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B. Lange. Inwieweit sind die Symptome, welche nach Zerstörung
des Kleinhirns beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus
zurückzuführen? (Pflüger’s Archiv. L, 1891).
Zur Entscheidung der im Titel enthaltenen Frage zerstörte L.
(unter Leitung Ewald’s) Tauchern den grössten Theil der Kleinhirn-
und führte dann, nachdem die anfängliche stürmische Ataxie bis auf
gewisse Dauersymptome gewichen war, an denselben Thieren die be-
kannten Labyrinthoperationen aus. Die Dauersymptome der Kleinhirn-
exstirpation bestanden in einem eigenthümlichen, stelzbeinigen Gang,
geringen Intentionstremor des Kopfes, leichtem Schwanken und in
einer constanten Farbenveränderung der Extremete (bei gleicherS.
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Fütterung). Später schlug er den umgekehrten Weg ein, führte zuerst
die Operationen an den Bogengängen aus, und exstirpierte nachträglich
das Kleinhirn, wenn die Erscheinungen constant geworden waren.
Es ergab sich mit aller Sicherheit, dass die Kleinhirnsymptome sich
von den Acusticussymptomen strenge trennen lassen und in einem
unbedeutenden Antheil zusammenfallen. Ferner, dass man bei Auf-
einanderfolge der beiden Operationen einfach die Störungen, die jede
einzelne gemacht hätte, summiert. Der Verlust des Kleinhirns hindert
nicht das Auftreten der Labyrinthsymptome, dieselben sind im Gegen-
theil heftiger und gleichen sich schwerer aus. Die Vorstellung, dass
nach der zweiten Operation Symptome wieder auftreten, die nach der
ersten bereits latent geworden waren, zeigte sich unhaltbar. Dagegen
ist die Annahme berechtigt, dass das Kleinhirn und der Sinnesapparat
in den Bogengängen einander unterstützen und zum Theil ersetzen
können. Sigm. Freud (Wien).
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