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    [Briefkopf Wien] 12. 4. 1931

    Lieber Max

    In Fortsetzung meiner telegraphischen Antwort teile ich Ihnen mit, was ich noch über die Storfer-Affaire zu sagen habe. Durch Anna weiß ich, daß Federn mit St. gesprochen hat. Er schmeichelt sich, Einfluß auf ihn genommen und ihn zur Reise nach Berlin gewonnen zu haben. Wir wissen, wie unzuverlässig Federns Urteil ist und wie sehr er der Versuchung unterliegt, sich mit der Rolle des Friedensstifters zu bekleiden. Ich erwarte von den Verhandlungen in Berlin nicht viel. St.[s] kindische Störrigkeit, auch wenn er gute Vorsätze mitbringt, [wird] sich im Verkehr mit Ihnen bald von neuem entzünden. Wenn Sie nur etwas Zeit gewinnen, ist es Erfolg genug. An eine endgiltige Regelung können wir doch erst denken, wenn wir wissen, ob wir Geld bekommen und wieviel. Der Wunsch, St. loszuwerden, wird nicht mehr zu unterdrücken sein.

    Martin läßt Ihnen sagen, daß er längst Lust verspürt hat, in den Verlag zu gehen. Er hofft die Sache mit Ihnen eingehend zu besprechen, wenn Sie das nächste Mal nach Wien kommen. Ich sehe große Schwierigkeiten, vor allem die, daß die Stellung im Verlag zu unsicher ist, um es zu rechtfertigen, daß er seine bisherige in einer Bank aufgibt. Er kann es also nur daneben tun. Aber er ist reif genug, um selbst zu beurteilen, was er unternimmt.

    Es ist mir sehr peinlich, daß ich jetzt selbst soviel mit dem Ergebnis der Sammlung zu rechnen habe, die mir im Grunde zuwider ist. Ich habe doch zur Bedingung gemacht, daß zur Vermeidung jedes Anscheins der Erpressung weder Analytiker noch aktuelle Patienten aufgefordert werden sollen. Auch möchte ich von dieser Bedingung nichts nachlassen. Nur frage ich mich, wer anders ist denn da, etwas zu geben, und sage mir heute, ich hätte die Frage früher aufwerfen und überhaupt meine Zustimmung verweigern sollen. Dann tut es mir auch leid, in welch schwierige Lage ich Sie geraten lasse.

    Seit der letzten Operation und der letzten Katarrhinfektion hat sich eine nachhaltige Verschlechterung in den Verhältnissen um die Prothese und eine deutliche Niveausenkung meines Allgemeinbefindens hergestellt, die mir Gedanken an irgendwelche Feierlichkeiten noch verhaßter machen. Ich schließe, um Ihnen weitere Proben meiner Stimmung zu ersparen.

    Aber herzlich Ihr

    Freud