S.
BRIEF
AN DEN BÜRGERMEISTER DER STADT PŘÍBOR
am 25. Oktober 1931 wurde in Freiberg (Příbor) in
Mähren am Geburtshause des Verfassers eine Gedenktafel
enthüllt. Der nachfolgende Brief des Verfassers an den
Bürgermeister der Stadt wurde von Anna Freud bei der
Enthüllungsfeier verlesen. Er ist zuerst in „Psychoanalyti-
sche Bewegung“, Bd. III, 1931 veröffentlicht.
Ich danke dem Herrn Bürgermeister der Stadt Příbor-Freiberg, den Ver-
anstaltern dieser Feier und allen Anwesenden für die Ehre, die sie mir
erweisen, indem sie mein Geburtshaus durch diese Gedenktafel aus Künstler-
hand auszeichnen. Und dies schon zu meinen Lebzeiten und während die
Mitwelt in der Würdigung meiner Leistung noch nicht einig ist.
Ich habe Freiberg im Alter von 3 Jahren verlassen, es mit 16 Jahren
als Gymnasiast auf Ferien, Gast der Familie **Fluss**, wieder besucht und
seither nicht wieder. Vieles ist seit jener Zeit über mich ergangen: ich
habe viel Mühe gehabt, manches Leid erfahren, auch Glück und einigen
Erfolg, wie es sich eben im Menschenleben vermengt. Es wird dem nun
75jährigen nicht leicht, sich in jene Frühzeit zu versetzen, aus deren
reichem Inhalt nur wenige Reste in seine Erinnerung hineinragen, aber
des einen darf ich sicher sein: tief in mir überlagert, lebt noch immer
fort das glückliche Freiberger Kind, der erstgeborene Sohn einer jugend-
lichen Mutter, der aus dieser Luft, aus diesem Boden die ersten unaus-
löschlichen Eindrücke empfangen hat. So mag es mir vergönnt sein, mit
einem herzhaften Glückwunsch für diesen Ort und seine Bewohner meine
Danksagung zu beschließen
freudgs12
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