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Sigm. Freud: Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom. 111
erklären soll, findet sich im vierten Bande des Werkes ,Cultes Mythes et
Religions", 1912, von Salomon Reinach. Ebendort wird auch erwähnt,
daß sich bei den Ausgrabungen des kleinasiatischen Priene Terrakotten ge-
funden haben, welche diese Baubo darstellen. Sie zeigen einen Frauenleib
ohne Kopf und Brust, auf dessen Bauch ein Gesicht gebildet ist; der aufge-hobene Rock umrahmt dieses Gesicht wie eine Haarkrone. (S. Reinach, 1. c.
p. 117.) ⑧2.
Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom.
Von Sigm. Freud.
Der Hut als Symbol des Genitales, vorwiegend des månnlichen, ist durchdie Erfahrung der Traumanalysen hinreichend sichergestellt. Man kann
aber nicht behaupten, daß dieses Symbol zu den begreiflichen gehört. In
Phantasien wie in mannigfachen Symptomen erscheint auch der Kopf als Sym-
bol des männlichen Genitales, oder wenn man will, als Vertretung desselben.
Mancher Analytiker wird bemerkt haben, daß seine zwangsleidenden Patienten
ein Maß von Abscheu und Entriistung gegen die Strafe des Kopfens äußern
wie weitaus gegen keine andere Todesart, und wird sich veranlaBt gesehen
haben, ihnen zu erklären, daß sie das Gekopftwerden wie einen Ersatz des
Kastriertwerdens behandeln, Wiederholt sind Träume jugendlicher Personen
oder aus jungen Jahren analysiert und auch mitgeteilt worden, die das Thema
der Kastration betrafen, und in denen von einer Kugel die Rede war, welche
man als den Kopf des Vaters deuten mußte, Ich habe kürzlich ein Zeremo-
niell vor dem Einschlafen auflösen können, in dem es vorgeschrieben war,
daß das kleine Kopfpolster rautenfürmig auf den anderen Polstern liegen und
der Kopf der Schlafenden genau im langen Durchmesser der Raute ruhen
sollte. Die Raute hatte die bekannte, aus Mauerzeichnungen vertraute Be-
deutung, der Kopf sollte ein månnliches Glied darstellen.Es könnte nun sein, daß die Symbolbedeutung des Hutes sich aus der
des Kopfes ableitet, insofern der Hut als ein fortgesetzter, aber abnehm-
barer Kopf betrachtet werden kann. In diesem Zusammenhang erinnerte ich
mich eines Symptoms der Zwangsneurotiker, aus dem sich diese Kranken eine
hartnäckige Quälerei zu bereiten wissen. Sie lauern auf der Straße unaus-
gesetzt darauf, ob sie ein Bekannter zuerst durch Hutabnehmen gegrüßt hat,
oder ob er auf ihren GruB zu warten scheint, und verzichten auf eine Anzahl
von Beziehungen, indem sie die Entdeckung machen, daß der Betreffende sie
nicht mehr grüßt oder ihren Gruß nicht ordentlich erwidert. Sie finden solcher
GruBschwierigkeiten, die sie nach Stimmung und Belieben aufgreifen, kein
Ende. Es ändert an diesem Verhalten auch nichts, wenn man ihnen vorhålt,
was sic Ohnedies alle wissen, daß der Gruß durch Hutabnehmen eine Er-
niedrigung vor dem BegriBten bedeutet, daß ein Grande von Spanien 7. В. das
Vorrecht genoB, in Gegenwart des Königs bedeckten Hauptes zu bleiben, und
dab ihre GruBempfindlichkeit also den Sinn hat, sich nicht geringer darzu-
stellen, als der andere sich diinkt. Die Resistenz ihrer Empfindlichkeit gegenS.
112 Mitteilungen.
solche Aufklärung läßt die Vermutung zu, daß man die Wirkung eines dem
BewuBtsein weniger gut bekannten Motivs vor sich hat, und die Quelle dieser
Verstärkung könnte leicht in der Beziehung zum Kastrationskomplex gefundenwerden.
3.Affektvertauschung im Traume.
Von Dr. S. Ferenczi (Budapest).Ein älterer Herr wird bei Nacht von seiner Frau geweckt, die ängstlich
dariiber wurde, daB er im Schlafe so laut und unbiindig lachte. Der Mann
erzählte später, folgenden Traum gehabt zu haben: „Ich lag in meinem Bette,
ein bekannter Herr trat ein, ich wollte das Licht aufdrehen, konnte es aber
nicht, versuchte es immer wieder, — vergebens. Daraufhin stieg meine Frau
aus dem Bette, um mir zu helfen, aber auch sie vermochte nichts auszurichten;
weil sie sich aber vor dem Herrn wegen ihres Negligé genierte, gab sie es
schließlich auf und legte sich wieder ins Bett; all dies war so komisch, daß
ich darüber fürchterlich lachen mußte. Die Frau sagte: ‚was lachst du, was
lachst du‘, ich aber lachte nun weiter, — bis ich erwachte.* — Tagsdarauf
war der Herr äußerst niedergeschlagen, hatte Kopfschmerzen, — „vom vielen
Lachen, das mich erschüttert hat“, meinte er.Analytisch betrachtet, schaut der Traum minder lustig aus. Der „bekannte
Herr“, der eintritt, ist in den latenten Traumgedanken das am Vortage ge-
weckte Bild des Todes, als des „großen Unbekannten“. Der alte Herr, der
an Arteriosklerose leidet, hatte am Vortage Grund, ans Sterben zu denken, Das un-
bändige Lachen vertritt die Stelle des Weinens und Schluchzens bei der Idee, daß
er sterben muß, Es ist das Lebenslicht, das er nicht mehr aufdrehen kann.
Dieser traurige Gedanke mag sich an vor kurzem beabsichtigte, aber miß-.
lungene Beischlafversuche angekniipft haben, bei denen ihm auch die Hilfe
seiner Frau in Negligé nichts half; er merkte, daß es mit ihm schon abwärts
geht. Die Traumarbeit verstand es, die traurige Idee der Impotenz und
des Sterbens in eine komische Szene und das Schluchzen in Lachen um-
zuwandeln,Ähnliche » Affektvertauschungen“ und Umkehrungen von Ausdrucks-
bewegungen sieht man übrigens außer im Traum auch in der Neurose und
als ,passagère Symptombildungen“ in der Analyse. り4.
Sinnreiche Variante des Schuhsymbols der Vagina.
Von Dr. S. Ferenczi (Budapest).Ein Patient triumt, daB er ,einen Gummi-Uberschuh (Galoschen) auf
der schmutzigen Erde suchen muß, während sein Bruder und viele andere
mit ihren Frauen längst vorausgegangen sind“. (Die Szene spielte sich beim
Nachhausegehen von einer Unterhaltung oder dgl. ab.) — Der Patiént ist un-
verheiratet, sein jüngerer Bruder heiratete schon långst. Patient ist an eine
nicht mehr junge verheiratete Frau fixiert, bei der die Folgen eines Dammrissesり 8. Ferenczi, Passagère Symptombildungen wåhrend der Analyse.
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