Rezension von: Abercrombie, J[ohn] ›Clinical lecture on Hemiplegia in children‹ 1887-235/1887
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    Nr. 20.                                    Centralblatt für Kinderheilkunde.                                    415

    J. Abercrombie. Clinical lecture on hemiplegia in children (Brit. med.
    Journ. 18. Juni 1887, S. 1323).
        Eine sehr beachtenswerthe Darstellung der cerebralen Kinderlähmung mit be-
    sonderer Berücksichtigung der Aetiologie. — Der Autor schliesst sich der Ver-
    muthung Henoch's an, dass die Lähmung der Kinder häufiger cerebralen als
    spinalen Ursprungs seien. Ursachen der cerebralen Kinderlähmung sind: Hämor-
    rhagie, Arterienverschluss durch Thrombose oder Embolie, Tumor und Meningitis.
    Alle diese Ursachen kommen ebenso beim Erwachsenen in Betracht. Hämorrhagien
    ist bei Kindern sehr selten, fast nur bei Purpura Hämorrhagica und Trauma. Einer
    grossen Hirnarterie und gefässreichem Sarkom beobachtet worden. Neben diesen Ur-
    sachen sind andere in Betracht zu ziehen, welche eher dem spinalen Eigenthume
    zugewiesen sind: **postinfectiöse** (Chorea, Syphilis) und **congenitale** Ursachen. Eine
    Reihe von Fällen lässt den ätiologischen Moment erkennen. Der Autor hat Beob-
    achtungen über das Auftreten einer Hemiplegie nach Masern, Scharlach, Keuch-
    husten und Diphtherie gemacht. Letztere Erkrankung scheint am häufigsten Hemi-
    plegie nach sich zu ziehen, wird aber sehr oft übersehen. Bei einem 6jährigen an
    diphtheritischen erkrankten Knaben tritt am 6. Krankheitstage der Tod ein, welche
    mit Krämpfen einsetzende Hemiplegie. Bei der Autopsie **11 Tage später** fand
    sich Verödung der Arteria corporis media durch einen festen Thrombus, Infarcte
    in Milz und Nieren, keine Erkrankung des Herzens. Eine andere der im sechsten
    Lebensjahre Hemiplegien geworben hat, zeigt, dass in der Familie des Kranken
    eine neuropathische Belastung ist. Die Mutter leidet an einem Nervenleiden
    welche in der Kernregion des N. oculomotorius und in der
    Schleifenschichte sassen. Ausserdem war die Gl. pinealis, welche L.
    mit Unrecht als nicht nervöser Natur hinstellt, vergrössert und verkalkt.
    (S. auch Centralbl. f. K. Nr. 12, S. 249, Ref.).

    Die Fälle, welche keine der bereits angeführten Aetiologien erkennen lassen,
    betreffen meist Kinder unter zwei Jahren und ergaben nach Abercrombie ein
    übereinstimmendes Bild. Sie beginnen mit Convulsionen, die häufiger zuerst am
    Kopfe sind und sich später auf die Lähmung zu Grunde Seite beschränken. Die
    Lähmung tritt oft erst nach wiederholten Anfällen solcher Convulsionen auf. Die
    Lähmung kann von Aphasie und grosser Intelligenzschwäche begleitet sein, sie geht
    gewöhnlich am Bein zurück, eine vollständige Heilung derselben ist sehr selten.

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    Wachsthumhemmung der gelähmten Glieder, ein gewisser Grad von Muskelhyper-
    tonie und Incoordination der Bewegungen an den gelähmt gewesenen Gliedmassen
    sind die Regel. Mädchen erkranken an dieser Form der Lähmung häufiger als
    Knaben.
        Abercrombie bespricht nun die verschiedenen Theorien, welche den patho-
    logischen Process bei dieser Form der cerebralen Kinderlähmung betreffen: Poli-
    encephalitis (Strümpell); Hämorrhagie in zerstreuten Herden (Eustace Smith);
    Meningealblutungen in Folge des Convulsionen, welche erstere zu Verödungen der
    Haute führten durch die der Gebärmutter entartet ist; Embolie der Arterien
    von Arm und Sinek (Gowers); Erweichung nach Embolie (Ross). Abercrombie
    selbst hält für unwahrscheinlich, dass Arterienverschluss durch Thrombose oder
    Embolie die häufigste Ursache der cerebral. Kinderlähmung sei. Gegen die anderen
    Theorien spricht der Umstand, dass die Sklerose und Atrophie der Gehirnmasse
    überragend sind, im Gebiet der Arteria cerebri media gefunden wird, was sich
    nur bei Annahme der embolischen Hypothese erklären lässt.                                                                       Freud (Wien).