Varia [März 1913] 1913-764/1913
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    Varia.

    Zur psychoanalytischen Bewegung.

    Auf den letzten Kongreß der „American Psychopathological Asso-
    ciation“ am 29. und 30. Mai 1919 in Boston wurde eine Reihe psychoana-
    lytischer Themen vorgetragen und in ernsthafter, würdiger Weise diskutiert,
    Eine Anzahl dieser Vorträge sowie die Diskussion darüber finden sich in den
    letzten Heften (Nr. 4 und 5, Oktober 1912 — Januar 1913) des laufenden
    Jahrgangs (VII) vom „Journal of abnormal Psychology“. — Besondere Her-
    vorhebung verdient, daß der Vorsitzende des Kongresses, Prof. Dr. Adolf
    Meyer von der Johns Hopkins University, Baltimore, in seiner Ansprache
    die Tatsache der immer deutlicheren Annäherung der allgemeinen Psychopa-
    thologie und der Freudschen Psychoanalyse betonte und der Hoffnung auf ein
    erfreuliches und erfolgreiches Zusammenarbeiten Ausdruck gab.

    Aus England und Amerika, Dr. M.D. Eder (London) hielt im Spät-
    herbst vorigen Jahres in der , Psycho-Medical Society" einen Vortrag : „Freuds
    Theory of Dreams“, der im Oktoberheft (1912) von „The Universal
    Medical Record“ eingehend und äußerst sympathisch als die erste Darstellung
    dieser Lehre in England besprochen ist. (Ein Ref, des Ederschen Vortrags,
    der gedruckt vorliegt, findet sich in diesem Heft.)

    Schon vorher war in derselben Zeitschrift (The Universal Medical Record,
    March 1912) ein Artikel: „The Oedipus Myth and Psychiatry über-
    schrieben erschienen, der die Freudsche Aufklärung der Odipus-Sage aus
    der Traumdeutung rekapituliert und auf die daran ankniipfenden Arbeiten von
    Abraham, Jones, Jung und Rank verweist.

    Von A. R. Chandler erschien ein Essay: ,Tragic Effect in
    Sophocles analyzed according to the Freudian Method“, der
    von der Harvard Universität mit dem Bowdoin Preis gekrönt wurde (Mai 1911).

    In einem populären amerikanischen Journal „Me. Clure's Magazine“
    Oktober 1912 bespricht Edw. Tenney Brewster in einem ,Dreams and For-
    getting. New Discoveries in Dream Psychology“ überschriebenen Artikel die
    Freudsche Traumdeutungslehre sowie einiges aus der Psychopathologie des
    Alltagslebens und des infantilen Seelenlebens in gemeinverständlicher Weise.
    Das Novemberheft desselben Magazins enthält als Fortsetzung einen Artikel
    von H, Addington Bruce: „The Marvels of Dream Analysis.“ — Das im
    Februar (1918) erschienene Heft bringt einen Artikel desselben Autors
    »Stammering and its Cure“, worin das Stottern im psychoanalytischen Sinne
    als psychoneurotisches Symptom aufgefaBt wird, für dessen Zustandekommen
    verdringte infantile Momente maßgebend sind, was an einigen kurz skizzierten
    Fällen von Dattner, Coriat und Brill erläutert wird.

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    198 Varia.

    Die englische Zeitschrift „The Strand Magazin“ vom Januar 1913 ent-
    hält einen populären Aufsatz über Träume (,Dreams: The Lastest Views of
    Science“) von William Brown, Vorstand der psychologischen Abteilung an
    der Universität London, Kings College, worin der Autor nach einigen Hinweisen
    auf frühere Traumtheorien (Maury, Hildebrandt, Scherner), die Freudsche
    Traumdeutungslehre in verståndnisvoller Weise skizziert und ihren Wert für die
    Charaktererkenntnis hervorhebt. — In einer früheren Nummer desselben Magazins
    ist vom selben Autor ein Artikel betitelt: „Is Love a Disease?“ worin die
    durch die Psychoanalyse aufgedeckten unbewuften Momente der Verliebtheit
    betont werden.

    Unter dem Titel: „Anwendung der Theorien Freuds“ gibt
    Dr. W. Е. Waugh in der argentinischen Zeitschrift „La Semana Medica“
    vom 5. Dez. 1912 einen kurzen Bericht über den Fall eines Mannes, der
    seine treulose Frau aus Eifersucht erschießt. Der Autor bemerkt, daß die
    Freudsche Lehre auch die sonst unverständlichen Handlungen der Menschen
    erkläre. (Nach einem Bericht von Dr. Eder, London).

    Die Londoner Tageszeitung: „The Daily Mirror“ vom 23, Januar 1913
    enthält auf Seite 7 einen kurzen Artikel: „A Theory of Dreams“, der auf
    die Freudsche Traumdeutungslehre bezug nimmt mit den Hinweis auf
    mehrere an derselben Stelle bereits erfolgte Besprechungen dieser Theorie,

    Neuerscheinungen und Übersetzungen. Von Dr. A. A. Brill (New
    York) erschien kürzlich eine Sammlung psychoanalytischer Arbeiten unter dem
    Titel: , Psychoanalysis; its Theory and practical Application“ (325 Seiten),
    Philadelphia & London, W. B. Saunders Comp. 1912.

    Freuds „Selected Papers on Hysteria and other Psychoneuroses“, übersetzt
    von Dr. A. A. Brill, sind in zweiter, vermehrter Aufl, New York 1912,
    als 4. Heft der von Drs. Jelliffe und White herausgegebenen , Nervous
    and Mental Disease Monograph Series“ erschienen,

    Dr. Karl Abrahams Studie „Traum und Mythus“ (4. Heft der von
    Prof. Freud herausgeg. Schriften z. angew. Seelenkunde, 1909) ist soeben in
    der Ubersetzung von Dr. W. A. White als 15. Heft derselben Serie (New York
    1913) erschienen,

    Im gleichen Verlage erschien soeben Dr. Eduard Hitschmanns zusammen-
    fassende Darstellung von „Freuds Neurosenlehre“ in englischer Über-
    setzung von Dr. C. R. Payne. — In deutscher Sprache ist die 2. ergänzte
    Auflage in Vorbereitung (Verlag Deuticke, Leipzig und Wien 1913).

    Dr. Otto Rank: „Der Mythus von der Geburt des Helden“ (Schriften
    zur angewandten Seelenkunde, Heft 5, 1909) beginnt im Januarheft (1913) des
    „Journal of Nervous and Mental Disease“ (New York) in englischer Über-
    setzung von den Drs. F. Robbins und S. Е. Jelliffe zu erscheinen,

    Neue psychoanalytische Literatur. Kurz nach Ablauf des Jahres ist
    die II. Hälfte des IV. Bandes (1912) vom „Jahrbuch für psychoanalytische
    und psychopatholog. Forschungen“ herausgegeben von Prof. Bleuler und
    Freud, redigiert v. Dozenten С. С. Jung (Verlag Franz Deuticke, Leipzig
    und Wien, Preis M. 4) mit folgendem Inhalt erschienen :

    Silberer: Zur Symbolbildung.

    Bleuler: Eine intellektuelle Komponente des Vaterkomplexes.
    Bleuler: Forels Stellungnahme zu Psychoanalyse.

    Maeder: Uber die Funktion des Traumes,

    Silberer: Zur Frage der Spermatozoentriume,

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    Rosenstein: Eine Kritik,

    Silberer: Eine prinzipielle Anregung.
    Wir kommen im Referatenteil auf einzelne Arbeiten ausführlich zurück.
    „Imago“, I. Heft (Februar), II. Jahrg. (1913) enthält folgende Beiträge:

    Prof. Freud: Über einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden
    und der Neurotiker. III. Animismus, Magie und Allmacht der
    Gedanken.

    Dr. Lorenz: Das Titanenmotiv in der allgemeinen Mythologie, Darstellung
    und Analyse,

    Dr. Sachs: Carl Spitteler.

    Vom wahren Wesen der Kinderseele.

    I. Dr. v. Hug-Hellmuth: Über erste Kindheitserinnerungen.
    II. Dr. Th, Reik: „Von der Kinderseele“,
    IH. Dr. Emil Lorenz. Tolstoy „Kindheit.“
    Bibliographie fir das Jahr 1912.
    Büchereinlauf (1912).

    * *
    *

    Ein Gegner der Psychoanalyse.

    Wir glauben eine Pflicht zu erfiillen, wenn wir das nachstehende von Prof.
    Hoche in Freiburg ausgehende Zirkular an dieser Stelle „niedriger hängen“,

    „Freiburg i. B., den 1. Februar 1913.

    Sehr geehrter Herr College!

    Ich habe fiir die Jahresversammlung des Deutschen Vereins fiir
    Psychiatrie (im Mai in Breslau) zusammen mit Bleuler das Referat über
    den Wert der Psycho-Analyse übernommen. Es wäre mir ‏.ם‎ A. von
    großer Wichtigkeit, über Art und Umfang der durch psycho-analytische
    Proceduren veranlaften Schädigungen von Kranken ein sicheres Urteil zu
    gewinnen, und ich bitte Sie um die Freundlichkeit, wenn Sie über
    derartiges Tatsachenmaterial verfügen, mir davon in irgend einer Ihnen
    geeignet erscheinenden Weise Mitteilung zu machen. (Ich habe dabei
    weder genaue Zahlen noch eingehende Einzelkasuistik im Auge.)

    Die Verwertung durch mich würde ohne Namensnennung und in einer
    solchen Weise erfolgen, daB sie etwaigen Diskussionsbemerkungen Ihrer-
    seits in keiner Weise vorgriffe.

    Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wenig angenehm derartige Um-
    Íragen empfunden werden, sehe aber zu meinem Bedauern keinen anderen
    Weg zur Gewinnung gerade dieses wichtigen Materials.

    Mit dem Ausdruck meines verbindlichsten Dankes
    bin ich Ihr ganz ergebener
    Hoche.*

    Wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Priorität dieser neuen
    wissenschaftlichen "Technik Prof. Raimann in Wien gebührt.