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S.
[Briefkopf Wien] 3. 4. 1933
Lieber Max
Die Zeiten sind kaum zum Schreiben einladend, auch weiß ich keinen Bericht zu geben. Unsere politische Lage versteht hier niemand, man hält es nicht für wahrscheinlich, daß die Entwicklung ähnlich sein wird wie bei Ihnen, das Leben verläuft hier ungestört bis auf Umzüge, welche die Polizei beschäftigen. Es fehlt nicht an Versuchen, Panikstimmungen zu suggerieren, aber ich werde ganz wie Sie erst im allerletzten Moment den Platz räumen und wahrscheinlich auch dann nicht.
Unser Ernstl ist heute auf „verfrühte“ Osterferien eingetroffen. In Dresden hat er seine erste Berührung mit der Zeitgeschichte erlebt.1 Meine Völkerbundbroschüre ‚Warum Krieg?‘ ist deutsch und französisch erschienen. Martin hat den Vertrieb für Österreich, Sie werden sie, glaube ich, in Berlin nicht bekommen.
Reisen Sie wirklich am 11. d. M. nach Mentone? Ich würde es Mirra gern gönnen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Freud
P.S. Ferenczi hat einen schweren wahnhaften Ausbruch gehabt, scheint sich aber nach dem Zeugnis eines Briefes an mich derzeit herausgearbeitet zu haben.2
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S.
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