• S.

    13.4.25  

    Liebe Freunde,  

    Die Ostertage ermöglichen es, den diesmaligen Brief zeitig fertigzu-  
    stellen. Allerdings wird er nur 2 Unterschriften tragen, da Hanns in Wien ist.  

    Zur Telepathie-Frage: wir würden gern Näheres über die angestellten  
    Versuche hören. Vermutlich waren sie ähnlich wie die in der englischen Zeitschr.  
    (Ps. Research) beschriebenen. Ihr Manuskript, l. Herr Prof., haben wir alle drei  
    studiert, auch den Nachtrag mit dem Beispiel Forsyth, finden aber, dass dieses  
    nicht so eindeutig überzeugend wirkt wie die beiden anderen.  

    Die Berichte über Rank lauten in gewisser Beziehung zweifellos günstiger,  
    sind andererseits aber durchaus nicht dazu angetan, uns hoffnungsvoll zu  
    stimmen. In einem Privatbrief schrieben Sie, l. Herr Prof., von einer lethargischen  
    Depression, und Du, l. Sándor, gibst zu, dass Otto an seinen Anschauungen fest-  
    halte. Du fügst hinzu, er wünsche so sehr, den Kontakt mit uns aufzunehmen. Aber  
    leider bekamen wir bisher nur Beweise des Gegenteils. Wir ziehen daraus nicht  
    etwa unfreundliche Schlussfolgerungen, sondern halten alles seinem offensichtlich  
    abnormen Zustand zugute. Aber wenn er z. B. Hanns auf Briefe resp. auf Zu-  
    sendung der Kritik (Tr. d. Geburt) gar nicht antwortet, so ist uns die Möglichkeit  
    weiterer Annäherung aus der Hand genommen. Wir können das Ganze nur von rein ps.a.  
    Gesichtspunkten betrachten: so wie der anfängliche, übererregte Zustand, so bringt  
    auch der jetzige depressive für O. einen allzu leichten Krankheitsgewinn mit sich.  
    Er ist für absehbare Zeit jeder sachlichen Erörterung mit uns entzogen. Es wäre  
    also unpsychologisch, von ihm zu erwarten, dass er gar so bald uns um einen Schritt  
    entgegenkommen sollte.  

    Sehr befriedigt waren wir darüber, dass Sie, l. Herr Prof., Róheim’s  
    Vortrag (Salzburg) in demselben Sinne beanstandet haben, in welchem wir es schon  
    vor einem Jahre taten. Auch wir hatten damals den Eindruck einer allzu bereit-  
    willigen Übersetzung gemäss der Geburtstrauma-Theorie, ohne alle sachliche  
    Fundierung dieser Änderung. In veränderter Gestalt wird die Arbeit gewiss den  
    früheren R[óheim]s gleichwertig sein.
     

  • S.

    Zum Kongreß: Die Frage des Symposion hat bei den Gruppen wenig Interesse  
    gefunden. Nur zwei Gruppen haben erklärt, daß sie keinen Vorschlag machen, die 
    andern schwiegen. In der Berliner Gruppe wurde vorgeschlagen, über Aktualkonflikt 
    & infantiles Erleben zu diskutieren, und es fand sich eine kleine Mehrheit für 
    diesen Vorschlag. Der Zentralvorstand erlaubt sich nun, an Sie, l. Herr Prof., die 
    Bitte zu richten, uns Ihre Meinung zu sagen (ob überhaupt ein Symp. und ev. wor-
    über?), ganz ohne Rücksicht darauf, ob Sie nach Homburg kommen oder nicht. Viel-
    leicht könnte uns Fräulein Anna mit ein paar Worten Ihre Meinung mitteilen.  

    Die Vorbereitungen zum Kongr. gehen flott vorwärts. Die Kurdirektion in H.  
    beweist uns das größte Interesse. Wir erhalten Logis und Mahlzeiten zu ermä-  
    ßigten Preisen, außerdem sind uns 25 bis 30 Freiquartiere zugesagt worden, so  
    daß auch die wenigst Bemittelten werden kommen können.  

    Noch eine andre Frage für den Kongr. haben wir an Sie, l. Herr Prof.  
    Die Zentralkasse verfügt über einige Geldmittel. Hätten Sie den Wunsch, dieses  
    Jahr wieder ein paar Arbeiten prämieren zu können? Dann könnte die Vereinigung  
    in der geschäftl. Sitzung des Kongresses beschließen, Ihnen die Mittel dafür zur  
    Verfügung zu stellen; wie denken Sie darüber?  

    Diesem Brief fügen wir bei: 1. den Brief von Brill betr. Rank, 2. einen  
    Brief von 2 Aerzten in Odessa, die nicht der russischen, sondern der Berliner Ver-  
    einigung beitreten möchten. Max hat sie veranlasst, sich zunächst mit Moskau  
    auseinanderzusetzen und hat auch an Wulff dieserhalb geschrieben. Der Odessaer  
    Brief geht zum Zweck der Zirkulation mit nach Wien.  

    Eine doppelte Überraschung wurde uns durch Lampl bereitet, erstens  
    durch seine Verlobung mit Frl. de Groot, dann durch seinen ersten Vortrag in
     

  • S.

    unserm Kreise, der alle Erwartungen übertraf.  
    Dem Bericht über Grudocek im vorigen Briefe können wir Einiges hinzufügen. Kürz-  
    lich war Landauer hier, der gerade vorher G. in Baden-Baden besucht hatte. G.  
    hat ihm die Geschichte vom freien Assoziieren vor den Zuhörern selbst spontan  
    erzählt. Eine Reihe von andern Details zeigt, dass G. mit der Psa macht, was ihm  
    gerade passt. Im Persönlichen ist er ebenso ambivalent. Seiner Angabe nach hat  
    er 2 Freunde und 2 Verfolger in der Vereinigung. Die erstern sind Herr Prof. & 
    Sándor, die letzteren Abraham & Jones (ausgerechnet!). Landauer der betimmten 
    Meinung, dass G. paranoisch sei – womit er hoffentlich doch zu weit geht!  

    In letzter Zeit gab es in der Presse viel Erörterungen der Psa, darun-  
    ter eine von William Stern, die im Publikum sehr beachtet wurde. Ausnahmsweise  
    habe ich (A) eine Entgegnung an die betr. Zeitung gesandt, die aber nicht ab-  
    gedruckt worden ist.  

    Das Auftreten von Hattingberg in der Berliner Med. Gesell-  
    schaft war nicht erfolgreich. Die Diskussion ist vertagt. Ev. wird jemand von  
    uns eingreifen.  

    Von der gynaecol. Gesellsch. bin ich aufgefordert worden, meinen Vor-  
    trag in der Zeitschr. f. Gyn. in Druck zu geben. Ein Zeichen des Erfolges!  

    Jedem der Briefe fügen wir ein Verzeichnis unserer Kurse bei.  

    Von Dr. Herbert in Manchester (Mitgl. der Brit. Ass.) bekam ich ein An-  
    gebot, meine „Klin. Beitr.“ zu übersetzen & sie bei einem Verleger unterzu-  
    bringen. Ich habe ihm mitgeteilt, dass eine Übersetzung bereits angefertigt  
    sei und werde mich mit Dir, l. Ernest, gelegentlich über die weiteren Schicksale  
    derselben verständigen. Levi-Bianchini hat meinen Segantini übersetzt. Die  
    italien. „Biblioteca“ scheint ganz arbeitsunfähig zu sein, weshalb L.-B. sich  
    nach einem andern Verleger umsieht.  

    Mit besten Grüssen  
      Abraham  
            Eitingon