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    [Briefkopf Wien] Semmering

    30. 6. 27

    Lieber Max

    Es ist mir sehr recht, wenn Sie um den 16./17. kommen. Ich bin frei, Ernstl,a Oli, Henny und das Kind besetzen das Haus, Minna ist in Vitznau-Bürgenstock.1 Wir haben im ganzen schönes Wetter, einzelne herrliche Sommertage.

    Daß Ferenczi in Amerika reich geworden, freut auch mich sehr. Vor einigen Monaten gab er sehr bescheidene Auskunft.2 Den Aufenthalt in London rechnet er offenbar noch zu seiner Arbeit. Daß er keine Eile hat, mich zu besuchen, ist gewiß nicht sehr zärtlich. Aber ich bin nicht anspruchsvoll. Irgendeine Art von Emanzipationsbestreben wird schon dabei sein. Wenn man alt genug wird, hat man endlich alle gegen sich. Daß er Sie vor dem Kongreß aufsuchen sollte, habe ich ihm kürzlich vorgehalten.3 Wollen sehen, ob er es tut. Die letzte Nachricht von ihmb ist vom 7. d. M., noch nicht aus London.

    Ich habe jetzt den Nachtrag zur ‚Laienanalyse‘4 geschrieben, nicht zu meiner Befriedigung. Anna wird ihn typen, und dann bekommen Sie ihn,c rechtzeitig. Es sind drei Bogen meines gewöhnlichen Formats, der letzted enthält eine scharfe Auseinandersetzung mit den Amerikanern. Wenn Sie die aber für unpolitisch und gefährlich halten – sie könnten beleidigt sein, die Gelegenheit zum Austritt ergreifen –, so kann das wegfallen und der Druck an der Stelle enden, die ich blau bezeichnen werde.5 Ohne mein Bedauern! Im weiteren bin ich dann an dem Ausgang der Diskussion auf dem Kongreß nicht interessiert. Ich habe meine Meinung gesagt, entscheiden soll die Menge.

    Mit der Prothese geht es mir noch nicht gut. P[ichler] bleibt bis Ende Juli in Wien, und ich werde einige Male nach Wien fahren, um eine Abänderung durchzusetzen, von der ich mir die Herstellung eines erträglichen Zustands verspreche. Wahrscheinlich handelt es sich um einen einzigen Punkt. Ausgeschlossen bleibt, daß ich P. verlasse, aus der Anfertigung einer neuen Prothese eine Lebensaufgabe für ein halbes Jahr mache u. dgl. Man sagt so leicht, man versucht es eben bei einem anderen, aber ich weiß, was für Summation von Qualen ein solcher neuer Versuch bedeutet.

    Ich grüße Sie und Mirra herzlich

    Ihr Freud

     

    a Nachträglich am Anfang der Zeile eingefügt.

    b Die letzten beiden Worte nachträglich am Zeilenanfang eingefügt.

    c Satzzeichen undeutlich.

    d Gestrichen: is.