Manifest gegen die Wehrpflicht und die militärische Ausbildung der Jugend 1930-054/1930
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    Manifest gegen die Wehrpflicht und die militärische Ausbildung
    der Jugend.

    Die Regierungen aller Länder haben endlich offiziell das Recht
    der Völker auf Frieden anerkannt und im Kellogg-Pakt den Krieg
    als Mittel nationaler Politik verworfen.

    Dennoch wird der Krieg weiter vorbereitet. In krassem Gegen-
    satz zu den Friedensbeteuerungen der Regierungen steht vor allem
    die Aufrechterhaltung, die Erweiterung der militärischen Ausbil-
    dung der Jugend.

    Militärische Ausbildung ist Schulung von Körper und Geist in
    der Kunst des Tötens. Militärische Ausbildung ist Erziehung zum
    Kriege. Sie ist die Verewigung des Kriegsgeistes. Sie verhindert
    die Entwicklung des Willens zum Frieden. Die ältere Generation
    begeht ein schweres Verbrechen an der Zukunft, wenn sie die
    Jugend in Schulen und Universitäten, in staatlichen und privaten

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    Organisationen, oft unter dem Vorwand körperlicher Ertüchtigung,
    das Kriegshandwerk lehrt.

    Die Friedensverträge haben den besiegten Völkern die Auf-
    hebung der militärischen Ausbildung der Jugend und die Ab-
    schaffung der Wehrpflicht auferlegt. Mögen die Völker der ganzen
    Welt endlich durch eigene Initiative mit ihnen aufräumen.

    Wenn die Regierungen die tiefe Empörung und Auflehnung
    gegen den Krieg nicht erkennen wollen, so müssen sie mit dem
    Widerstand aller derer rechnen, denen die Hingabe an die Mensch-
    heit und an die Stimme ihres Gewissens höchstes Gesetz ist.

    V ö l k e r   d e r   W e l t ,   b e s c h l i e s s t :   F o r t   m i t   d e r   M i l i t a r i s i e r u n g ! 
    F o r t   m i t   d e r   W e h r p f l i c h t !   E r z i e h t   d i e   J u g e n d   z u r   M e n s c h -
    l i c h k e i t   u n d   z u m   F r i e d e n !

    Unterzeichnet u. a. von: Jane Addams (USA.), Se. Eminenz der
    Bischof von Birmingham, Prof. Dr. John Dewey (USA.), Prof.
    Dr. Albert Einstein (Deutschland), Prof. Dr. Sigmund Freud
    (Österreich), Selma Lagerlöf (Schweden), Dr. h. c. Thomas Mann
    (Deutschland), Victor Marguerite (Frankreich), H. W. Nevinson
    (Großbritannien), Prof. Dr. L. Quidde (Deutschland), Prof.
    Dr. Leonhard Ragaz (Schweiz), Henriette Roland Holst (Nieder-
    lande), Romain Rolland (Frankreich), Hon. Bertrand Russell, FRS.
    (Großbritannien), Upton Sinclair (USA.), Rabindranath Tagore
    (Indien), H. G. Wells (Großbritannien).

    Für dieses Manifest ist verantwortlich der „Joint Peace Council“,
    in welchem die folgenden internationalen Friedensverbände zu-
    sammenarbeiten: Rat für Internationalen Dienst der Gesellschaft
    der Freunde (London), das Internationale Antimilitaristische
    Bureau (Haag), die Internationale Genossenschaftliche Frauengilde
    (London), der Internationale Versöhnungsbund (Wien), die Inter-
    nationale der Antimilitaristischen Pfarrer (Ammerstol), der Aus-
    schuß für Friedensarbeit der Gesellschaft der Freunde (London),
    die Internationale der Kriegsdiensigegner (Enfield) und die Inter-
    nationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (Genf).

    Das Sekretariat des „Joint Peace Council“, Wien VII. Döbler-
    gasse 2-26, Österreich, nimmt gerne weitere Zustimmungserklä-
    rungen an.