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Zur psychoanalytischen Bewegung.
Wiener psychoanalytische Vereinigung.
Die Wiener psychoanalytische Vereinigung veranstaltet im Winter-
semester 1914/15Kurse über Psychoanalyse
für Ärzte und Studierende aller Fakultäten, Damen und Herren,Die Kurse sind als Ergänzungsvorlesungen zu den an der Wiener Uni-
versität von Herrn Prof. Freud abgehaltenen Kollegien vorgesehen und sollen
Gelegenheit zur theoretischen und praktischen Ausbildung in der Psychoanalyse
geben. Die einzelnen Kurse können, je nach der Anzahl der Hörer, die sich
für die eine oder die andere Modalität entscheiden werden, entweder über die
ganze Dauer des Semesters oder nur über zehn Wochen erstreckt werden,
Die Semestralkurse werden einmal wöchentlich in zweistündiger Vorlesung,
die zehnwöchigen Kurse dreimal wöchentlich in zweistündigen Vorlesungen
abgehalten werden, und zwar nach Übereinkommen mit den Hörern abends
von 7 bis 9 oder 8 bis 10 Uhr, Das Honorar beträgt für Ärzte 60 K,
für alle anderen Hörer 30 K. Studierende mit ganzer oder halber Kollegien-
geldbefreiung zahlen die Hälfte. Es sind vorgesehen:A) Ein Kurs für Vorgeschrittene (einige Kapitel Libidotheorie).
B) Ein Kurs über ärztliche Psychoanalyse mit Übungen, nur für Ärzte
und Studenten der Medizin,
Anmeldungen werden nur bis zum 28. Oktober a, 6. angenommen. Sie
sind zu richten an den mit der Abhaltung der Kurse betrauten Dr. Viktor
Tausk, Nervenarzt in Wien, 9. Bz., Alserstraße 32.Es ist ausdrücklich anzugeben, ob die Teilnahme an. einem Semestral-
oder einem zehnwóchigen Kurs erwünscht ist und ob der Teilnehmer eventuell
bereit ist, den einen Modus fir den anderen zu akzeptieren, falls eine solche
Notwendigkeit sich ergeben sollte.Die psychoanalytische Vereinigung sowohl wie der Vortragende behalten
sich bei Eintritt unabweislicher Bedingungen Programmänderungen vor.* *
*Am 3. Juli hielt Dr. Karl Abraham in der Årztlichen Gesellschaft
fiir Sexualwissenschaft (Berlin) einen Vortrag über ,Eigentümliche Formen der
Gattenwahl, besonders Inzucht und Exogamie“, in welchem er besondere
Typen der Ehe darstellte und zeigte, welche unbewußten Motivierungen in
ihrer Genese wirksam sind. In der Diskussion erklärte sich Dr, Iwan Bloch
für die Gültigkeit der Freudschen Lehre über den Inzestkomplex, den ihn
eigene Beobachtungen an Kindern annehmen lassen; ebenso Sanitätsrat Dr.Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse. IT. 31
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Körber. Dr. Magnus Hirschfeld machte einige Einwendungen, welche
Abraham, Liebermann und Reik leicht wiederlegen konnten,* *
*Dr. Karl Abraham: Traum und Mythus (Schriften z. angew. Seelenk.,
Heft 4, 1909) erschien kürzlich in holländischer Übersetzung von Dr.
Johan Stärcke im Verlag S. C. van Doesburgh, Leiden 1914,Dr. Otto Rank: Der Mythus von der Geburt des Helden (Schriften, Heft 5,
1909) erschien in englischer Übersetzung von Drs. F. Robbins und
S. E. Jelliffe als 18. Heft der „Nervous and Mental Disease Mono-
graph Series“, New York 1914. —Von Prof. Régis und seinem Assistenten A. Hesnard (Psychiatrische
Klinik der Universitit in Bordeaux) erschien kürzlich: La Psychoanalyse
des Névroses et Psychoses. Les applications médicales et extra-médicales.
(Félix Alcan, Paris 1914, Fr. 3.50.) Auf den Inhalt dieser ersten Darstellung
der Psychoanalyse in französischer Sprache kommen wir noch zurück,Unter dem Titel „Jahrbuch der Psychoanalyse“ erschien der
VI. Band des „Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische For-
schungen% unter der neuen Redaktion von Dr, Abraham (Berlin) und
Dr. Hitschmann (Wien) mit folgendem Inhalt:Vorwort der Redaktion.
Originalien :
Freud: Zur Einführung des NarziBmus,
Abraham: Über Einschränkungen und Umwandlungen der Schaulust.
Federn: Uber zwei typische Traumsensationen.
Jones: Die Empfängnis der Jungfrau Maria durch das Ohr,Referierender Teil :
Freud: Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung.
Bericht über die Fortschritte der Psychoanalyse in den Jahren ⑲0⑨ 一 ⑲①⑧.
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