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J. Rich. Ewald. Zur Physiologie der Bogengänge (Aus dem physiol.
Institut d. Universität Strassburg. Pflüger’s Archiv XLIII, S. 319).Wenn man einer Taube einen knöchernen Bogengang eröffnet,
so kann man unter Umständen Bewegungen der Perilymphe wahr-
nehmen und, wie dies Verf. gethan hat, genauer beobachten, indem
man in eine feine Bohröffnung ein Glasröhrchen einsetzt, in welches
die Lymphe hinaufsteigt. Die Bewegungen sind nicht mit den Pulsen
isochron, sondern mit den Athem bewegungen, als fortgeleitete
Druckschwankungen des Liquor cerebrospinalis. Daneben gibt es viel
raschere Schwankungen, die von Bewegungen des Schnabels herrühren,
welche der Thier manchmal sehr rasch hintereinander ausführt. Diese
mögen frühere Autoren zu der Ansicht verleitet haben, es handle sich
um fortgeleitete Pulswellen. Indem man den Unterkiefer der Taube
bewegt, kann man Schwankungen der Perilymphe willkürlich erzeugen.
Perforation des Trommelfells ändert hieran nichts. Absaugung eines
Theils desselben vermindert die Uebertragung der Bewegungen des
Schnabels auf die Perilymphe, Durchtrennung der Columella hebt sie
vollständig auf. Es handelt sich also um mechanische Zerrung des
Trommelfells durch den Unterkiefer; die äussere Haut vermittelt den
Zusammenhang. Die Bewegungen des Trommelfells werden durch die
Columella auf die Perilymphe übertragen.Da diese Drucksteigerungen der Perilymphe alle drei Bogengänge
gleichmässig treffen, so brauchen sie (im Sinne der Flourens-
Goltz’schen Ansichten) kein Gefühl von Lageveränderung zu erzeugen.
Sie sind noch viel zu langsam und verlaufen viel zu allmählich, um die
Empfindung eines Tones oder Geräusches zu erzeugen. Wohl aber
könnte die Steigerung des Druckes im inneren Ohr bei weit aufgesperrtem
Schnabel vorübergehend Schwerhörigkeit erzeugen. Verf. weist darauf
hin, dass auch der Mensch auf der Höhe eines Gähnreflexes vorüber-
gehend schlecht hört (nicht aber, wenn man sonst willkürlich den
Mund noch so weit aufreisst. Ref.), und dass ein bulzender Auerhahn
zu einer bestimmten Zeit, wo er mit weit geöffnetem Schnabel verharrt,
vollständig taub wird.
Paneth (Wien).Physiologie des centralen und sympathischen Nervensystems.
L. Dacksch ewitsch. Ueber den oberen Kern des N. oculomotorius
(A. f. anat. u. Physiol., Anat. Abth. 1889).D. vervollständigt in diesem Aufsatze seine Angaben über den
im Jahre 1885 von ihm beschriebenen «oberen» Kern des Oculomo-
torius. Localisation und Ausdehnung dieses Zellhaufens studirt man
am besten an Querschnitten durch den oberen (vorderen) Vierhügel
vom menschlichen Fötus im Alter von 8 bis 9 Monaten, nach Fär-
bung mit Weigert’schem Hämatoxylin. Der obere Kern des Oculo-
motorius tritt erst auf, wenn der untere (bisher alleinig gekannte) sich
in Abnahme zeigt; er ist von letzteren deutlich geschieden, liegt mit
seiner Ventralaxe nicht der Medianebene parallel, sondern etwas nach
aussen geneigt, und besteht aus erheblich kleineren Zellen als der
untere Kern. Er ist dem hinteren Längsbündel eingelagert und be-S.
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zeichnet, wo er zuerst an Querschnitten erscheint, die Grenze zwischen
einer dickfaserigen und einer feinfaserigen Abtheilung des letzteren.
Er steht wie der untere Kern in anatomischer Beziehung zu den
Fasern des N. oculomotorius und zu Fasern des hinteren Längs-
bündels, ist also im Wesentlichen dem Hauptkern der Nerven gleich-
zustellen. Ausserdem steht er mit zwei Fasersystemen in Verbindung:
1. Mit Fasern, welche bogenartig den Aquäductus Sylvii umziehen
und sich von den anderen Fasern desselben Verlaufes (vom sogenannten
tiefliegenden Mark der Vierhügel) durch grösseren Caliber und stär-
kere Färbung unterscheiden. Diese Fasern bilden einen Bestand-
theil der hinteren Gehirncommissur, weshalb D. sie als «Ventrale
Partie der hinteren Commissur» zusammenfasst. Sie treten durch die
hintere Commissur in die Zirkuläre ein, deren Verbindung mit dem
oberen Oculomotoriuskern sie darstellen. 2) Mit Fasern, die, nachdem
das hintere Längsbündel aus den Schnitten verschwunden ist, die
Stelle derselben einnehmen, ventralwärts längs dem inneren Rande des
rothen Kernes herabziehen, dann den Luys’schen Körper umziehen
und sich der Linsenkernschlinge anlegen. Die Format io reticularis ist
an den nämlichen Präparaten, welche diese Verhältnisse zeigen,
marklos.
Sigm. Freud (Wien).S. Exner und J. Paneth. Versuche über die Folgen der Durch-
schneidung von Associationsfasern am Hundehihrn (Arch. f. d. ges.
Physiologie XLIV, p. 544).An einer Anzahl von Hunden wurde mit möglichster Schonung
der Pia mater der Gyrus sigmoideus derart umschnitten, dass die von
der betreffenden Rindenpartie abgehenden Project ionenfasern erhalten
blieben und demnach nur solche Fasern durchtrennt wurden, welche
auf Associationsfasern aufzufassen sind und die Beziehung zu anderen
Rindengebieten herstellen. Es ergab sich aus diesen Versuchen, dass
die Umscheidung der motorischen Partie der Hundehihrn zunächst ganz
ähnliche Erscheinungen macht, wie die Exstirpation derselben Partie. Auch
der weitere Verlauf war nach beiden Verletzungen ähnlich. Nach der Um-
schneidung atrophirt die umschnittene Partie, hieran schliessen sich
Degeneration in der weissen Substanz. Derte, in der Rinde der nächsten Umgebung und absteigende
Ein Theil dieser Erscheinungen nach Umscheidung ist jedenfalls auf
die Durchtrennung der Associationsfasern zurückzuführen, während
allerdings ein anderer auf die durch die Verletzung gesetzten Ernährungs-
störungen bezogen werden muss. Dass letztere, namentlich die durch
die Piaverletzung herbeigeführten Circulat ionsstörungen, nicht allein für
die beobachteten Erscheinungen verantwortlich gemacht werden können,
geht daraus hervor, dass die elektrische Erregbarkeit der umschriebenen
Stelle mindestens acht Tage erhalten bleibt, während hochgradige
Circulationsstörungen etwa durch Abziehen der Pia bewirkt, die elektri-
sche Erregbarkeit der Hirnrinde schon in viel kürzerer Zeit vernichten.
Obersteiner (Wien).J. P. Morat. Recherches expérimentales sur les nerfs vasomoteurs de
la tête (Arch. de physiol. (5) I, 1/2, p. 196).
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