Varia [November 1913] 1913-780/1913
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    Varia.

    Eduard von Hartmanns

    Gesetz der von unbewuliten Zielvorstellungen geleiteten
    Assoziationen.

    Gelegentlich der Erörterung der Rolle des Unbewufiten im künstlerischen
    Schaffen (Philos. d. Unbew. Bd. L, Absch.B, Cap. V) hat Eduard von Har t-
    mann das Gesetz der von unbewuften Zielvorstellungen geleiteten Ideenasso-
    ziation mit klaren Worten ausgesprochen, ohne sich jedoch der Tragweite
    dieses Gesetzes bewußt zu sein. Ihm ist es darum zu tun, zu erweisen, daß
    „jede Kombination sinnlicher Vorstellungen, wenn sie nicht rein dem Zufall an-
    heimgestellt wird, sondern zu einem bestimmten Ziele führen soll, der Hiilfe
    des Unbewußten bedarf" und daß das bewußte Interesse an einer bestimmten
    Gedankenverbindung ein Antrieb für das Unbewußte ist, unter den unzähligen
    möglichen Verstellungen die zweckentsprechende herauszufinden. „Es ist das
    Unbewußte, welches den Zwecken des Interesses gemäß wählt: und das gilt
    für dio Ideenassoziation beim abstrakten Denken, als sinn-
    lichem Vorstellen oder künstlerischem Kombinieren“ und
    beim witzigen Einfall, Daher ist eine Einschränkung der Ideenassozia-
    tion auf die hervorrufende und die hervorgerufene Vorstellung im Sinne der
    reinen Assoziationspsychologie nicht aufrechtzuerhalten. Eine solche Einschrän-
    kung wäre „nur dann tatsächlich gerechtfertigt, wenn Zustände im mensch-
    lichen Leben vorkommen, in denen der Mensch nicht nur von jedem bewußten
    Zweck, sondern auch von der Herrschaft oder Mitwirkung jedes unbewußten
    Interesses, jeder Stimmung frei ist. Dies ist aber ein kaum jemals vorkom-
    mender Zustand, denn auch, wenn man seine Gedankenfolge anschei-
    nend völlig dem Zufall anhoimgibt, oder wenn man sich ganz
    den unwillkürlichen Träumen der Phantasie überläßt, so
    walten doch immer zu der einen Stunde andere Hauptinter-
    essen, maßgebende Gefühle und Stimmungen im Gemüt als zu
    der anderen, und diese werden allemal einen Einfluß auf die
    Ideenassoziation üben“, (Philos. d, Unbew. 11. Aufl, L, 246). Bei halb
    unbewußten Träumen kommen immer nur solche Vorstellungen, die dem augen-
    blicklichen (unbewußten) Hauptinteresse entsprechen (a. a. 0). Die Horvor-
    hebung des Einflusses der Gefühle und Stimmungen auf die freie Gedanken-
    folge läft nun das methodische Verfahren der Psychoanalyse auch vom Stand-
    punkte der Hartmannschen Psychologie als durchaus gerechtfertigt erscheinen.

    In der ,Modernen Psychologie“ (S. 132 f.) kommt Hartmann auf die
    Stimmungen und Interessen noch einmal zurück und führt hier folgendes aus:
    Die „Philosophie des UnbewuBten* , . . führt die Vorstellungsassoziation auf
    eine Kooperation materieller und psychischer Ursachen zuriick. Die materiellen
    Ursachen liegen teils in den molekularen Gehirnprädispositionen, welche durch

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    Wiederholung ähnlicher Funktionen eingegraben sind und das Wiederauftreten
    der gleichen Funktion bei der Erregung durch ähnliche Reize erleichtern und
    begünstigen, teils in körperlich bedingten Stimmungen . . . die
    psychischen Ursachen liegen in den Interessen und Willensrichtungen, welche
    der Auswahl unter den müglicherweise hervorzurufenden Vorstellungen be-
    stimmte Ziele stecken und die unbewuBto Intellektualfunktion zur
    zweckmäfigen Auswahl der Mittel zur Erreichung dieser Ziele antreiben.“
    Auch hier hat Hartmann die Ideenassoziation beim abstrakten Denken im
    Auge. Wenn aber selbst bei diesem die kórperlich bedingten Stimmungen von
    Einflufe auf das Resultat sind, so muB dies in noch viel höherem Grade bei
    der freien Assoziation der Fall sein. Wie nun die kórperliche Bedingtheit der
    Stimmungen zu verstehen ist, erlüutert Hartmann im III. Bande der ,Philo-
    sophie des UnbewuBten“ („das UnbewuBte und der Darwinismus“ В. 104):
    „So werden z. В. bei geschlechtlichem Erregungszustand alle Vorstellungen,
    welche dem Bewuftsein vorschweben, durch die Ideenassoziation solehe Nach-
    folger herbeizuziehen bemüht sein, welche mit dem Geschlechtsleben in nähe-
    rer Beziehung stehen“, Und was das (bewuBte oder unbewufite) Interesse an-
    betrifft, so muß dessen Einfluß körperlich vermittelt gedacht werden, insofern
    dabei die Aufmerksamkeit mitwirkt. ,Diese ist aber ein Innervationsstrom,
    weleher die Wirkung hat, die von ihm betroffenen Teile (des Gehirns) für
    jede Art von Reizen erregbarer zu machen, als sie im ruhenden, normalen
    Zustande sind“ (S. 105). „Ist aber der körperliche Vorgang dabei nur Ver-
    mittlung, so muß sie doch Vermittlung von etwas Unkórperlichem sein. Dies
    ist eben das Willensinteresse" (S. 123). Kürperliche Bedingtheit, Vermittlung
    bedeutet keineswegs, daß das Bedingte, das Vermittelte selbst körperlich ist.
    Es ist nun selbstverstindlich, daß sobald einmal der Einfluß der Ge-
    fühle, Stimmungen, Interessen auf die Ideenassoziation anerkannt ist, man
    diesen nicht bloB im positiven Sinne annehmen kann. Die unbewuften Fak-
    toren werden ja nach ihrer Beschaffenheit einmal die Ideenassoziation begün-
    stigen, ein anderes Mal hemmen, z. B. unlustbetonte psychische Inhalte nicht
    zum Vorschein kommen lassen. Hier ist der Punkt, wo das von Hartmann
    erkannte Gesetz in den Freudschen Begriff der „Verdrängung“ mündet. Da
    Hartmann sich mit den Konsequenzen dieses Gesetzes nicht weiter beschäftigt
    hat, so mógen vorliegeude Bemerkungen sowohl für den Psychoanalytiker als
    auch für Freunde der Hartmannschen Philosophie vielleicht von. einigem Inter-
    esse sein, Dr. N. E. Pohorilles.

    Goethe über Verdrüngung und Abreagieren.

    Wir begegnen bei Goethe einer Bemerkung, die an Freuds Gedanken-
    gang in der ,Psychopathologie des Alltagslebens" erinnert. In „Wilhelm Mei-
    sters theatralischer „Sendung“, der ältesten Form von „Wilhelm Meisters Lehr-
    jahren“, die 1910 aufgefunden wurde, äußert sich Goethe, den inneren Zu-
    stand Marianes schildernd, unter anderem folgendermaßen :

    „Wilhelms Verehrung und Herzlichkeit machte sie (Mariane) anfangs
    verlegen. Sie hatte in ihren ersten Jahren gar zu bald die kindlichen Freu-
    den der Liebe von sich weggescheucht gesehen, sie war so mancher Ernied-
    rigungen bewuBt, denen sie sich in den Armen eines und des anderen hatte
    hingeben müssen, auch gegenwürtig opferte sie sich den heimlichen Vergnü-
    gungen eines reichen und unausstehlich platten Muttersóhnchens auf, und da
    sie von Natur eine gute Seele war, ward's ihr niemals recht wohl, wenn Wil-
    helm ihr die Hand mit trenem Herzen hielt und ite, wenn er ihr mit dem

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    vollen reinen Blick jugendlicher Liebe in die Augen sah; sie konnte den
    Blick nicht aushalten, sie fürchtete, er möchte Erfahrenheit in dem ihrigen
    Jesen; verwirrt schlug sie die Augen nieder, und der glückliche Wilhelm
    glaubte Ahndung, liebliches Geständnis der Liebe zu finden, und seine Sinne
    gingen durcheinander wie Saiten auf dem Psalter . . . Mariane hatte ge-
    liebt, war liebefähig, und vor Wilhelm hatte sie, wie vor einem fremden
    Wesen, ein Gefühl, das der Ehrfurcht glich, Sie wußte sich halb natürlich,
    halb theatralisch in die Stimmung zu versetzen, in der er war . . .; sie kam
    sich selbst in seiner Gegenwart besser vor, sie erinnerte sich wenig glück-
    licher reiner Stunden ihrer Jugend, und die ganze Liebe, mit der Wilhelm
    sie umfaßte, der hohe Wert, den diese gute Seele auf sie legte, ihre eigene
    Neigung zu ihm, verwischte bald, besonders in seiner Gegenwart, alles widrige
    Gefühl ihrer .Unwürdigkeit. Ihr anderer Liebhaber war abwesend, und sie
    schob das Verhältnis mit ihm im Gedächtnisse seitwärts, wie
    man das Andenken von irgend einer Schuld aus dem Reiche
    der lebhaften Erinnerungen in das Fach der historischen
    Kenntnisse verscheucht“ (Wilhelm Meisters theatralische Sendung, heraus-
    gegeben von Harry Mayne 1911, 1. Buch, 16. Kapitel).

    Goethe unterscheidet hier — wenigstens in bezug auf das Gedächtnis
    — zwei Gebiete des seelischen Lebens: das Reich der bewußten, „lebhaften“
    Erinnerungen — einerseits, und das Reich der unbewußten, ,seitwürs gescho-
    benen“, „verscheuchten“, „historischen“ Erinnerungen — anderseits, Indem
    er aber den Anlaß zum „Seitwärtsschieben“, zur Unterdrückung, in dem Ge-
    fühl der Schuld erblickt, schreibt er diesem Prozeß einen zweckmäßigen
    Charakter zu. Denn durch die Unterdrückung der mit dem Bewußtsein der
    Schuld behafteten Verstellung des abwesenden Liebhabers wird etwas Zweck-
    mäßiges — die innere Ruhe, die Freiheit von Gewissensbissen u. dgl. —
    erreicht, Dr. M. Weissfeld,

    In Beantwortung eines Kondolenzbriefes, den er von Schiller aus Anlaß
    des Todes eines kaum 14 Tage alten Knaben erhielt, schreibt Goethe unter
    anderem: „Ich erhalte Ihren lichen Brief und danke fiir den Anteil, dessen
    ich schon versichert war, ManweiBinsolchen Fållennicht, ob man besser
    tut, sichdem Schmerz natürlich zu überlassen, oder sich durch
    die Beyhülfen, die uns die Kultur anbietet, zusammen zu
    nehmen. Entschliefit man sichzu dem letzten, wieich esimmer
    thue, so ist man dadurch nur für einen Augenblick gebessert
    und ich habe bemerkt, daß die Natur durch andere Krisen
    immer wieder ihr Recht behauptet.“ [Briefwechsel zw. Schiller und
    Goethe. I. Bd. S. 155, Reclam.] Ferenczi.

    Multatuli iiber Hysterie.

    Der feine Psychologe und scharfsichtige Menschenkenner, hat in seinen
    „Ideen“ (deutsch: „Die Abenteuer des kleinen Walter“ übersetzt von Spohr)
    den Zusammenhang schlecht verdringter Sexualitit mit der Hysterie fast rest-
    los aufgedeckt.

    „Unsere Sitten haben einen künstlichen Abscheu gegen den Geschlechts-
    trieb zur Geltung gebracht und sie erlauben eher eine aufgedrungene Liige als
    eine philosophische Wahrheit, die nicht „anständig“ sein würde. Wer aber seinen
    „Anstand“ in der Wahrheit sucht, erkennt, dab hysterische Anwandlungen zu.
    allen Zeiten eine Hauptrolle spielten in der Geschichte der Menschheit und der

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    Menschen. Man denke an den Phallusdienst, an die Anbetung des schaffenden Ur-
    prinzips, an die Liebesmahle der ersten Christen, an die schmachtende Verehrung
    des lieben Jesus durch die Nonnen, der — immer schönen und immer
    jugendlichen Jungfrau Maria durch die Mönche, Überall sieht man,
    daß die Sucht nach Liebhaben, Anhängen, Einssein eine Hauptrolle spielt,
    auch da, wo die, die sie zeigen, nur die unbewuBten Werkzeuge dieser
    Neigung sind. Wenn der Mann die Frau nicht lieb gehabt hätte, wäre das
    Paradiesgebot nicht übertreten worden, Fausts hochfliegende Wünsche liefen aus
    in eine ziemlich platte Liebesgeschichte, Walter verwechselte seine himmlische
    Fancy mit der alltäglichen Femke, . . . . .

    Eine natürliche Folge dieser Gleichheit in allerlei Hinsichten ist, daß
    bei Mädchen wie Femke die sehr sonderbare und unnatiirliche Halbweisheit
    in bezug auf die Mysterien des Geschlechtslebens nicht besteht, die wir bei
    der weiblichen Jugend in anderen Ständen antreffen . . . Sie war in der Tat
    unschuldig, aber — ohne die geringste Einfältigkeit, und hierin liegt just die
    Negativität, die ich zu beschreiben hätte. Denn sie wußte nicht, was Un-
    schuld war, und wäre sehr erstaunt gewesen, hätte ihr jemand zu erkennen
    gegeben, daß ihr Wissen dieser Unschuld im Wege stünde . . . Unschuld kann
    unmöglich ausschließlich im Gefolge von Unwissenheit sein. Dann wire doch
    jede verheiratete Frau schuldig, — Femkes Gemüt war in der hier bezeich-
    neten Hinsicht nicht durch Lügen verdorben. Sie würde, wo es am Platze
    gewesen wire, mit der größten Einfachheit gewisse Dinge beim Namen ge-
    nannt haben . . . die sie von sehr jung in dem bißchen Natur wahrgenommen
    hatte, das sich ohne den mindesten Deckmantel von Anståndigkeit ihr gezeigt
    hatte, und die in ihrer Umgebung stets mit der größten Einfachheit besprochen
    waren.

    Um nun fortzufahren in der Zergliederung der Eindriicke, die das
    Mädchen beherrschten, habe ich das Wort „Hysterie“ nötig. Und dies
    beschwert mich einigermaßen, weil es so schwierig ist, eine Bestimmung des-
    selben zu geben. Weder Etymologen, noch Heilkundige können hier mit
    Frucht zu Rate gezogen werden, weil auch dies Wort wiederum so häufig ge-
    mißbraucht ist und nach dem Standpunkte des Sprechers verdreht, daß es
    beinahe ungeeignet geworden ist für den Gebrauch im gesunden Sinn. Ich
    habe mitzuteilen, daß Femke hysterisch war. Wie muß ich es nun ‏-מה‎
    ‎stellen, um zu verhindern, daß man sie sich vorstelle als eine schmachtende,
    bleiche, schwindsüchtige, interessante, dabei unbeachtet gebliebene Kranke?
    Als eine wurmstichige Blumenknospe, vor der Erschließung verwelkt? Dies
    war sie nicht! Sie war ein frisches Mädchen, an Körper und Seele gesund
    und in der Verfassung alles zu werden, was ein Mensch im besten Sinne des
    Wortes werden kann. Sie war hysterisch, ja, aber sie war dies nicht mehr
    und nicht anders, als sie es in Harmonie mit ihrem Alter sein mußte. Sie
    schmachtete nicht nach Wollust 一 und sie dachte selbst nicht daran! — aber
    im allergesundesten Sinne übte der unbewußt erwachende Geschlechtstrieb Ein-
    fluB aus auf ihr sittliches Empfinden, Sie litt nicht an Heißhunger, doch sie
    wurde zum Guten getrieben durch natürlichen, normalen Appetit, diese erste
    und wichtigste Äußerung von Geschlechtstrieb sowohl als von der Liebe, die
    bisweilen — d, h. im günstigsten Falle — damit verbunden auftritt. Daß
    diese Wahrheit den meisten von meinen Lesern unerhört vorkommt, ist meine
    Schuld nicht. Wie überall, so wird auch in dieser Sache die liebe, wohltätige
    Natur besudelt mit den Abscheulichkeiten, die eine Folge sind unserer Not-
    züchtigung der Natur.

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    Sie war hysterisch, weil sie vollkommen war. Kann ich es helfen,
    daß man gewohnt worden ist, dieses Wort beinahe immer angewendet zu
    hören im Sinne von 。tbervollkommen* , , Wir verkennen andauernd den
    Wert des stärksten Hebels, der zu allen Zeiten Mensch und Menschheit in
    Bewegung brachte, Diese verhüngnisvolle Verrenkung der Wahrheit offenbart
    sich nicht allein in negativen Folgen, sondern schleppt bestimmt das Übel
    nach sich. Der horror vacui, der in der sittlichen Welt sowohl wie in der
    stofflichen besteht, bewirkt Erscheinungen, die — allergiinstigst einwirken auf
    die Füllung von Kirchen, Klöstern, Zuchthåusern, Irrenanstalten und noch
    anderen Etablissements öffentlicher Art. Die Einrichtungen verdanken seit
    Jahrhunderten ihre Blüte nicht dem lieben Geschlechtstrieb, sondern just der
    abscheulichen Schwächung und Verstümmelung des Geschlechtstriebes — nicht
    Hysterie, sondern verkehrt geleiteter Hysterie.

    Femke nun war gesund-hysterisch. Einige Grade mehr — sie würde
    bleich, unruhig, abwechselnd trig und ibereifrig gewesen sein. Sie würde
    alle möglichen Eigenschaften — auch die widersprechendsten — gezeigt haben,
    doch zu unrechter Zeit und auf unrechte Weise, so daß selbst das Gute —
    also geoffenbart! — verändert sein würde in etwas Verkehrtes. Unge-
    schickt gelenkter oder zurUnzeit geschwüchter Geschlechts-
    irieb leitet zu allem, selbst zum Widerwillen gegen Wollust,
    zu etwas also, daß dem oberflächlichen Beschauer als Keusch-
    heit erscheint, Und niemand ist weniger im stande als die
    Schlachtopfer selbst, all diese Ungereimtheit zu erklären,
    Ihr Trübsinn, ihre Freude, ihre Angst, ihr Wünschen, ihr
    Gehen, Kommen, Liegen, Sitzen — alles ist ihnen selbst ein
    Rätsel. Sie unterliegen dem Einflusse einer unbekannten
    Macht, die keine Rechenschaft gibt von ihrer Willkür.“

    0. Rank.

    Der Kirehenvater Hippolytos über die Folgen des
    Coitus interruptus.

    In einem Fragment des Kirchenvaters Hippolytos (Kleine exeg. Schriften
    ed. H. Achelis, Bd. I, Abt. 5, S. 94 der Serie griech.-christl, Schriftsteller,
    hg. v. d. kgl. preuB. Akad. d. Wiss.), das uns arabisch in einer sog. Catene
    (in einer Münchner Hs. Monac. arab. 235) überliefert ist, wird die bekannte
    Stelle Genesis 38, ⑨ fg., von der ein sexueller Abusus seinen populären Namen
    hat, ausführlich paraphrasiert. Nachdem der Kirchenvater den zur Vereitlung
    des Zweckes der Leviratsehe von jenem Bibelhelden geübten coitus interruptus
    genau geschildert hat, führt er fort: „Darum zürnte Gott dem Onan und tötete
    ihn durch Angst.“

    Nach diesem Zeugnis hätte schon die antike — bezw. wenn das Hippolytos-
    fragment unecht sein sollte — die mittelalterliche syrisch-arabische Medizin
    die Ansicht vom Zusammenhang der Angstneurose mit dem coitus interruptus
    auf rein empirischer Grundlage gewonnen und vertreten.

    Dr. Robert Eisler.

    Zeitschr. z Втай. Psychoanalyse. 39