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[Briefkopf Wien] Rom 11. 9. 23
Eden Hotela
Lieber Max
Ich verstehe, daß Sie um diese Zeit Berlin nicht gern verlassen, aber diesen Urlaub hätte man Ihnen aufdrängen müssen, so sehr schienen Sie mir in Lavarone seiner bedürftig. Jetzt möchte ich nur, daß Sie auch viel davon haben.
Von der Lou weiß ich, daß Sie ihr die ersten zwei Raten zugesendet haben,1 danke Ihnen dafür und werde es in Wien sofort ausgleichen. Wir denken zwischen dem 19. und 22. zu reisen.
Wir haben es hier wirklich schön. Zu schade für mich, pflegte unser armes Heinele zu sagen. Anna genießt es in vollen Zügen, findet sich glänzend zurecht und ist für alle Seiten der römischen Polydimensionalität gleich empfänglich. Ich bin hier wohler als je – seit April –, habe sogar Stunden von vollem Behagen. Die sog. Reaktionsschwellungen haben noch nicht aufgehört. Ein schlechteres Zeichen ist es, daß ich auch hier keinen Einfall produziert und keine Zeile geschrieben habe. (Von Briefen abgesehen.)
In einer zugeschickten Zeitung aus Chicago las ich, daß ich slowly dying bin, nicht mehr arbeite und daß alle Schüler zu meinem spiritual son Dr. Otto Rank gehen. Dieser Zustand ist mit dem Inhalt von ‚Ich und Es‘ in Beziehung gebracht. Es ist sehr lehrreich für die Entstehung von Gerüchten und die Ausbildung der Hüllen um den realen Kern. Ganz erfunden ist es ja nicht, der Zusender tröstet mich, denn es gibt keinen Tod, nur das Schlechte kann sterben usw. Dafür ist er ein Christian Scientist.2
Ich hoffe von Ihnen und Mirra entweder noch hieher oder nach Wien zu hören und grüße Sie herzlich Ihr
Freud
a Adresse auf dem zugehörigen Briefumschlag: Herrn Dr. Max Eitingon, chez L. Raigorodsky, Paris, Ivry s. S., 47 Rue du Parc.
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