10) Sitzung am 30. April 1919. Mitteilungen und Referate 1919-509/1995
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    tion kommt, kommt /es/ zu Arbeitshemmung („Du bist gerade ein so arm-
    seliger Mensch wie dein Vater"). Die ungehemmte Auslebung darf man nicht
    gestatten. Stellungnehmen; keine Affektspur zeigen. Man darf ihm nicht zei-
    gen, daß man in Affekt kommt. Man muß aus /der/ gegenwärtigen Situation
    den Rückweg finden. Das Benehmen dieses Jungen stammt aus Vaterkom-
    plex: Warum benimmt er sich gegen Vater so? Phantasie: vom Vater geschla-
    gen zu werden. Der Masochismus der Männer ist eine Art der Erledigung der
    Homosexualität. Die Phantasie, vom Vater geschlagen zu werden, hat Vor-
    stufe, geliebt zu werden. Dazu kommt das Schuldbewußtsein hinzu und ver-
    kehrt sich zu: vom Vater geschlagen zu werden. Muß von Gegenliebe des
    Vaters überzeugt sein und dann sich mit Vater identifizieren (Größenwahn).
    Hat Grund zu Identifikation gelegt. Darf sich so lieben, wie Vater ihn geliebt
    hat. Verdrängt homosexuelle Liebe. Heißt: sind voll von Zärtlichkeit für ihn.
     

    10) Sitzung am 30. April 1919:49
     

    Mitteilungen und Referate:
     

    1. Prof. Freud: Bericht über Gründung einer psa. Gesellschaft in Leipzig, 50
     

    2. Dr. Rank: Bericht über die psychoanalytische Bewegung in der Schweiz
    und im übrigen Ausland.
     

    3. Dr. Hitschmann: Über einen Fall von Eẞstörung.
     

    4. Dr. Reik: Referat über Giese51: Religionspsychologie.
     

    (IZP 1919, S. 231)
     

    Anwesend: Prof. Freud, Dr. Rank, Dr. Tausk, Dr. Sadger, Dr. Winterstein, Dr.
    Nunberg, Dr. Deutsch, Dr. Nepallek, med. Fenichel, Dr. Federn, Dr. Hitsch-
    mann, Dr. Reik.
     

    Prof. Freud teilt die Gründung einer Leipziger psychoanalytischen
    Gruppe mit 12 Mitgliedern mit.
     

    Dr. Rank gibt Eindrücke von der psychoanalytischen Bewegung im Aus-
    lande von Jones. Die Londoner Gruppe wurde im Kriege aufgelöst und eine
    neue British Association gegründet am 20. Februar 1919. New Yorker
    Gruppe ist auf niedrige Mitgliederzahl gesunken (Mi. Curdy, Brill), und die
    Internationale Gruppe besteht ebenfalls; begründet soll eine Bostoner
    Gruppe werden. In der Schweiz: Gründung einer psychoanalytischen Verei-
    nigung in Zürich mit wenigen bekannten Mitgliedern, die angeschlossen
    wurde. 52 In Genf und Lausanne gibt es Anzeichen einer psychoanalytischen
    Bewegung. Eine Genfer Gruppe unter Claparéde53 besteht fast nur aus Ler-
    nenden. Die „Psychoanalytical Review" erscheint weiter. Unliebsame Affai-
    ren Jungs.54
     

    Dr. Hitschmann: 17-jähriges Mädchen mit Eßstörungen, schweigsam und
    spricht undeutlich. Gesündeste von drei Schwestern. In der Kindheit schon
     

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    schlecht-gegessen. Trotz, der sich aus Sadomasochismus entwickelt. Trotz
    äußert sich im Leben außer der Familie in Eßverweigerung und Schweigen.
    Die Onanie der Patientin ist begleitet von masochistischen Phantasien.
    Trotzszenen in der Psychoanalyse. Wieweit soll man beim Schweigen der
    Patienten drängen und wieweit durch Schweigen reagieren?
     

    In der 2. Stunde hat sie geäußert: „Ich komm nicht mehr". Bringt schrift-
    liche Äußerungen. Die Eẞstörung spielt an Periode an. Welche Veranlassung
    der einzelnen Appetitstörung zugrundeliegt, ist noch unklar. Hebt hervor
    Minderwertigkeitsgefühl bei hochwertigen Geschwister. Die große Ähnlich-
    keit der Kindheitsgeschichte mit der von Zwangsneurotiker, kein Schuldge-
    fühl.
     

    Dr. Tausk: Alle angesprochenen Masochisten haben kein Schuldgefühl, es
    steckt alles Schuldbewußtsein im Masochismus. Alle Masochisten haben alle
    mit Naschzwang, Zweifel, Eßstörungen zu tun. Man soll drängen: Was
    denken Sie sich jetzt? Schweigen bei Namen: Widerstände, Namen gibt er
    ganz nackt heraus. Das Heraussagen ohne Affekt. Die Minderwertigkeit als
    melancholisches Symptom, weil man seinem Ideal nicht nahekommt, weil
    man an ihm gescheitert ist.
     

    Dr. Hitschmann: Die Patientin erzählt, bekam als kleines Kind heftigen
    Schlag von Schwester auf den Mund. Schwieg dann, erst spät lernt sie wieder
    sprechen.
     

    Dr. Deutsch: Das Minderwertigkeitsgefühl einer Patientin hängt davon
    ab, daß ihre Eltern sich an ihrer Stelle einen Buben gewünscht haben. Damit
    hängt eine Mutterleibsphantasie zusammen.
     

    Dr. Winterstein: Aus welchem Lebensjahr datiert die Eẞstörung?
     

    Dr. Hitschmann: Von ersten Lebensjahren bis zum 14. Jahr.
     

    Dr. Federn hat Impotente aus Sadomasochismus behandelt, die keine
    Eẞstörung zeigen. Bei einer Patientin starke Eẞstörung, war deutlich auf
    Mutter berechnet. Ein Kind mit Eẞstörung, war gute Trinkerin an Mutter-
    brust, schwer entwöhnt, wollte nicht trinken. I Jahr später nur aus Flasche
    getrunken, später Milch abgelehnt. Schweigstörung: ein Symptom wird als
    Widerstand benützt.
     

    Dr. Deutsch/frägt/ wie sich beide Fälle im Küssen verhalten?
     

    Dr. Federn: Sind starke Küsserinnen.
     

    Dr. Tausk: Die eine meiner Patientinnen enorme Küsserin.
     

    Dr. Federn: Die genitale Zone ist nicht zum Primat gekommen.
     

    Prof. Freud: Das Schuldbewußtsein fehlt bei Masochismus, weil es not-
    wendig war, um Masochismus zu erzeugen. Masochismus niemals primär
    Eẞstörung, bei trotziger Masochistin Vorgeschichte: Das 2. Kind ist das
    gefährdetste Kind, verzehren sich in Eifersucht gegen das erste. Hat rasch
    genitale Stufe erreicht, von dieser auf sadistisch-masochistische zurückge-
     

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    worfen. So entstehen die Perversionen, Kinder erreichen zuerst genitale Stufe
    und auf frühere regredieren. War also Verliebtheit in Vater mit hervorste-
    chendem Sadismus. In genitaler Phantasie hat oraler Faktor Rolle: Kinder
    bekommt man durch Essen. Mit Verdrängung und Erniedrigung ist dieses
    Eẞsymptom isoliert, wird Symptom. Ist hysterischer Rest der einmal bestan-
    denen genitalen Organisation. Familiäre Disposition liegt vor, reicht nicht
    hin zur Neurose. Behandelt Fall von Sprachstörung: auch Vater hatte sie, alle
    Geschwister hatten sie. Einer seiner Brüder aber Schauspieler. Die Minder-
    wertigkeit war einmal Mehrwertigkeit, Unabhängigkeit. Erogenität des
    Organs. Je unabhängiger das Organ ist, desto mehr Lustgewinn. Erogenität
    der oralen Zone, in Familie, daher das Kind bei Regression dieses Symptom
    behalten. Technische Regel kann nur auf Leidenschaftslosigkeit hinweisen:
    der Vater hatte Tendenz. Die Absicht des Patienten ist Wiederholen. Beim
    Zwingen tut man Patienten einen Gefallen, man muß sie das wissen lassen.
    Wenn man das dazu sagt, ist es unschädlich. Das Gezwungenwerden durch
    Arzt will eigentlich der Patient. Minderwertigkeitsgefühl nur das infantile für
    Psy. kommt nur in Betracht. Das Minderwertigkeitsgefühl ist narziẞtische
    Narbe der früheren Periode. Korrigieren nur in Behandlung des Schweigens:
    Versuchung, viel zu reden, beim Schweigen groß. Wenn sich Patient zurück-
    zicht, muß sich auch Arzt zurückziehen. Dadurch übernimmt man Arbeit
    des Patienten. Geholfen darf nur dem werden, der sich müht. Kein Entge-
    genkommen. Oberster Grundsatz: Keine Affekte zeigen. Kein persönliches
    Verhältnis, es ist Dienst. Konzessionen nützen nicht viel. Napoleon.
     

    Dr. Federn: In Kinderstube durch Assoziation über Trotz hinweghelfen.
    Prof. Freud: Affekte brauchen Zeitablauf. Mitteilung braucht Zeit. Bei
    Zwangsneurose Intervall ganz eklatant.
     

    Dr. Hitschmann: Schlag auf Mund, andere Patientin mit masochistischen
    Phantasien Schuldbewußtsein.
     

    Prof. Freud: Patient zeigt sich geschädigt.
     

    Dr. Tausk hat bei Patient ausgesprochen, daß Ekel vor Naschen Schwan-
    gerschaftsphantasie vom Vater ist. Ein Patient redet viel.
     

    Reik: Religionspsychologie. Baum Traum Apfel.55
     

    Dr. Tausk gibt den Traum eines Patienten/wieder/. Morgenerektionen
    meistens homosexuell.
     

    Dr. Rank: Forscher Schultz: Rätsel Schriftgelehrten bedeuten Mensch.
    Freud: Frucht des Baumes, Unbestimmtheit des Ubw, Umwandlung des
    Unbewußten. Von späteren Bedeutung auf frühere zurückschließen. Neben
     

    modernisierten steht alte Form. Frazer Golden bough.56
     

    Dr. Federn: Beide Esel Beispiel. Steinachsche Entdeckungen.57
    Freud: Thema Lit. Unheimliche. Volkelt. Histor. Wörterbuch.
    14.5. Vortrag
     

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