Vorwort zu NERVÖSE ANGSTZUSTÄNDE UND IHRE BEHANDLUNG von Dr. Wilhelm Stekel, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1908 1908-061/1928
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    VORWORT

    zu NERVÖSE ANGSTZUSTÄNDE UND IHRE BEHANDLUNG von
    Dr. WILHELM STEKEL, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin und
    Wien 1908.

    Meine seit dem Jahre 1895 fortgesetzten Untersuchungen über die Ätio-
    logie und den psychischen Mechanismus der neurotischen Erkrankungen,
    die anfänglich nur geringe Beachtung bei den Fachgenossen gefunden
    hatten, sind endlich zur Anerkennung von seiten einer Anzahl von ärzt-
    lichen Forschern gelangt und haben auch die Aufmerksamkeit auf das
    psychoanalytische Untersuchungs- und Heilverfahren gelenkt, dessen An-
    wendung ich meine Ergebnisse verdanke. Herr Dr. W. Stekel, einer der
    ersten Kollegen, die ich in die Kenntnis der Psychoanalyse einführen
    konnte, und gegenwärtig selbst durch vieljährige Ausübung mit deren
    Technik vertraut, unternimmt es nun, ein Kapitel aus der Klinik dieser
    Neurosen auf Grund meiner Anschauungen zu bearbeiten und seine mit
    der psychoanalytischen Methode gewonnenen Erfahrungen für ärztliche
    Leser darzustellen. Wenn ich in dem eben dargelegten Sinne bereitwillig
    die Verantwortung für seine Arbeit übernehme, so scheint es doch billig,
    daß ich ausdrücklich erkläre, mein direkter Einfluß auf das vorliegende
    Buch über die nervösen Angstzustände sei ein sehr geringer gewesen. Die
    Beobachtungen und alle Einzelheiten der Auffassung und Deutung sind
    sein Eigentum; nur die Bezeichnung „Angsthysterie“ geht auf meinen
    Vorschlag zurück.

    Ich darf sagen, daß Dr. Stekels Werk auf reicher Erfahrung fußt, und
    daß es dazu bestimmt ist, andere Ärzte anzuregen, unsere Ansichten über
    die Ätiologie dieser Zustände durch eigene Bemühung zu bestätigen. Es
    eröffnet oft unerwartete Einblicke in die Wirklichkeiten des Lebens, die

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    240                  Geleitworte zu Büchern anderer Autoren

    sich hinter den neurotischen Symptomen zu verbergen pflegen, und wird
    die Kollegen wohl überzeugen, daß es für ihr Verständnis wie für ihr
    therapeutisches Wirken nicht gleichgültig sein kann, welche Stellung sie
    zu den hier gegebenen Winken und Aufklärungen einnehmen wollen.