Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom 1916-003/1916
  • S.

    Sigm. Freud: Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom. 111

    erklären soll, findet sich im vierten Bande des Werkes ,Cultes Mythes et
    Religions", 1912, von Salomon Reinach. Ebendort wird auch erwähnt,
    daß sich bei den Ausgrabungen des kleinasiatischen Priene Terrakotten ge-
    funden haben, welche diese Baubo darstellen. Sie zeigen einen Frauenleib
    ohne Kopf und Brust, auf dessen Bauch ein Gesicht gebildet ist; der aufge-

    hobene Rock umrahmt dieses Gesicht wie eine Haarkrone. (S. Reinach, 1. c.
    p. 117.) ⑧

    2.
    Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom.
    Von Sigm. Freud.
    Der Hut als Symbol des Genitales, vorwiegend des månnlichen, ist durch

    die Erfahrung der Traumanalysen hinreichend sichergestellt. Man kann
    aber nicht behaupten, daß dieses Symbol zu den begreiflichen gehört. In
    Phantasien wie in mannigfachen Symptomen erscheint auch der Kopf als Sym-
    bol des männlichen Genitales, oder wenn man will, als Vertretung desselben.
    Mancher Analytiker wird bemerkt haben, daß seine zwangsleidenden Patienten
    ein Maß von Abscheu und Entriistung gegen die Strafe des Kopfens äußern
    wie weitaus gegen keine andere Todesart, und wird sich veranlaBt gesehen
    haben, ihnen zu erklären, daß sie das Gekopftwerden wie einen Ersatz des
    Kastriertwerdens behandeln, Wiederholt sind Träume jugendlicher Personen
    oder aus jungen Jahren analysiert und auch mitgeteilt worden, die das Thema
    der Kastration betrafen, und in denen von einer Kugel die Rede war, welche
    man als den Kopf des Vaters deuten mußte, Ich habe kürzlich ein Zeremo-
    niell vor dem Einschlafen auflösen können, in dem es vorgeschrieben war,
    daß das kleine Kopfpolster rautenfürmig auf den anderen Polstern liegen und
    der Kopf der Schlafenden genau im langen Durchmesser der Raute ruhen
    sollte. Die Raute hatte die bekannte, aus Mauerzeichnungen vertraute Be-
    deutung, der Kopf sollte ein månnliches Glied darstellen.

    Es könnte nun sein, daß die Symbolbedeutung des Hutes sich aus der
    des Kopfes ableitet, insofern der Hut als ein fortgesetzter, aber abnehm-
    barer Kopf betrachtet werden kann. In diesem Zusammenhang erinnerte ich
    mich eines Symptoms der Zwangsneurotiker, aus dem sich diese Kranken eine
    hartnäckige Quälerei zu bereiten wissen. Sie lauern auf der Straße unaus-
    gesetzt darauf, ob sie ein Bekannter zuerst durch Hutabnehmen gegrüßt hat,
    oder ob er auf ihren GruB zu warten scheint, und verzichten auf eine Anzahl
    von Beziehungen, indem sie die Entdeckung machen, daß der Betreffende sie
    nicht mehr grüßt oder ihren Gruß nicht ordentlich erwidert. Sie finden solcher
    GruBschwierigkeiten, die sie nach Stimmung und Belieben aufgreifen, kein
    Ende. Es ändert an diesem Verhalten auch nichts, wenn man ihnen vorhålt,
    was sic Ohnedies alle wissen, daß der Gruß durch Hutabnehmen eine Er-
    niedrigung vor dem BegriBten bedeutet, daß ein Grande von Spanien 7. В. das
    Vorrecht genoB, in Gegenwart des Königs bedeckten Hauptes zu bleiben, und
    dab ihre GruBempfindlichkeit also den Sinn hat, sich nicht geringer darzu-
    stellen, als der andere sich diinkt. Die Resistenz ihrer Empfindlichkeit gegen

  • S.

    112 Mitteilungen.

    solche Aufklärung läßt die Vermutung zu, daß man die Wirkung eines dem
    BewuBtsein weniger gut bekannten Motivs vor sich hat, und die Quelle dieser
    Verstärkung könnte leicht in der Beziehung zum Kastrationskomplex gefunden

    werden.
    3.

    Affektvertauschung im Traume.
    Von Dr. S. Ferenczi (Budapest).

    Ein älterer Herr wird bei Nacht von seiner Frau geweckt, die ängstlich
    dariiber wurde, daB er im Schlafe so laut und unbiindig lachte. Der Mann
    erzählte später, folgenden Traum gehabt zu haben: „Ich lag in meinem Bette,
    ein bekannter Herr trat ein, ich wollte das Licht aufdrehen, konnte es aber
    nicht, versuchte es immer wieder, — vergebens. Daraufhin stieg meine Frau
    aus dem Bette, um mir zu helfen, aber auch sie vermochte nichts auszurichten;
    weil sie sich aber vor dem Herrn wegen ihres Negligé genierte, gab sie es
    schließlich auf und legte sich wieder ins Bett; all dies war so komisch, daß
    ich darüber fürchterlich lachen mußte. Die Frau sagte: ‚was lachst du, was
    lachst du‘, ich aber lachte nun weiter, — bis ich erwachte.* — Tagsdarauf
    war der Herr äußerst niedergeschlagen, hatte Kopfschmerzen, — „vom vielen
    Lachen, das mich erschüttert hat“, meinte er.

    Analytisch betrachtet, schaut der Traum minder lustig aus. Der „bekannte
    Herr“, der eintritt, ist in den latenten Traumgedanken das am Vortage ge-
    weckte Bild des Todes, als des „großen Unbekannten“. Der alte Herr, der
    an Arteriosklerose leidet, hatte am Vortage Grund, ans Sterben zu denken, Das un-
    bändige Lachen vertritt die Stelle des Weinens und Schluchzens bei der Idee, daß
    er sterben muß, Es ist das Lebenslicht, das er nicht mehr aufdrehen kann.
    Dieser traurige Gedanke mag sich an vor kurzem beabsichtigte, aber miß-.
    lungene Beischlafversuche angekniipft haben, bei denen ihm auch die Hilfe
    seiner Frau in Negligé nichts half; er merkte, daß es mit ihm schon abwärts
    geht. Die Traumarbeit verstand es, die traurige Idee der Impotenz und
    des Sterbens in eine komische Szene und das Schluchzen in Lachen um-
    zuwandeln,

    Ähnliche » Affektvertauschungen“ und Umkehrungen von Ausdrucks-
    bewegungen sieht man übrigens außer im Traum auch in der Neurose und
    als ,passagère Symptombildungen“ in der Analyse. り

    4.
    Sinnreiche Variante des Schuhsymbols der Vagina.
    Von Dr. S. Ferenczi (Budapest).

    Ein Patient triumt, daB er ,einen Gummi-Uberschuh (Galoschen) auf
    der schmutzigen Erde suchen muß, während sein Bruder und viele andere
    mit ihren Frauen längst vorausgegangen sind“. (Die Szene spielte sich beim
    Nachhausegehen von einer Unterhaltung oder dgl. ab.) — Der Patiént ist un-
    verheiratet, sein jüngerer Bruder heiratete schon långst. Patient ist an eine
    nicht mehr junge verheiratete Frau fixiert, bei der die Folgen eines Dammrisses

    り 8. Ferenczi, Passagère Symptombildungen wåhrend der Analyse.