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S.
[Briefkopf Wien] 5. Nov. 25
Lieber Freund
Ich konstatiere gerne, daß die Krankheit nichts an Ihnen geändert hat, und bin bereit, Sie wieder als genesen zu betrachten. Damit fällt eine große Sorge von mir ab.
Es macht mir keinen tiefen Eindruck, daß ich in der Filmsache B.[ernfeld]-St.[orfer] doch nicht zu Ihrer Ansicht bekehrt werden kann. Manches sehe ich anders und manches weiß ich anders. Das bereitwillige Zugeständnis, daß B. St. im Unrecht waren, gibt mir ein Recht, die Verfehlungen der anderen Seite zu bemerken. Ich finde Sachs’ Demissionsdrohung nicht viel lobenswerter als die Storfers, das Benehmen der Ufa gegen mich war so inkorrekt, daß ich die Geduld verlor und selbst dementierte, anstatt das zugesagte Dementi abzuwarten. Wegen Ihrer Anklage, daß St. sich auch nicht gefügt, nachdem Eitingon seine Entscheidung getroffen, habe ich mich direkt an E. um Auskunft gewendet und das Gegenteil von ihm erfahren.
Wir wollen auch dem Wiederholungszwang nicht zuviel einräumen. Bei Jung haben Sie gewiß recht gehabt, bei Rank schon nicht mehr so ganz. Die Sache ist doch anders verlaufen und wäre noch leichter vorübergegangen, wenn man sie in Berlin nicht so schwer ernstgenommen hätte. Es bleibt ganz gut möglich, daß Sie im Falle, der uns jetzt beschäftigt, noch weniger recht behalten. Es muß ja nicht sein, daß Sie immer recht haben. Sollte es aber diesmal wieder sein, so wird nichts mich abhalten, es -
S.
wieder zuzugeben.
Damit dürfen wir die Diskussion über diese von Ihnen selbst als Bagatelle bezeichnete Angelegenheit schließen. Solche Meinungsverschiedenheiten lassen sich ja nie verhüten, nur rasch überwinden.
Wichtiger wäre mir zu wissen, ob Sie in Berlin zu bleiben gedenken oder doch den Winter in milderem Klima verbringen wollen. Ich bin mit mir nicht einig, was ich Ihnen wünschen soll. Das Ergebnis soll jedenfalls sein, daß Sie uns keine Sorge mehr machen.
Mit herzlichen Grüßen für Sie mit Frau und Kindern Ihr Freud
Berggasse 19
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C15F2