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38. Revision der Krankheitsbilder der progressiven Muskelatrophie.
Von C h a r c o t (Progrès médical, 7. März 1885).
In Anerkennung der in den letzten Jahren von deutschen Beobachtern
geleisteten Beiträge stösst C h a r c o t die in den „Leçons sur
les maladies du système nerveu“ gegebene Eintheilung um und ersetzt sie
durch eine andere, in welcher den Muskelatrophien ohne Spinalaffektion
mehr Platz eingeräumt wird. Den Kern der letzteren Gruppe – der reinen
Myopathien – bildet die lang bekannte Pseudohypertrophie der Muskeln;
dieser reiht C h a r c o t die von E r b statuirte juvenile Form der Muskelatrophie
(charakterisirt durch: Beginn vor dem 20. Jahre an den Schulterrumpfmuskeln
ohne fibrilläre Zuckungen und ohne Entartungsreaktion,
bei nachweisbarem Einflusse der Heredität) an, indem er auf deren gelegentliche
Kombination mit Hypertrophie der Wadenmuskeln hinweist und solche
Fälle anführt, welche weder Atrophie, noch Hypertrophie, dagegen das beiden
Formen gemeinsame Merkmal der Texturänderung mit entsprechender
Kraftabnahme der Muskeln aufweisen. Auch die von L e y d e n beschriebene
„hereditäre“ Form (Beginn in Kindheit an den unteren Extremitäten),
sowie D u c h e n n e ’s „infantile“ Muskelatrophie (Beginn in Kindheit mit
Affektion der Oberlippe und der oberen Gesichtsmuskeln) rechnet er zu den
Myopathien. Für die nahe Verwandtschaft aller dieser Formen von idiopathischer
Muskelatrophie beruft er sich auf den Fall von R e m a k , bei welchem
zu einer juvenilen Atrophie der oberen Extremitäten später Atrophie
der Gesichtsmuskeln hinzutrat, und die Beobachtung von Z i m m e r l i n ,
dass in einer Familie zwei Kinder die juvenile Form der Muskelatrophie hatten,
während ein drittes Kind Gesichtsatrophie mit Pseudohypertrophie der
unteren Extremitäten zeigte.
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