- S.- 52. Ueber Wanderpneumonie. - Von D r e s c h f e l d (The Medical Chronicle, Aug. 1885). - Seit April 1884 konnte D. in Manchester eine besondere Form von Pneumonie 
 beobachten, welche von der gewöhnlichen kroupösen Pneumonie
 in manchen Stücken abweicht und mehrfache Aehnlichkeiten mit epidemischer
 Pneumonie zeigt. Er bezeichnet diese als „creeping pneumonia“,
 weil sie, oft schleichend beginnend, in ziemlich langsamer Weise die ganze
 Lunge oder einen Lungenflügel durchwandert, entweder von der Spitze aus
 zur Basis oder in umgekehrter Richtung. Die beobachteten Fälle scheinen
 sich nach zwei Tagen zu sondern. In der ersten Gruppe, welche die grosse
 Mehrzahl der Fälle umfasst, beginnt die Erkrankung ohne Frost, Erbrechen,
 Brustschmerzen und physikalische Symptome. Die ersten Zeichen
 sind die der Allgemeinerkrankung, Fieber und Verlust des Appetites. Am
 dritten oder vierten Tage zeigen sich die ersten physikalischen Zeichen der
 Krankheit: Dämpfung und krepitirendes Rasseln, meist in einer Lungenspitze.
 Während der nächsten Tage dehnt sich unter mässig hohem Fieber
 der pneumonische Prozess bis zur Basis der ergriffenen Lunge aus; wäh-
 rend die zuerst ergriffenen Theile die Erscheinungen der Hepatisation geben,
 findet man in den zuletzt erkrankten Knisterrasseln. In einigen Fällen
 greift der Prozess langsam auf die andere Lunge über, in anderen bleibt er
 einseitig. Er zeigt einen etwas
- S.- protahirten Verlauf von 10–20 Tagen, nur in sehr wenigen Fällen kommt es zu einer wirklichen Krisis, meist zu allmäliger Abnahme der einzelnen Symptome. Die Temperatur 
 ist niemals sehr hoch, der Puls selten über 120; Sputum fehlt während der
 ganzen Dauer der Krankheit, oder, wo eine geringe Expektoration beobachtet
 wird, ist doch kein rostfarbenes Sputum vorhanden. Dagegen ist die
 Prostration sehr gross, Delirien und andere nervöse Symptome begleiten
 die Erkrankung. In 8 Fällen von 20 war Komplikation mit Peri- oder
 Endokarditis nachweisbar. In den meisten Fällen erscheint einige Tage
 nach dem Beginne der Erkrankung Eiweiss im Harne. Die Prognose dieser
 Form ist eine bedenkliche; die Sterblichkeit betrug 40% der beobachteten
 Fälle.- Der Sektionsbefund ist der gleiche, wie bei genuiner kroupöser Pneumonie; 
 die verschiedenen Lappen zeigen verschiedene Stadien des Prozesses. In
 Schnitten aus den erkrankten Lungenpartien, die nach der G r a n ’schen
 Methode behandelt worden, finden sich ungeheuere Mengen von ovalen, mit
 einer Kapsel versehenen Diplokokken, recht im Gegensatze zur Spärlichkeit
 der Mikroorganismen bei kroupöser Pneumonie. Diese Diplokokken
 sind sowohl in den Alveolen, als im interstitiellen Gewebe vorhanden, wo sie
 Lymphgefässe und Kapillaren erfüllende Pfröpfe bilden. Die Veränderungen
 in anderen Organen sind nicht bemerkenswerth; in einem Falle fanden sich
 dieselben Diplokokken in den Nieren.- Die zweite Gruppe von Fällen unterscheidet sich von der ersten durch 
 einige wesentliche Merkmale. Die Erkrankung beginnt mit Frost und hoher
 Temperatursteigerung, bald darauf erscheint als erstes physikalisches Symptom
 Knisterrasseln. Nachdem das Fieber einige Tage bestanden hat, kommt
 eine Periode des Fiebernachlasses und darauf folgt eine zweite Pyrexie,
 abermals von Frost eingeleitet und von physikalischen Zeichen be-
 gleitet, welche auf eine Ausdehnung des Prozesses schliessen lassen. Die
 Abwechslung von Fiebernachlass und Anstieg geht, wenn der Prozess beide
 Lungenhälften ergreift, über einige Wochen fort. Eine Eigenthümlichkeit
 dieser Fälle ist die profuse, blutige Expektoration, so dass das Sputum zuletzt
 dem phthisischen gleicht. Die Prognose ist eine bessere; von fünf beobachteten
 Fällen starb nicht einer.- Mehrere Beobachtungen deuten auf die infektiöse Natur der in Manchester 
 beobachteten Form von Pneumonie hin. Es erkrankten häufig mehrere
 Mitglieder einer Familie, es wurden gleichzeitig ungewöhnlich viele Fälle von
 Spitzenpneumonie ohne Frost und Sputum beobachtet, die nicht über die
 Lungenspitze hinausschritten; endlich trat die gleiche Form von Pneumonie
 häufig als Komplikation zu anderen Erkrankungen in der Infirmary hinzu.
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