S.

PROF. DR. FREUD   WIEN, IX., BERGGASSE 19.
Tegel 17. X. 29

Liebe Ruth

Es wird Sie interresiren zu hören, daß 
meine Frau u Tante Minna von ihrem 
Besuch bei Ihnen schreiben: Das Baby 
ist wirklich großartig und wenn man 
es gesehen hat, spricht man nicht mehr 
von Ruth’s Übertreibung.“

Es war nicht schwer zu vermuten, daß Sie 
wieder etwas analysebedürftig geworden 
sind. Sie haben ja schon in einem der 
letzten Briefe einige Stunden verlangt. 
Damals machte ich mir aus der Theorie die 
Diagnose zurecht, es handle sich um ein 
Stück Mutteridentifizirung, das erst 
jetzt, nachdem Sie wirklich Mutter 
geworden sind, mobilisirt werden 
konnte. Also wiederum Baby! Nun, 
ich wünschte, es wäre wirklich so, 
aber wir werden ja sehen. Freilich, 
ehe Marie geht, vor dem 1 Dez 
kann es nicht werden.

Unser Aufenthalt hier hat sich gegen über 
unsere Erwartung verlängert. Es ist 
unleugbar, daß die Sprache anhaltend 
besser und die Empfindungen leichter 
geworden sind. In welchem Ausmaß 
und für wie lange, wird die Zukunft 
lehren. Schröder hat den jungen 
Weinmann recht gelobt und ver-
spricht mir etwas von seiner Hilfe. 
Er will Montag (21.) die Prothese ab-
nehmen, das heißt doch, daß wir 
in derselben Woche reisen 
können.