Rezension von: Belloni, J. ›Über die centrale Endigung des Nervus opticus bei den Vertebraten‹ 1889-201/1899
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    554    Centralblatt für Physiologie.    Nr. 21.    
    Die rechte Hamisphäre ist durchschnittlich etwas schwerer bei    
    Geisteskranken wie die linke (dasselbe in geringerem Masse gibt jetzt    
    die Mehrzahl der Untersucher auch für die Geistesgesunden an). Be    
    sonders ausgeprägt ist das Uebergewicht des rechtenStirnhirns.    
    Bei der einfachen Geistesstörung betrigt die durchschnitliche Ditle    
    renz der Hamisphäre circa 100 Gramm.    
    Die Entwickelungshöhe des Gehirns tritt bei den Frauen ver-    
    glichen mit den Männern Jfter später als früher ein, bei beiden    meist im dritten oder vierten Jahrzent! Eine Gewichtsverminderung    
    tritt durechschnittlich erst im siebenten, respective achten Jahrzehnt ein.    
    Der Gewichtsverlust bei der Enthäutung nimrat besonders auf den    
    späteren Alterstufen zu.    
    Das Gehirngewicht wächst mit der Körperl&nge, bei den Frauen    
    in höherem Mass als bei den Männern. Doch bebalten die letzteren    
    auch ein relativ (zur Körperlänge) höheres Hirngewicht. Das Klein    
    hirn nimnt mit zunehmender Körperlänge in geringerem Grade au    
    relativem Gewicht ab als das Mantelhirn.    
    Ziehen (Jena).    
    J. Belloni. Ueber die centrale Eadigung des Nervus opticus bei den    
    Vertebraten (Zeitschrift f. Zoologie XLVIL. 1., S. 1).    
    B. hat den Verlauf des Tractus opticus im Zwischen- und Mittel-    
    hirn bei Repräsentanten sämmtlicher Wirbelthierclassen mittelst der    
    Osmiummethode von Exner untersucht, welche ihm, wie die zahl-    
    reichen in acht Tafeln enthaltenen Zeichnungen beweisen, Bilder von    
    nieht zu übertreffender Schärfe geliefert hat. Das wichtigste Ergebniss    
    seiner Arbeiten ist in dem Satze enthalten,    dass kein Optieusb@ndel    
    ron welcher Beschatfenheit es auch sein mag, in anderen Gehirn*    
    theilen als in dem Corpus opticum (dem vorderen Zweihûgelpasr)    
    endigt. Die morphologische und histologische Natur dieses Gehirn-    
    theiles ist bei allen Vertebraten die nämliche. Eine grosse Anzahl    
    der _rein anatomischen Befunde, welche B. bei seinen Untersuchungen    
    zu Tage gefördert hat, eignet sich nicht zum Beferat, dagegen lāsst    
    sich hier die allgemeine Darstellung des Opticusverlaufes wiedergeben,    
    welche in den ,Schlussbetrachtungen'" enthalten ist.    
    Der grössere Theil der Fasern des Chiasma begibt sich ohneweiteres    
    in den Tractus opticus; andere Fasern dringen zunächst verschieden tiefin    
    die Substanz des Tuber cinereum (der subthalamischen Region) ein    
    und kreuzen sich daselbst bei mehreren Typen. Sie endigen dort aber    
    nicht, sondern wenden sich wieder nach aussen und oben,    um sieh    
    Wieder mit dem übrigen Theil des Tractus zu vereinigen. Diesen Optieus-    
    fasern sind eine Reihe von anderen Fasersystemen angelagert oder    
    mit ihnen verflochten.    
    1. Die dünneren Fasern der Commissura inferior (Gudden'sche    
    Commissur), welche sich nach längerem Verlaufe vom Tractus ablösen    
    und im Corpus posterius (dem Kern des hinteren Zweihügelpaaares)    
    endigen.    
    2. Die dickeren, unregelmässig geschlungen verlaufenden Fibrae    
    ansulatae, welehe sich innerhalb oder überhalb der Commissura inferior    
    kreuzen. Die sichere Endigung dieser Fasern ist nicht bekannt.    

     

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    Nr. 21.    Centralblatt für Physiologie.    
    3. Die dicke Decussatio inferior (bei den Vögelo), welche vielleicht    
    den vorigen Fasern gleichzustellen ist.    
    4. Peduncularfasern aus dem Nucleus peduncularis, wo ein solcher    
    vorhanden ist, welehe den Tractus in der Nähe des Chiasma durchsetzen.    
    5. Thalamusfibrillen, welche zumal bei den Säugethieren ein    
    höchst verwickeltes Geflecht mit den optischen und den anderen Faser-    
    gattungen bilden.    
    Im weiteren Verlaufe triftt der Tractus optieus auf eine graue    
    Anschwellung von Thalamussubstanz, das .Corpus geniculatum thala-    
    micum (O. g. internum) und spaltet sich in eine vordere obere und    
    in eine untere nintere Wurzel ln dieses selbst schickt der Tractus    
    nur einige kleinere Bondel, welche nicht darin endigen, aber vielleieht    
    dureh Seitenästchen Verbindungen mit der grauen Substanz herstellen.    
    Dagegen löst sich hier die Commissura inferior vom Tractus ab, tritt    
    in das Corpus geniculatum internum ein und verläuft von diesem zum    
    hinteren Zweihügel.    
    Beide Tractuswurzeln verlaufen zum Corpus optieum (vorderen    
    Zweihügel), in dessen Rinde sie sich netzförmig auflösen. Auf diesem    
    Wege snd die Tractusfasern des Thalamus und der Corona radiata    
    zu trennen. Einige Bündelehen durchsetzen die hintere Substanz des    
    Thalamus, ohne in ihr zu endigen, geben aber (vielleiecht!) für dieselbe    
    Seitenäste ab.    
    B. vermuthet, dass die Uebertragung des Lichtreizes auf die    
    Pupillarfasern schon vor der Endigung der Opticusfasern im Zwei-    
    hügel, also im Zwischenhirngebiet vor sich geht.    
    Die Arbeit ist im Jahre 1885 bereits abgeschlossen gewesen und    
    seither nieht verändert worden. Die seither veröMentlichten' Unter-    
    suchungen sind in ihr nicht berücksichtigt worden. In dem Haupt-    
    ergebnisse, dass die Rinde des vorderen weihúgels die alleinige    
    Opticusendstätte darstellt, trit die Arbeit B.'s mit der früher publi-    
    cirten von Darkschewitsch (über die primären Opticuscentren etc.,    
    Archiv für Anatomie und Physiologie, Anat. Abth. 1886) zusammen.    
    Sigm. Freud (Wien).