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S.
[Briefkopf Wien] 27. 4. 1932
Lieber Max
Daß Ihre Störung so rasch zurückgeht, ist wohl das beste, was Sie mir mitteilen können. Ich hoffe, Ihre weiteren Nachrichten werden in demselben Sinne sein.
Martin ist gewiß sehr eifrig im Verlag. Storfer ist weg,1 hat aber nicht aufgehört, als einziger unter den Gläubigern Schwierigkeiten zu machen.
Die Redaktionsfrage wäre nun an der Reihe zur Entscheidung. Für die ‚Zeitschrift‘ hätte ich hier nur Federn, der Hitschmann2 zum Gehilfen haben will. Federn macht sich aber in letzter Zeit durch allerlei Torheiten so unbeliebt – in der Tat wird mit der Zeit jeder von den Leuten auf seine eigene Weise unbrauchbar –, daß ich mich nicht entschließen kann, ihm neue Macht in die Hand zu geben. Ich muß Martin ausfragen, ob Rücksichten der Sparsamkeit die Verlegung3 gebieterisch fordern. Über die ‚Imago‘ werde ich demnächst mit Dr. Kris und Wälder reden.
Über Dr. Putnam höre ich, welche Schwierigkeiten es in Boston macht, die verschiedenen Abschattungen von broadmindedness4 unter einen Hut zu bringen. In keinem Land – unglaublich – stößt Organisation und Zusammenarbeit auf solche Widerstände wie in Amerika. Es wäre schon sehr recht, wenn es Brill gelänge, eine Einheit mit Untergruppen herzustellen, aber es ist keine überragende Persönlichkeit da, die New Yorker Gesellschaft genießt keine Achtung bei den anderen. Brill hat den in seiner Latenz riesengroßen amerikanischen Antisemitismus gegen sich. Somit sollten wir, wenn Brill seine Absicht nicht durchsetzt, aufnehmen, was sich uns anträgt, und nicht auf einer Form bestehen, die diese Rothäute ablehnen.
Im Fall der Italiener scheint mir die Sache nicht zweifelhaft. Die Person des Führers ist eine sichere Garantie für die Entwicklung der Gruppe, er allein ist eine Gruppe wert, und an eine Gesellschaft, die eine ‚Rivista‘ herausgibt, braucht man keine weiteren Forderungen zu stellen.5 Neue Mitglieder bedeuten jetzt für uns auch neue Beiträge. –
Ich bin gequält wie immer, aber merkwürdig guter Stimmung, nachdem ich zu Anfang des Frühlings etwas hatte, was bei einem anderen leicht eine Depression geworden wäre.
Schrieb ich schon, daß wir in den Pfingsttagen zu übersiedeln gedenken?6
Mit herzlichen Wünschen für Sie und Mirra
Ihr Freud
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S.
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