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Die rechte Hamisphäre ist durchschnittlich etwas schwerer bei
Geisteskranken wie die linke (dasselbe in geringerem Masse gibt jetzt
die Mehrzahl der Untersucher auch für die Geistesgesunden an). Be
sonders ausgeprägt ist das Uebergewicht des rechtenStirnhirns.
Bei der einfachen Geistesstörung betrigt die durchschnitliche Ditle
renz der Hamisphäre circa 100 Gramm.
Die Entwickelungshöhe des Gehirns tritt bei den Frauen ver-
glichen mit den Männern Jfter später als früher ein, bei beiden meist im dritten oder vierten Jahrzent! Eine Gewichtsverminderung
tritt durechschnittlich erst im siebenten, respective achten Jahrzehnt ein.
Der Gewichtsverlust bei der Enthäutung nimrat besonders auf den
späteren Alterstufen zu.
Das Gehirngewicht wächst mit der Körperl&nge, bei den Frauen
in höherem Mass als bei den Männern. Doch bebalten die letzteren
auch ein relativ (zur Körperlänge) höheres Hirngewicht. Das Klein
hirn nimnt mit zunehmender Körperlänge in geringerem Grade au
relativem Gewicht ab als das Mantelhirn.
Ziehen (Jena).
J. Belloni. Ueber die centrale Eadigung des Nervus opticus bei den
Vertebraten (Zeitschrift f. Zoologie XLVIL. 1., S. 1).
B. hat den Verlauf des Tractus opticus im Zwischen- und Mittel-
hirn bei Repräsentanten sämmtlicher Wirbelthierclassen mittelst der
Osmiummethode von Exner untersucht, welche ihm, wie die zahl-
reichen in acht Tafeln enthaltenen Zeichnungen beweisen, Bilder von
nieht zu übertreffender Schärfe geliefert hat. Das wichtigste Ergebniss
seiner Arbeiten ist in dem Satze enthalten, dass kein Optieusb@ndel
ron welcher Beschatfenheit es auch sein mag, in anderen Gehirn*
theilen als in dem Corpus opticum (dem vorderen Zweihûgelpasr)
endigt. Die morphologische und histologische Natur dieses Gehirn-
theiles ist bei allen Vertebraten die nämliche. Eine grosse Anzahl
der _rein anatomischen Befunde, welche B. bei seinen Untersuchungen
zu Tage gefördert hat, eignet sich nicht zum Beferat, dagegen lāsst
sich hier die allgemeine Darstellung des Opticusverlaufes wiedergeben,
welche in den ,Schlussbetrachtungen'" enthalten ist.
Der grössere Theil der Fasern des Chiasma begibt sich ohneweiteres
in den Tractus opticus; andere Fasern dringen zunächst verschieden tiefin
die Substanz des Tuber cinereum (der subthalamischen Region) ein
und kreuzen sich daselbst bei mehreren Typen. Sie endigen dort aber
nicht, sondern wenden sich wieder nach aussen und oben, um sieh
Wieder mit dem übrigen Theil des Tractus zu vereinigen. Diesen Optieus-
fasern sind eine Reihe von anderen Fasersystemen angelagert oder
mit ihnen verflochten.
1. Die dünneren Fasern der Commissura inferior (Gudden'sche
Commissur), welche sich nach längerem Verlaufe vom Tractus ablösen
und im Corpus posterius (dem Kern des hinteren Zweihügelpaaares)
endigen.
2. Die dickeren, unregelmässig geschlungen verlaufenden Fibrae
ansulatae, welehe sich innerhalb oder überhalb der Commissura inferior
kreuzen. Die sichere Endigung dieser Fasern ist nicht bekannt.S.
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3. Die dicke Decussatio inferior (bei den Vögelo), welche vielleicht
den vorigen Fasern gleichzustellen ist.
4. Peduncularfasern aus dem Nucleus peduncularis, wo ein solcher
vorhanden ist, welehe den Tractus in der Nähe des Chiasma durchsetzen.
5. Thalamusfibrillen, welche zumal bei den Säugethieren ein
höchst verwickeltes Geflecht mit den optischen und den anderen Faser-
gattungen bilden.
Im weiteren Verlaufe triftt der Tractus optieus auf eine graue
Anschwellung von Thalamussubstanz, das .Corpus geniculatum thala-
micum (O. g. internum) und spaltet sich in eine vordere obere und
in eine untere nintere Wurzel ln dieses selbst schickt der Tractus
nur einige kleinere Bondel, welche nicht darin endigen, aber vielleieht
dureh Seitenästchen Verbindungen mit der grauen Substanz herstellen.
Dagegen löst sich hier die Commissura inferior vom Tractus ab, tritt
in das Corpus geniculatum internum ein und verläuft von diesem zum
hinteren Zweihügel.
Beide Tractuswurzeln verlaufen zum Corpus optieum (vorderen
Zweihügel), in dessen Rinde sie sich netzförmig auflösen. Auf diesem
Wege snd die Tractusfasern des Thalamus und der Corona radiata
zu trennen. Einige Bündelehen durchsetzen die hintere Substanz des
Thalamus, ohne in ihr zu endigen, geben aber (vielleiecht!) für dieselbe
Seitenäste ab.
B. vermuthet, dass die Uebertragung des Lichtreizes auf die
Pupillarfasern schon vor der Endigung der Opticusfasern im Zwei-
hügel, also im Zwischenhirngebiet vor sich geht.
Die Arbeit ist im Jahre 1885 bereits abgeschlossen gewesen und
seither nieht verändert worden. Die seither veröMentlichten' Unter-
suchungen sind in ihr nicht berücksichtigt worden. In dem Haupt-
ergebnisse, dass die Rinde des vorderen weihúgels die alleinige
Opticusendstätte darstellt, trit die Arbeit B.'s mit der früher publi-
cirten von Darkschewitsch (über die primären Opticuscentren etc.,
Archiv für Anatomie und Physiologie, Anat. Abth. 1886) zusammen.
Sigm. Freud (Wien).
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