• S.

           Dietfeldhof
    PROF. DR. FREUD        WIEN, IX. BERGGASSE 19.
           24. 8. 08

    Lieber Herr Kollege
    Ich gratuliere Ihnen zu diesem Anfang. Berlin ist ein schwieriger, aber bedeutungsvoller Boden, und Ihre Bemühungen, ihn für unsere Absichten urbar zu machen, sind aller Anerkennung wert. Von den Mitgliedern wird wahrscheinlich nur Juliusburger ein voller Gewinn sein, denn die anderen haben andere Leitkomplexe, aber wenn diese anderen nur von Komponenten gestreift werden, ist es auch wertvoll.
    Ihre geschäftlichen Anfragen kann ich nur teilweise beantworten, denn ich habe mit der Redaktion des Jahrbuchs, die ganz in Jungs Händen liegt, nichts zu tun. Ich bitte Sie also, sich direkt an ihn zu wenden; es ist dann möglich, daß Sie nicht vor Mitte September Antwort bekommen, denn er hat sich, wie er gleichzeitig mit Ihnen schrieb - bis 8. September zum Urlaub auf irgend eine einsame Alp am Säntis zurückgezogen; Briefe werden ihm aber nachgeschickt. Gegen den 20. September gedenke ich ihn zu besuchen, und Sie wissen, was ich ihm vorhalten will. Auch das Manuskript bitte ich ihm direkt zu schicken. Er wird Ihnen dann wohl selbst antworten, wo er Ihre Arbeiten einzureihen gedenkt; ich sollte meinen, bei den Schweizern die Behandlung der gegenerischen Publikationen, also auch der Friedländers, sollte, früheren Äußerungen zufolge, in einem besonderen Referat geschehen; doch weiß ich nichts Rezenteres darüber.

  • S.

    Von der Zusammensetzung des ersten Halbbandes weiß ich nicht mehr als Sie. Doch halt, Binswangers Hysterieanalyse mit der Vorrede des Onkels soll auch hinein. Ich werde Ihnen jedenfalls von Zürich aus mitteilen, was ich erfahre, damit Ihr Verkehr mit Jung sich auf das Geschäftliche beschränken kann.
    "Traum und Mythus" habe ich bereits bereits auf dem Umschlage der Neuauflage der Studien angezeigt gesehen. Es ist nichts mehr zu erledigen, den Termin des Erscheinens bestimmt Deuticke, wahrscheinlich für Anfang Oktober. Das Honorar, Kr. 60 für den Bogen, sendet er Ihnen dann unmittelbar zu. Das nächste Heft von Rank hoffe ich dann zu Weihnachten zu bringen.
    Ihre Alkoholarbeit wird Ihnen gewiß die Bestätigung der Somadeutung gebracht haben. Ihre Beobachtung über die Ersatzreihe: autoerotische Phantasie-Befriedigung vor dem Einschlafen - Schlaflosigkeit - Schlafmittel ist natürlich vollkommen zutreffend.
    Ich habe hier noch außer der 2. Auflage der Traumdeutung, dem Aufsatz für das Jahrbuch, eine Arbeit "Über infantile Sexualtheorien", die in den Sexualproblemen erscheinen soll, und einen kleinen Artikel "Allgemeines über den hysterischen Anfall" für das neue Zentralblatt von Moll verfaßt. Ob ich am 1. September nach England gehe, teile ich Ihnen noch mit, weil ich dann doch bis Zürich unstet und unerreichbar sein müßte.
    Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für das Gedeihen Ihrer Unternehmung
    Ihr freundschaftlich ergebener
           Freud