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    [Briefkopf Wien] 6. 1. 19a

    Lieber Herr Doktor

    Ihr Telegramm1 hat das Jahr 19 schön eingeleitet. Ich danke Ihnen herzlich für die Schaffung dieses Omens. Nun mag das Schicksal das übrige tun, damit es sich bewahrheite. Es war uns aber auch ein erwünschtes Anzeichen dafür, daß Sie Ihr Heim wieder bezogen haben.

    Unser Hauptinteresse ist jetzt beim neuen Verlag, mit dem Rank ordentliche Arbeit hat.2 Wir übernehmen die Zeitschriften von Heller, den wir als Auslieferungsstelle beibehalten, und wollen außerdem eine Reihe von guten psychoanalytischen Büchern im Jahr herausbringen. Jeder Schritt macht jetzt natürlich besondere Schwierigkeiten. Die Vereinssitzungen haben begonnen; wir möchten bald hören, da auch Abraham zurück und niedergelassen ist, daß die Berliner Gruppe ihre Arbeit aufgenommen hat.

    Ernst befindet sich in München sehr wohl, aber mein Ältester ist in den letzten Kriegstagen mit seinem ganzen Corps in Gefangenschaft geraten. Die letzte Nachricht von ihm ist vom 30. Nov. aus einem Spital in den Abruzzen (Teramo), lautet sehr gut. Er war nicht verwundet, sondern schwer fieberhaft erkrankt. Ich bin voll beschäftigt, die anderen gesund.

    Mit herzlichen Grüßen und Wünschen für Sie und Ihre liebe Frau

    Ihr Freud

     

    a Auf dem zugehörigen Briefumschlag ist der Straßenname „Güntzelstraße“ in Eitingons Adresse korrigiert aus: Günzlgasse.