• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX. BERGGASSE 19,

    Karersee 22.8.12

    Lieber Herr Rank

    Ich bin mit Ihrer Entschließung sehr zufrieden. 
    Ferenczi, der gerade heute Ihr Buch sehr lobt, 
    freut sich auch auf Ihre Gesellschaft. Wir 
    gedenken etwa am 8 Sept von Caldonazzo 
    im Valsugana aufzubrechen; wahrscheinlich 
    werden wir in München die erste Station 
    machen u dort können Sie zu uns stoßen. 
    Sie erhalten natürlich rechtzeitig Nachricht 
    über unsere Dispositionen.

    Imago N 3 ist in meinen Händen u hat mir, soweit 
    ich nicht Partei bin, sehr gefallen. Ich bitte 
    es so einrichten zu lassen, daß ich die Cor-
    recturen des zweiten Theils besorgen kann, 
    ehe wir reisen. Wir bleiben noch 8 Tage hier, 
    dann ist meine Adresse: Hotel Seehof, 
    S. Cristoforo bei Caldonazzo, Valsugana, Tirol.

    Mit Löwenfeld verkehren Sie nun 
    direkt. Ich respektire das Pflichtgefül, 
    das sich bei Ihnen u Dr Sachs in dem 
    Entschluß kundgiebt.

    Das Bedauerlichste an den Wandlungen 
    in Zürich ist die Sicherheit, daß mir 
    die Zusam̄enfassung von Juden und 
    Antisemiten, die ich auf dem Boden

  • S.

    der ΨA zu vereinigen hoffte, mislungen ist. 
    Sonst nehme ich die Sache nicht allzu heiß. 
    Jungs Verhalten gegen mich – nicht seine 
    Stellung zur Libido – hat unsere Intimität 
    ziemlich geschädigt, aber zu einer Spaltung 
    nach dem Beispiel Adlers soll es nach 
    vielen feierlichen Beteuerungen nicht 
    kommen. Indeß, wer weiß? Jedenfalls 
    ist es an der Zeit, daß wir uns enger zusam̄en-
    thun, wozu auch die Londoner Reise dienen 
    soll. Suchen Sie auch in Wien alles zu unterdrücken, 
    was die Erwartung eines Bürgerkriegs steigern 
    kann. Daß es mir persönlich sehr nahe geht 
    könnte ich nicht zugeben. C’est la vie. Wir 
    werden auch diese Schwierigkeiten über-
    stehen, wenn wir uns nicht irre machen lassen.

    Wir haben hier einen herrlichen Aufent-
    halt en famille, vermehrt um den Bräutigam 
    von Sophie. Leider Wetter noch unbeständig. 
    u oft zu kalt, woraus die Jugend sich nichts 
    macht. Die alten Knochen spüren es aber.

    Ich grüße Sie herzlich u hoffe, Sie 
    werden im Herbst nicht durchfallen 
    in Folge Ihrer sehr vernünftigen Lust-
    prinzipentscheidung.
    Ihr 
    Freud