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S.
[Briefkopf Wien] 3. 2. 20.
Lieber Herr Doktor
Heute kam Ihr Expreßbrief1 nach der Rückkehr aus Hamburg,2 und vor einer Stunde sprachen wir Herrn Popper von dort, einen alten Freund, der die Trauerfeier mitgemacht unda uns Brief von Oliver und den Text der von Dr. Rosenthal gehaltenen Rede überbrachte. Wir wissen jetzt so ziemlich alles.
Herzlichsten Dank für Ihre Blumenspende. Sie haben also den beabsichtigten Besuch bei Sophie wirklich bald gemacht!3
Aus Ihrem heutigen Brief geht hervor, daß Sie unsere Durchreise erwartet haben. Sie wissen alle in Deutschland nicht, mit welchen Schwierigkeiten für uns hier eine Reise verknüpft ist. Früher als Donnerstag4 mit dem Kinderzug5 hätten wir überhaupt nicht [fahren] können, und da Sophie doch nicht mehr da, war ich’s zufrieden, daß Mathilde und ihr Mann sich an unserer Statt dazu bereit erklärten.
Sonst weiß ich Ihnen nichts dazu zu sagen; es ist eine so lähmende, das Nachdenken nicht anregende Geschichte, wenn man nicht gläubig ist und also alle daran hängenden Konflikte erspart. Stumpfe Notwendigkeit, stumme Ergebung.
Nächstens hören Sie wieder von Dingen, die das Leben betreffen. Die Arbeit geht ja weiter.
Nach all diesen Proben darf ich Sie ruhig den Meinigen nennen. Herzlich für Sie und Ihre liebe Frau der Ihrige
Freud
a Nachträglich eingefügt.
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S.
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