S.
VII. Jahrgang.
Wien, 24. September 1893.
Nr. 39.
„Internationale Klinische Rundschau“ erscheint jeden Samstag in
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INTERNATIONALE
KLINISCHE RUNDSCHAU
Centralblatt für die gesammte praktische Heilkunde, sowie für die Gesammtinteressen der ärztlichen Standes.
Debit Alfred Holder, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler in Wien, I. Rothenthurmstrasse 15.
INHALT: Originalartikel, Berichte aus Kliniken und Spitälern. Ueber Beckenperitonitis beim Weibe und die pathologische Bedeutung der Tubae
Fallopiae in Beziehung zu dieser Krankheit. Von Prof. Dr. C. J. Cullingworth in London. — Zur Casuistik der Geschwülste des Eierstockes. Von Dr. M.
Semmola in Neapel. Aetiologie, Pathogenese und Behandlung der Pneumonie. Von Prof. Dr. Nicola Perone in Neapel. (Fortsetzung.) —
Besprechungen. Die neueste Auflage der „Arzneimittellehre“ von Dr. B. Krijes. — Die wichtigsten klinisch-wissenschaftlichen Notizen. Bericht über die 2. Ver-
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Nürnberg. Prof. Ferdinand Hueppe: Ueber die Ursachen der Gährungen und
der Fäulnisserscheinungen. Prof. Carl Weigert: Ueber die anatomischen Ursachen der Lungenphthise. Prof. C. A. Ewald: Ueber diagnostische
Studien zur Choleratrage. Herausgegeben von S. Stricher. — Kosmetik für Aerzte. Dargestellt von Dr. Heinrich Fuschka. Docent an der
Wiener Universität. — Correspondenzen. I. Ueber Tuberculose. II. Galdermacher-Apparat. III. Briefkasten. — Gerichtsarzt von Dr. W. Böhme. —
Hausmittel von Dr. H. Wartenberg: Beitrag zur Behandlung der chronischen Kehlkopfkatarrhe. — Präfard. Ueber den Einfluss der Körper-
lage gegen eine Lappenpneumonie. — Dreyfus-Brisac. Zur Behandlung der Influenza. — Dr. Mauclaire (Paris). Ueber die Bedeutung der Tuber-
culose für die klinische Chirurgie. — Dr. V. Gürgevska (Constantinopel). Ueber die Malariabehandlung bei der Verkleinerung der Milz. —
Baillie. Ueber Luftröhren- und Tonsillenkränken. — Wieschank. — Maxard Morhon: Ueber den Einfluß der Specifica auf die syphilitischen Affectionen
des Ohres. — Dr. T. C. R. (Paris): Ueber einen Fall von Carcinom des Uterus und der Scheide. — Dr. Antonio Dalli (Mailand). Ueber
Arsenik auf den experimentellen Diabetes. — Bavaidi: Ueber einen Fall von Akromegalie mit Autopsie. — Laurello (Mailand): Ueber
die den Kommaßbacillen ähnlichen Bacterien in Fäcesgemischen und deren Behandlung.
Beilage: «Therapeutische Blätter» Nr. 1893.
Originalartikel, Berichte aus Kliniken und Spitälern.
Ueber Beckenperitonitis beim Weibe und die pathologische Bedeutung der Tubae Fallopiae in Beziehung zu dieser Krankheit.*)
Von
Prof. Dr. C. J. Cullingworth in London.
Historisches
Bevor ich daran gehe, eine Darstellung über den jetzigen
Stand unserer Kenntnisse betreffend die Entzündungen im
Becken zu geben, muss ich einen Augenblick bei der Geschichte
unseres gegenwärtigen klinischen und namentlich des Arbeiten
und Schriften eines Mannes gedenken, den ich für einen der
grössten Vorkämpfer der jetzigen Doktrin halte, des Herrn Lawson
Tait. Zur Zeit, zu welcher Beausarz die klinischen
Memoiren veröffentlichte, bestand die landläufige Ansicht, dass
(ausser Cancer und syphilitischen Geschwüren) man es selten
von Entzündungen im Becken ohne dem Scheidengewölbe auf
einer oder allen Seiten und stets der Uterus fühle, noch auf
Reizung eines entzündlichen Exsudates in das Bindegewebe
an der Basis der ligamenta lata oder innerhalb der Schichten
dieser Ligamente zu thun habe.
Noch heute haben viele Aerzte eine Zeitspanne von
10 Jahren verstreichen, seit dem zum Einflusse seiner Autorität
und seiner dogmatischen Lehren wurde dieselbe fast allgemein
angenommen.
Diese Exsudate wurden mit verschiedenen Namen belegt,
aber gleichgültig ob wir als Becken-Cellulitis oder als Para-
metritis oder als peri-uterine Phlegmone beschrieben wurden,
war das Resultat derselben betrifft, so bestand thatsächlich kein
Meinungsunterschied. Einige Zeit stellte auch Beausarz die all-
gemeine Ansicht.
Der letzte Anhang zwar fügte an, die er selbst behandelte,
diente jedem dazu, seine diesbezüglichen Anschauungen zu
ändern, und der obengenannte Umstand setzte ihm auch in den
Stand, in einer unwiderleglichen Art den Nachweis zu erbringen,
dass der peri-uterine Tumor, der während des Lebens der
Patientin alle Symptome der sogenannten peritonitischen Phleg-
mone dargestellt hatte, durchaus nicht in dem Bindegewebe
seinen Sitz hatte. Bei den in Rede stehenden Nekropsien fand
man, dass der Tumor aus einer mehr oder weniger chroni-
schen Zeichen darbov von den Beckeneingeweiden gebildet
war, die durch peritonitische Adhäsionen mit einander verwachsen
waren. Diese Entdeckung war von immenser Bedeutung,
dass sie den zwei Fällen, die zu derselben führten, ein histo-
risches Interesse verleiht, ich will erlaubt, sie hier vor, nur die
Hauptzüge des ersteren dieser zwei Fälle anzuführen.
Der Fall betraf eine junge Frau im Alter von 19 Jahren,
die während eines Jahres mit unregelmässigen Menses gelitten
hatte, und wegen heftiger Schmerzen im Abdomen ins
Hospital aufgenommen wurde.
Die Schmerzen ergriffen die Patientin plötzlich am achten
Tage nach dem Auftreten einer Gonorrhoe, und sie nahmen
derart an Intensität zu, bei der Berührung man massiv unter
den Zeichen einer ernsten Gonorrhoe einen resistenten Körper
oberhalb des Scheidengewölbes, der nur rechts auf den Uterus
führt, fühlte, mit Ausnahme der rechten Seite des letzteren
ausdehnte. Druck auf den Tumor verursachte grossen Schmerz.
Blut- und Eiter-Applikation von Blutegeln auf die linke Regio
iliaca brachten einige Linderung, aber die Geschwulst blieb
dieselbe, und einige Tage später kehrten die Schmerzen
wieder.
Nachdem die Patientin einige Wochen im Hospital zu-
gebracht hatte, erfasste sie einen Anfall von Eiter und man
entleert einen Anfall von Pleuritis mit Erguss, zuerst einen Erguss
grossen Umfanges, der nach der Entleerung sich einige 48
Stundenlang ansammelte. Die Patientin starb drei Monate nach
ihrer Aufnahme ins Hospital.
Bei der Autopsie fand man die Plaus, den Uterus, die
Ligamenta lata und die Ligamenta sigmoidea sämmtlich durch alte
Adhäsionen fest aneinan verwachsen. Auf der linken Seite des
Uterus fand man eine Cyste, die die Tube Fallopiae verwachsen
war mit den Blasen, als wie auch mit dem Rectum verwachsen
waren. Beim Durchschnitt dieser Adhäsionen wurde ein intra-
peritonealer Abscess gefunden.
*) Vertrag, gehalten auf der 61. Jahresversammlung der „British
Medical Association“ in Newcastle-on-Tyne, vom 1. bis 4. August 1893.
— Mitgetheilt von Leon Lehmann.
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