Ge-
dächtnis gekommen, von denen ich mich wundere, daß ich sic114
S.
nicht aufgeschrieben habe. Aber ich bedaure keines von denen, die
ich genannt habe. Es war ein Moment, der mich dieses Verzeichnis
entwerfen ließ: alles Produktive ist die Ausgeburt eines Moments,
und mehr oder weniger improvisiert und fragmentarisch ist alles,
was wir von uns geben, das ist das Lebendige daran. Ich weiß nicht,
ob mein Verzeichnis jemandem nützlich sein kann, und wenn, so
wird es ein einzelner sein, denn so zersplittert und verklausuliert ist
unser geistiger Zustand, daß fast jedes Individuum in seiner Bil-
dung auf völlig anderen Voraussetzungen ruht.
PETER ALTENBERG
Ich nenne ihn folgende
Bücher, die ich für besonders
wertvoll halte:
Strindberg, An offener Sec.
– Tschandala.
Jonas Lie, Der Großvater.
Birger-Mörner, Allerhöchst
Plaisier.
Maeterlinck, Le trésor des
humbles.
– Sagesse et destinée.
Vollmöller, Catarina von Ar-
magnak und ihre beiden
Liebhaber.
Helen Keller, Optimismus.
Knut Hamsun, Victoria.
Michaelis, Das Schicksal der
jungen Ulla Fangel.
Shakespeare, Sturm.
Goethe, Wahlverwandtschaf-
ten.
– Der 28. Band seiner Schrif-
ten.
Grimm, Reden.
Brüder Grimm, Märchen.
Wagner, Meistersinger.
– Tristan.
Bismarcks Gedanken und Er-
innerungen.
J. J. DAVID
Ich bin wirklich in Verlegen-
heit. Aufs Geratewohl diene:
Die Bibel und immer wieder sie.
Der Parzival. (Wolfram!)
Simplizissimus (Grimmels-
hausen).
Luther, Lugschriften (vide
Bibel).
Coleridge.
Ludwig, Zwischen Himmel
und Erde.
Keller, Spiegel das Kätzchen
(Leute von Seldwyla).
HERMANN BAHR
Meine „zehn guten Bücher“
sind:
Homer, Odyssee.
Shakespeare, Sommernachts-
traum.8* 115
S.
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Meyer, der Heilige.
Anzengruber, Sternsteinhof.
Baruch Spinoza.
Es mag das eine wunderliche
Zusammenstellung sein. Wie sie
einem Kranken, der wenig mehr
liest, eben beikommt ...
MARIE v. EBNER-ESCHENBACH
Einige ältere Bücher, die mich
seinerzeit besonders gefesselt
haben. (Ich glaube der Ihrem
Unternehmen zugrunde liegen-
den Absicht zu entsprechen,
wenn ich Selbstverständ-
liches nicht erwähne.)
Leberecht Hühnchen von Heinr.
Seidel.
Sainte Roche von Heinr. Paal-
zow.
Savonarola und Gedichte von
Lenau.
Der letzte Ritter von Anast.
Grün.
Hammer und Amboß von
Spielhagen.
Die letzten Reckenburgerin von
Louise v. François.
Gedichte von Betty Paoli.
Die Makkabäer – Zwischen
Himmel und Erde von Otto
Ludwig.
Ahasverus in Rom – Der
König von Sion von Robert
Hamerling.
Gedichte von Lingg.
Heinrich Stillings Jugend.
PROF. DR. A. FOREL
Ich erkenne den Wert und
die Brauchbarkeit Ihrer An-
frage recht gut an. Sehr schwer
dagegen ist deren Beantwor-
tung, weil sie nicht präzis ge-
nug ist.
Ich könnte Ihnen ja in erster
Linie Bücher nennen, die auf
meine eigene Geistesrichtung
großen Einfluß hatten, die aber
entweder nur für meine Spezia-
lität diesen Einfluß übten (so
Pierre Huber, „Recherches sur
les mœurs des fourmis indi-
gènes“, Genève 1810, und
Meynerts „Gehirnanatomie“)
oder so allgemein auf die
Menschheit gewirkt haben, daß
ihre Erwähnung meinerseits nur
Wasser in das Meer gießen
würde. Zu den letzteren rechne
ich z. B.: Goethes „Faust“,
Darwins „Entstehung der Ar-
ten“, Shakespeares Dramen
u. dgl. m. Anderseits werden
Sie wohl keine speziellen, dem
Publikum unverständlichen wis-
senschaftlichen Werke wollen.
Sie sehen, die Antwort ist gar
nicht leicht. Außerdem bin ich
in meinem ganzen Leben stets so
mit Arbeit überladen gewesen,
daß ich relativ wenig gelesen
habe, in dem mir die Zeit dazu
fehlt.
Nach allen diesen Reserven
möchte ich besonders folgende
116
```
S.
S.
anzeichen zu achten, muß ich
mich nun an den Wortlaut hal-
ten, in den Sie Ihre rätselhafte
Forderung kleiden. Sie sagten
nicht: die zehn großartigsten
Werke (der Weltliteratur), wo
ich dann mit so vielen anderen
hätte antworten müssen: Homer,
des Sophokles Tragödien,
Goethes Faust, Shakespeares
Hamlet, Macbeth usw. Auch
nicht die „zehn bedeutsamsten
Bücher“, unter denen dann wis-
senschaftliche Leistungen wie
die des Copernicus, des alten
Arztes Joh. Weier über den
Hexenglauben, Darwins Ab-
stammung des Menschen u. a.
Platz gefunden hätten. Sie haben
nicht einmal nach den „Lieb-
lingsbüchern“ gefragt, unter
denen ich Miltons Paradise
lost und Heines Lazarus nicht
vergessen hätte. Ich meine also,
in Ihrer Textierung fällt ein be-
sonderer Akzent auf das „gut“,
und mit diesem Prädikat wollen
Sie Bücher bezeichnen,
denen man etwa so steht wie mit
„guten“ Freunden, denen man
ein Stück seiner Lebenskennt-
nis und Weltanschauung ver-
dankt, die man selbst genossen
hat und anderen gerne an-
preist, ohne daß aber in dieser
Beziehung das Moment der
scheuen Ehrfurcht, die Emp-
findung der eigenen Kleinheit
vor deren Größe, besonders
hervorträte.
Zehn solcher „guter“ Bücher
nenne ich Ihnen also, die mir
ohne viel Nachdenken einge-
fallen sind:
Multatuli, Briefe und Werk.
Kipling, Jungle book.
Anatole France, Sur la pierre
blanche.
Zola, Fécondité.
Mereschkowsky, Leonardo
da Vinci.
G. Keller, Leute von Seld-
wyla.
C. F. Meyer, Huttens letzte
Tage.
Macaulay, Essays.
Gompertz, Griechische Den-
ker.
Mark Twain, Sketches.
Ich weiß nicht, was Sie mit
dieser Liste zu machen geden-
ken. Sie erscheint mir selbst
recht sonderbar; ich kann sie
eigentlich nicht ohne Kommen-
tar von mir lassen. Das Problem,
warum gerade diese und nicht
andere ebenso „gute“ Bücher,
will ich gar nicht in Angriff
nehmen, bloß die Relation zwi-
schen dem Autor und seinem
Werk beleuchten. Nicht überall
ist die Beziehung so fest wie
etwa bei Kipling, Jungle
book. Zumeist hätte ich von
demselben Autor ebensowohl
ein anderes Werk auszeichnen
118
S.
können, etwa von Zola: den
Docteur Pascal u. dgl. Derselbe
Mann, der uns ein gutes Buch
geschenkt hat, hat uns oft auch
mit mehreren guten Büchern
beschenkt. Bei Multatuli fühlte
ich mich außerstande, gegen die
„Liebesbriefe“ die Privatbricfe
oder jene gegen diese zurückzu-
setzen und schrieb darum:
Briefe und Werk. Eigentliche
Dichtungen von rein poeti-
schem Wert haben sich von
dieser Liste ausgeschlossen,
wahrscheinlich weil Ihr Auf-
trag: gute Bücher, nicht direkt
auf dieselben zu zielen schien,
denn bei €. F. Meyers Hutten
muß ich die „Güte“ weit überdie
Schönheit, die „Erbauung“ über
den ästhetischen Genuß stellen.M. E. DELLE GRAZIE
Ich habe auf Ihre Anfrage
nicht sogleich geantwortet, weil
der tiefe Eindruck künstleri-
scher und wissenschaftlicher
Werke ebenso durch die Eigen-
art der Autoren wie des Lesers
bedingt ist. Ich nenne Ihnen
also, nur weil Sie Ihre Anfrage
erneuern, zehn Werke, die auf
mich tief gewirkt, ohne darum
anzunehmen, daß andere Leser
einen ähnlichen Eindruck emp-
fangen müssen:
Die Odyssee.
Dantes Göttliche Komödie.Shelleys Entfesselter Prome-
theus.Byrons Don Juan.
Hölderlins Hymnische Dich-
tungen.Des Knaben Wunderhorn.
Die „Preces“ der heiligen
Gertrud.Flauberts „Salambö“.
Droste-Hülshoff, Gedichte.
Storms Novellen und Ge-
dichte.
ENRICA BARONIN HAN-DEL-MAZZETTI
Die Bücher, die ich Ihnen zu
nennen habe, die mich in meiner
geistigen Entwicklung am mei-
sten gefördert haben, sind lauter
Altmeister und finden sich wohl
in jeder Haus- und Schul-
bibliothek vor.Hier sind einige meiner
Lieblingsbücher (nicht alle):
Heil. Schrift, Neues Testa-ment.
Thomas a Kempis, Nach-
folge Christi.Dante, Divina commedia.
Shakespcare,Lear,RichardIll.
Molitre, L’avare.
Goethe, Faust.
Spee, Trutznachtigall.
Rollenhagen, Froschmäuse-
ler.Perrault, Contes.
Ich lese daneben auch Mo-
dernes, oft mit hohem Genusse,119
S.
denn auch unsere Zeit hat
große Bücher.Aber von den Modernen
kehre ich immer wieder zu
meinen lieben Alten zurück, die
mir das meiste und immer Neues
zu sagen haben, kehre um so
lieber zurück, als ich weiß, daß
die größten Modernen auch an
diesen Quellen sich groß und
stark getrunken haben zur Zeit
ihres geistigen Werdens.HERMANN HESSE
Folgende zehn Bücher mo-
derner Dichter scheinen mir,
obwohl zum Teil nicht mehr
unbekannt, doch noch viel zu
wenig verbreitet:
Emil Strauß, Engelwirt.
Wilhelm Raabe, Horacker.
Wilhelm Fischer, Lebens-
morgen.
©. J. Bierbaum, Stilpe.
Alfons Paquet, Lieder und
Gesänge.
Jakob Schaffner, Irrfahrten.
Knut Hamsun, Viktoria.
Heidenstam,Karlder Zwölfte.
Macleod, Wind und Woge.
Korolenko, Sibirische No-
vellen.KARL GRAF LANCKO-
RONSKI-BRZEZIE
Bevor ich Ihnen auf Ihre lie-
benswürdige Aufforderung hin
„zehn gute Bücher“ nenne, muß120
ich einige Klassiker bezeichnen,
deren Werke allbekannt sein
sollten, die ich bei den zehn
Büchern nicht mitkonkurrieren
lassen kann, da sie jede Kon-
kurrenz ausschließen. Sie wer-
den aber vielleicht auch in der
Klassikerauswahl eine indivi-
duelle Note finden.
Das Buch Hiob.
Das Neue Testament.
Thomas a Kempis, Die Nach-
folge Christi.Homer.
Horaz.
Dante.
Shakespeare.
Spinoza.
Pierre Corneille.
Moliere.
Goethe.
Schiller.
Grillparzer.
Byron.
Schopenhauer.
Heine.
Alfred de Musset.
Mickiewicz.
Graf Alexander Fredro der
Ältere,
Lenau.
Cervantes, Don Quixote.Sollte ich 20 Klassiker
bezeichnen, würden es diese
sein.Und nun zu „zehn guten
Büchern“. Ich kenne deren
glücklicherweise mehr!S.
Burckhardt, Kultur der Re-
naissance in Italien.Paul de Lagarde, Deutsche
Schriften.Stendhals (Henri Beyles) Ro-
mane und Novellen.Prosper M&rimee, Novellen.
Hypolite Taine, Les Origines
de la France contemporaine.Julyan Klaczko, Soirdes Flo-
tentines.— — Jules II.
Karl Hillebrand, Deutsches
und Welsches, Frankreich
und die Franzosen.Villers, Briefe eines Unbe-
kannten.Ralph Waldo Emerson, Es-
says.Viktor Hehn, Italien. Ansich-
ten und Streiflichter.John Ruskin, Alles.
Da hätten wir so etwas wie
zehn gute Bücher, neben den
20 Klassikern, obwohl es mehr
wie zehn Bücher geworden,
eigentlich nur zehn Autoren
genannt worden.Eigentlich ganz auf gleiche
Stufe stelle ich noch: Die Ge-
dichte von Graf Rudolf
Hoyos, Die Odysseischen
Landschaften von Alexander
von Warsberg, die 6—7 letz-
ten Romane von Bulwer (dem
Vater), den heil. Franciscus von
Assisi von Henry Thode,
„Durch Feuer und Schwert“von Sienkiewicz, die Schrif-
ten von Andre Hallays, Die
Päpste vonRankce,dierömische
Geschichte von Mommsen,
„Lateinische von
Ferdinand Gregorovius.
Da haben wir wieder neun
Autoren. Verzeihen Sie, daß ich
Ihnen statt zchn Büchern 39
Autoren nenne, und wollen Sie
dies als ein Zeichen meines
guten Willens, Ihnen zu dienen,
auffassen.Sommer“
EMIL MARRIOT
Sie wünschen, daß ich Ihnen
zehn Bücher nenne, die mir be-
sonders lesenswert erscheinen.
Da ich unmöglich unter allem,
was ich gelesen habe, eine Aus-
wahl treffen kann (dazu wäre
viel Zeit nötig), will ich mich
auf jene Werke beschränken,
die ich in den letzten Jahren mit
besonderem Interesse las. Un-
bekannt Gebliebenes wird sich
freilich nicht darunter finden.
Ich nenne Ihnen folgende Bü-
cher:Hebbel, Briefe.
Friedjung, Der Kampf um die
Vorherrschaft in Deutsch-
land.— Benedek.
Richard Wagner, Briefe an
Frau v. Wesendonk.
Handel-Mazzetti, Jesse undMaria.
S.
Thomas Mann, Die Budden-
broks.
Peter Altenberg, Wie ich es
sche.
Anzengruber, Der Sternstein-
hof.
Selma Lagerlöf, Gösta Ber-
ling.
Strindberg, Auf offener See.
Arne Garborg, Müde Seelen.
Ich könnte die Liste natürlich
bedeutend erweitern. Doch das
würde zu weit führen. Ich habe
Ihnen eben jene Bücher aufge-
zählt, die mir gerade in diesem
Augenblicke besonders lebhaft
eingefallen sind. Unsere Klas-
siker habe ich absichtlich ver-
mieden. Ich lese sie zwar immer
wieder: aber ihre Werke emp-
fehlen, hieße Eulen nach Athen
tragen.DR. ERNST MACH
Sie bezeichnen als Spezialität
Ihres Verlages „Neuzeitliche
Kunst und Literatur“. Diese
Richtung liegt mir recht fern.
Die guten Bücher in diesem
Gebiet muß jedenfalls ein an-
derer nennen. Sollte ich da eine
subjektive Ansicht aussprechen,
so könnte ich nur sagen: Wir
lesen und genießen zu viel Mo-
dernes, dessen Eigentümlich-
keiten wir mit jedem Atemzuge
aus unserer Umgebung schöp-
fen, auch ohne zu lesen. Eine122
ganz andere Weltanschauung
lernen wir aber kennen durch
die Geistesprodukte uns
fernerliegender Zeitenund
Völker. Darin liegt eine viel
bedeutendere Bereicherung un-
seres geistigen Lebens.
Ich kann aber auch nicht
annehmen, daß Sie von mir
die Angabe wissenschaftlicher
Werke meines Faches verlan-
gen. Soll ich aber Bücher nen-
nen, welche jeder Gebil-
dete, ohne besondere fach-
liche Erziehung, mit dem
größten Nutzenlesen wird,
und von welchen im Inter-
esse der Allgemeinheit zu
wünschen wärc, daß er sie
gelesen hätte, so würde ich
den Hauptwert auf Geschichte
der Philosophie, Kulturge-
schichte, Psychologie und Na-
turwissenschaft legen. Um nur
auf das Wichtigste hinzuweisen,
führe ich an:
Höffding,
Philosophie.
Gomperz,GriechischeDenker.
Tylor, Anfänge der Kultur.
Lecky, Geschichte der Auf-
klärung in Buropa.
Roskoff, Geschichte des Teu-
fels.Whitney, Leben und Wachs-
tum der Sprache.Ribots kleine psychologische
Monographien.
Geschichte der
S.
Darwin,
Arten.
— Abstammung des
schen.
1. R. Mayer, Mechanik der
Wärme.
Die Zahl 10 ist hier noch
kaum überschritten. Und welcheEntstehung der
Men-
Genüsse, äquivalent allen poc-
tischen, kann der Leser hier
schöpfen aus der Wirklichkeit!PROF. T. G. MASARYRK
Ich habe mir schon vor Jahren
die Denker und Schriftsteller zu-
sammengestellt, die nach mei-
nem Urteil die Entwicklung der
europäischen Menschheit reprä-
sentieren; das ist natürlich etwas
anderes als die Zusammenstel-
lung der „100 besten Bücher“,
Freilich kann man ein Verzeich-
nis der besten Bücher anlegen,
aber man darf sich nicht voraus
an eine Zahl binden; auch Ihre
Zahl ı0 macht mir Schwierig-
keiten.Als ich Ihren Brief durchge-
lesen, habe ich gleich ein Ver-
zeichnis angelegt und das hat so
ausgeschen:Leigh Hunt, The Religion of
the Heart.Th. Paine, Age of Reason.
D. Hume, Principles of Moral.
Paine, Rights of Man.
Björnson, Monogamic und
Polygamie.Vandervelde,
mus.Charlotte Bront£, Vilette —
Ina Byre Shirley.Shakespeare, Tempest.
Goethe, Wahrheit und Dich-
tung.Alkoholis-
Machar, Konfesse literäta.
Lichtenberg, Schriften.
Krasinsky, Ungöttliche Ko-
mödie.Dostojewsky, Idiot.
Byron, Cain — Manfred —
Don Juan.Puschkin, Eugen Onegin.
E. Browning, Aurora Leigh,
Garschin, Novellen.
Eine gute Sammlung von
Volksliedern.‘Wenn ich nun nachrechne, so
habe ich 22 Bücher, respektive
Autoren.Ich habe ein unangenehmes
Gefühl, wenn ich 10 Nummern
daraus auswählen soll; aber ich
will es versuchen und dann habe
ich diese Reihe:Volkslieder.
Leigh Hunt, The Religion of
the Heart.Paine, Rights of Man.
Björnson, Polygamie
Monogamie.
Vandervelde, Alkoholismus.
Bront£, Vilette.
Shakespeare, Tempest.
Goethe, Wahrheit und Dich-tung.
und
123
S.
Dostojewsky, Idiot.
E. Browning, Aurora Leigh.
Wenn ein Freund aus unserem
Geburtsorte uns nach Jahren
besucht, so erinnert man sich an
alle Schulkameraden, Spielge-
nossen und Bekannten, Erinne-
rung reiht sich an Erinnerung,
und wir lassen schließlich so
ziemlich das ganze liebe Hei-
matsdorf grüßen; beim letzten
Abschiede erinnern wir den
Freund dennoch: Den und den
vergiß mir ja nicht! — — so
nenne ich die zehn Bücher
respektive ihre Verfasser und
denke dabei an alle die übrigen,
an die ganze liebe Kulturheimat.J- MEIER-GRAEFE
Wenn ich Sie recht verstehe,
interessiert Sie, was ich sozu-
sagen täglich in die Hand
nehme. Das sind namentlich
zwei Bücher: die drei Bände des
Tagebuches von Delacroix
und die vier Bände der Flau-
bertschen Briefe.ANNA v. MILDENBURG
Zehn gute Bücher sind:
Shakespeare, Sonette.
Goethe, Gespräche mit Ecker-
mann.
Stendhal,Chartreusede Parme.
Dostojewsky, Karamasow.
Fechner, Nanna.
Lagarde, Deutsche Schriften.124
Rhode, Psyche.
Nietzsche, Briefwechsel mit
Rhode.Wagner, An Frau Wesen-
donck.Bismarck, Bricfe an seineFrau.
PETER ROSEGGER
In neuester Zeit las ich fol-
gende alte und neue Bücher mit
besonderem Vergnügen:
Stifter, Studien.
Handel-Mazzetti, Pater
Meinrads denkwürdiges Jahr.
— — Jesse und Maria.
Emil Ertl, Die Leute vom
blauen Kuckuckshaus.
Ottokar Kernstock,
Zwinggärtlein.
Robert Hamerling, König
von Sion.
— — Homunkel.
Gottfried Keller, Leute von
Seldwyla.
Hermann Schell, Christus.
Chamberlain, Die Grund-
lagen des 19. Jahrhunderts.DR. ARTUR SCHNITZLER
Es ist mir gar nicht eingefal-
len, Ihren ersten Brief mißzu-
verstehen; ich hatte nur eben
keine besondere Neigung, Ihre
Frage zu beantworten — haupt-
sächlich aus Antipathie gegen
diese ganze Sitte der Rund-
fragen (was Sie gewiß verstehen
werden). Meine Antipathie istIm
S.
nicht geschwunden — aber da
Sie schließlich einigen Wert dar-
auf zu legen scheinen und ich
schon im Schreiben bin, setze
ich wahllos ein paar, nein: ge-
nau zehn Bücher her, denen
ich gute Stunden verdankt
habe:
Goethe-Zelter, Briefwechsel.
Burckhardt, Zeitalter Kon-
stantins.
Brandes, Shakespeare.
Sturm- und Drangperiode
in der Kürschnerschen Na-
tionalliteratur (3 Bände).
Gibbon, Geschichte des rö-
mischen Weltreiches (Band
über Julian).
Balzac, Lettres A Petrangere.
Marbot, Memoiren.
Jeder beliebige Band Mau-
passant, Novellen.
Freytag, Bilder (Band über
den dreißigjähr. Krieg).
Mereschkowski, Tolstoi und
Dostojewski.MALER HANS THOMA
Folgende 10 Bücher sindLieblingsbücher von mir ge-
blieben — natürlich kommen
noch welche dazu, wo mir die
Wahl recht schwer wird:1. Das neue Testament.
2. Das Buch Hiob.
3. Das erste Buch Moses.
4. Die Psalmen Davids.
5. DashoheLiedSalomons.
6. Homer, Odyssee,
7. Der Simplizissimus von
Grimmelshausen.8. Goethe, Herrmann und
Dorothea.9. Hebel, Schatzkästlein.
10. Uli der Knecht von ]J.
Gotthelf.LUDWIG THOMA
(Peter Schlemihl).Ich will Ihnen gerne sagen,
was mir in der letzten Zeit
Freude gemacht hat:Darunter sind alte Bücher,
die ich oft gelesen habe.Meister Gottfried Kellers
Werke. Voran das „Sinnge-
dicht“, das man mit solchem
Bedachte lesen muß, etwa wie
man alten Rheinwein trinkt.Und Wilhelm Raabes le-
bensweise Bücher, in denen ein
gütiger und großer Künstler so
heiter über alle Schwächen lä-
chelt.Da sind Hungerpastor,
Abu Telfan, Schüdderump,
Alte Nester, Meister Autor
usw. Dann:Viktor Hehn, „Gedanken
über Goethe“. Aber einige
neuere:Emil Strauß, „Freund
Hein“, der „Engelwirth‘“,
„Menschenwege“.Hermann Hesse, „Camen-
zind“, „Unterm Rad“,125
S.
Dann las ich Ganghofers
„Mann im Salz“ und Jakob
Schaffners „Irrfahrten“.Und las wieder manches alte,
liebe Buch von Walter Scott
und Dickens, bei denen man
so prächtig unterm Nußbaum
liegen und den 'Tabakrauch in
die Höhe blasen kann.PS.
Natürlich Goethe, und weil
Sie Österreicher sind, Anzen-
grubers „Sternsteinhof“. Wo
anfangen und wo enden? Ich
meine, wir sollen froh sein, daß
es nicht 10 beste Bücher gibt.JAKOB WASSERMANN
Es ist mir unmöglich, solche
bestimmte Bücher aufs Gerate-
wohl zu nennen. Ich finde mich
zu vielen verpflichtet und an-
dererseits bin ich vielleicht an
manchen achtlos vorübergegan-
gen, die anderen zu Erlebnissen
wurden. Ich liebe im allgemei-
nen nicht, Romane zu lesen, nur
wenige der neueren vermögen
mich in dieser Kunstgattung zu
fesseln, ich greife gern nach dem
Alten und suche längstvertraute
Bilder der Meister der verblaß-
ten Erinnerung wieder nahezu-
führen. Ein Konservatismus,
der weniger erstaunlich und an-
maßend wirkt, wenn Sic beden-
ken, daß der um ein, gleichviel
wic immer bewertetes, Schaffen126
bemühte Geist einer gewissen
Ökonomie bedarf und daß einer
seiner Grundtriebe darin be-
steht, sich der Fülle zu erweh-
ren, sich nicht mit totem Mate-
rial zu beladen und in den Gär-
ten der Kunst wie des Lebens
nur die dienstlichen Früchte zu
pflücken.Ich bin ein Mensch ohne so-
genannte gymnasiale Bildung.
Vielleicht rührt es daher, daß
mir die Klassiker der Griechen
im Alter eingetretener Reife in-
nere Erlebnisse von unvergeß-
licher Bedeutung wurden und
daß mir Platos Dialoge oder
Thukydides’ Historie ganz an-
deren Sinn offenbarten, als ich
darin geahnt, wenn mir studen-
tische Freunde einst mit sauer-
süßen Mienen ihre humanisti-
schen Qualen beichteten. Ich
verdanke darin einem Jakob
Burckhardt oder Rhode oder
Droysen mchr, als sich hier in
kurzem andeuten läßt.Demzunächst richtet sich
meine Begierde auf Chroniken,
Memoiren, Legenden-undBrief-
sammlungen, Gerichtsakten,
kurz auf alles stark Persönliche
und stark Sachliche. Ich bin ein
ebenso unermüdlicher Leser des
Pitaval wie der Gesta romano-
rum, der Vehseschen Hofge-
schichte wie aller Reisebeschrei-
bungen aus alter und neuer Zeit.S.
Ich verschmähe sogar hie und
da nicht einen spannenden klei-
nen Kolportage- und Detektiv-
roman und könnte in gruseln-
dem Interesse für eine gut er-
zählte Geister- und Gespenster-
geschichte mit jeder Köchin
wetteifern. Der geheime Zweck
und Antrieb bei alledem ist
aber: Lebensdokumente aufzu-
suchen, Zeugnisse von unmittel-
barer Deutkraft, Stimmen von
unwiderleglicher und kontrol-
lierbarer Wahrheit zu sammeln.
Kunst rückt die Welt fern, derKünstler muß sich seine Nähe
zu ihr erst erobern. Der Schrift-
steller von heute ist in den aller-
meisten Fällen ein durchaus sin-
gulärer Mensch, er ist in höhe-
rem Sinne gesellschaftlich be-
ziehungslos, er hat weder Volk
noch Adel für sich, wenigstens
in Deutschland, und den Bürger
nur dann, wenn er ihn nicht
stört. Er ist also auf Quellen an-
gewiesen, die ihm den direkten
Zufluß großen Lebens, soweit
er sich dessen nicht visionär be-
meistert, ersetzen.127
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–127