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Die Freuds Theoric von der Sexualität in der Ätiologie der Neurosen. 325
erscheinungen bilden. „In der Regel sind es Pubertätserleb
nisse, die als Noxe wirken und die bei der Verdrängung ins
infantile zurückphantasiert werden, unter Anlehnung an die
in der Krankheit erlebten akzidentellen oder aus der Kon
stitution fließenden Sexualeiudrücke (briefliche Mitteilungen
des Autors). An den Grundelementen der Theorie: Ver
drängung einer peinlichen, dem Sexualleben angehörenden
Vorstellung und Transposition des mit dieser verknüpften
Affektes wird durch diese Modifikation nichts geändert 1).
Mit der Ätiologie und dem Mechanismus der Zwangs
vorstellungen habe ich mich ebenfalls eingehend beschäftigt
und in meinem Werke (Die psychischen Zwangserscheinungen
1904) meine Auffassung auf Grund meiner damaligen Erfah
rung ausführlich dargelegt. Ich äußerte mich u. a. dahin,
dass ich, wenn ich auch in meinem eigenen Beobachtungsmateriale
einen strikten Beweis für die Abstammung bestimmter Zwangs
vorstellungen von verdrängten Erinnerungen des Sexuallebens
nicht finden kann, doch eine derartige Provenienz von Zwangs
vorstellungen in einer Anzahl von Fällen für wahrscheinlich
halte. Bei fortgesetzter Prüfung meiner Erfahrungen bin ich
mehr und mehr zu der Anschauung gelangt, dass für die
selbständige Zwangsneurose (Zwangsvorstellungskrankheit) die
Freudsche Annahme in der Hauptsache zutreffen dürfte.
Fälle selbständiger Zwangsneurose bilden jedoch unter den Er
krankungen mit Zwangsvorstellungen nur einen relativ be
scheidenen Prozentsatz. Die Entwicklung der weit häufigeren
im Rahmen der Neurasthenie, Hysterie, Angstneurose, Melan
cholie usw. auftretenden Zwangsvorstellungen, wird durch
andere, als die bei der Zwangsneurose wirksamen Momente
bedingt.
In betreff der Neurasthenie kann ich lediglich bei der schon
in den früheren Auflagen dieser Schrift vertretenen Ansicht
1) Der Autor hat das Wesentliche seiner Theorie in folgende zwei Sätze zu
sammengefasst:
α) Der psychische Zwang rührt immer von Verdrängung her.
β) Die
verdrängten Regungen und Vorstellungen, aus denen das Zwangsprodukt
hervorgeht, stammen ganz allgemein aus dem Sexualleben.
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