Prof. Dr. Freud
IX., Berggasse 19
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S.
3. 2. 04
Liebe Emma
Ich bin beim W. Bölsche, verstünde
es auch nicht, mich heraus zu schwindeln
wenn Sie mich zur Rede stellen,
muß Ihnen also ohne Aufschub
mittheilen, daß ich gestern der im Hause
wütenden Influenza zum Opfer gefallen
bin, heute mich sehr leistungsunfähig
fühle u bei aller Einschränkg der Geistes-
kräfte doch eines als einen Schügan -
S.
in Ihrem Brief diagnosticiren kann,
di: die Annahme, daß Sie mir Geld
schulden?! Hoffentlich ist es recht viel,
dh: ich bin sehr neugierig, ob da etwas
Reales dahintersteckt, weil ich die
Tiefe Ihrer Bosheit an diesem Beispiel
werde messen können.Ich hoffe auch, daß alle Ihre Zustände
aushalten werden bis ich im Stande
bin, mich etwas mehr um Sie zu beküm̄ern
u grüße Sie unterdeß herzlich mit der
Bitte, sich über Brutalitäten nicht
zu kränken.Ihr
F.Schügan:
Michele Lualdi verdankt sich der Hinweis, dass das Zeichen über dem Buchstaben nach dem „Sch“ nicht als Strich über einem „u“zu lesen ist, wie das bei einem „u“ in kurrenter Schrift der Fall wäre. Er glaubt, „dass dieses Wort das jiddische Wort „Shigan” sein könnte: wenn man nämlich das Original betrachtet, kann man ein Zeichen (den Buchstabe „i“?) über dem Buchstabe „u“ (von „Schugan“) sehen." (Mail vom 19.12.2017)
Damit dürfte die Bedeutung des Wortes aufgeklärt sein.
Hinsichtlich seiner Schreibweise bei Freud bleibt eine Frage offen: Der fragliche Buchstabe imponiert nicht als ein „i“, wie von Herrn Lualdi vorgeschlagen, sondern am ehesten noch als ein „ü“ (wie in der ersten Zeile des Brieftextes bei „verstünde“). Deshalb haben wir vorerst das Wort mit „Schügan“ transkribieren.
Freud Verwendet den Begriff im Sinne von „Verrücktheit“ in zwei Briefen an Wilhelm Fließ in jeweils unterschiedlicher Schreibweise:
Brief vom 9. November 1899 (1985c [1887-1904], 422): hier schreibt er „Shigan“.
Brief vom 23. März 1900 (ebd. 444): hier schreibt er „Schigan“.]
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