• S.

           14. 1. 12
    PROF. DR. FREUD        WIEN, IX. BERGGASSE 19.

    Lieber Freund
    Schau, Schau! Amenhotep IV. in psychoanalytischer Beleuchtung. Das ist doch bereits ein großer Fortschritt in der ’Orientierung’. Wissen Sie, daß Sie jetzt mit Stekel und Sadger zu den Bêtes Noires der Psychoanalyse zählen, vor denen ich selbst immer gewarnt wurde. Offenbar seit Ihrem Segantini, und was wird erst nach Amenhotep sein? Aber Sie machen sich nichts daraus. Ich bin so gut aufgelegt, weil ich soeben eine Abhandlung für die ’Imago’ fertig gebracht habe, die von der Inzestscheu der Wilden handelt. Nicht daß sie gut wäre, aber daß sie fertig ist, ist so schön.

  • S.

    Die Arbeit, auf die ich oben anspielte, heißt ’Über die psychoanalytischen Theorien Freuds und verwandte Anschauungen’ von Arthur Kronfeld in Berlin, als Buchausgabe: Heft 3 von Band 2 der Abhandlungen zur psychologischen Pädagogik. Sie ist im Ton sonst ganz sauber, beweist aber philosophisch und mathematisch, daß es alle die Dinge, mit denen wir uns plagen, überhaupt nicht gibt, weil es sie nicht geben kann. Da haben wir’s.
    Nach kurzer Frist werde ich einen englischen Aufsatz über Unconscious in der Psychoanalyse schreiben müssen, den die Society for Psychical Research verlangt haben, oder Bleulers Manuskript über das autistische Denken durchlesen, das ich heute bekommen habe. Lesen ist doch noch ärger als schreiben.
    Herzliche Grüße für Sie und Ihre liebe Frau
           von Ihrem Freud